"Zustände untragbar"

Staatsspitze still und heimlich in Traiskirchen

Österreich
19.08.2015 13:24
Das chronisch überfüllte Flüchtlingslager in Traiskirchen, in dem zuletzt Menschenrechtsverletzungen attestiert wurden, hat am Mittwoch hohen Besuch bekommen: Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner haben sich gemeinsam mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner still und heimlich ein Bild von der Lage vor Ort gemacht. "Wir sind laufend über die Situation in Traiskirchen informiert, dennoch war es mir wichtig, mir selbst ein Bild der Lage zu machen", so Faymann im Anschluss.

Die Besichtigung der Erstaufnahmestelle fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Kanzler sagte nach der Besichtigung, dass die Zustände in Traiskirchen humanitär nicht tragbar seien, und appellierte "an jedes Bundesland, rechtzeitig menschenwürdige Quartiere zur Verfügung zu stellen, damit Zustände wie in Traiskirchen der Vergangenheit angehören". Um eine Entspannung zu erreichen, gebe es kurzfristig nur die Möglichkeit, österreichweit ausreichend Plätze zu schaffen, so der Kanzler.

Faymann nimmt Länder in die Pflicht
"Jedes Bundesland, das seine Quote nicht erfüllt, trägt Mitverantwortung, dass Menschen auf der Straße, in Zelten oder Bussen leben müssen. Um das in den Griff zu bekommen, müssen die Bundesländer in enger Zusammenarbeit mit dem Bund diese Aufgabe erfüllen", sagte Faymann. "Die Länder haben eine solidarische Verpflichtung, es geht nur miteinander."

Mit der Einigung auf das Durchgriffsrecht des Bundes bei Nichterfüllung von Bezirksquoten sei ein wichtiger Schritt zur fairen Verteilung von Flüchtlingen gesetzt worden. "Das Gesetz ist auch ein Signal, dass eine menschenwürdige und faire Unterbringung nur gemeinsam funktioniert", so der Bundeskanzler weiter. "Es braucht Ordnung, die Einhaltung von Gesetzen und Menschlichkeit, um dem Asylthema lösungsorientiert zu begegnen", sagte Faymann, der auch auf EU-Ebene einmal mehr eine gemeinsame Flüchtlingspolitik und faire Flüchtlingsquoten forderte.

Fischer: "Menschen, die hier sind, haben es nicht leicht"
Bundespräsident Fischer sagte, der Besuch in Traiskirchen gehe auf seine Initiative zurück. Die Situation sei in letzter Zeit immer schwieriger geworden, weshalb er die Innenministerin ersucht habe, das Lager wieder einmal besuchen zu können, um einen persönlichen Eindruck zu erhalten, sagte Fischer. Er habe auch vorgeschlagen, dass Kanzler und Vizekanzler mitkommen.

Außerdem habe er das Bedürfnis gehabt, sich zu bedanken, nämlich "bei jenen vielen Menschen, die in Österreich jetzt mithelfen und das Problem von der richtigen Seite sehen", als "Problem der Menschenwürde", so Fischer. Man werde sich in den nächsten Wochen und Monaten sehr anstrengen müssen. Sein Eindruck von Traiskirchen laut "Standard": Das Lager sei stark überfüllt, "die Menschen, die hier sind, haben es nicht leicht".

Das geplante Durchgriffsrecht des Bundes zur Schaffung von Asylquartieren hält Fischer für einen "notwendigen Schritt", von dem er sich mehr Gerechtigkeit und Entlastung erhoffe, wie er nach dem Besuch gegenüber dem ORF erklärte. Es sei "höchste Zeit", wenn es am 1. Oktober in Kraft trete, ihm wäre ein früherer Zeitpunkt noch lieber gewesen.

Mitterlehner: "Für Österreich eine große Herausforderung"
"Mir ging es darum, mir persönlich ein Bild zu verschaffen nach den vielen Berichten, die ich intern und extern bekommen habe", sagte Mitterlehner nach dem Besuch. "Es ist für Österreich eine große Herausforderung, seinen Teil dieses europaweiten Problems zu lösen, und es bedarf dazu mehrerer unterschiedlicher Maßnahmen." Eine davon ist für den Vizekanzler das Durchgriffsrecht, die Quartiere auf Bundesgelände sieht er als "einen richtigen Schritt, um für Traiskirchen eine Entlastung zu bringen". Sie werden auch nur dort errichtet, wo ein Bundesland seine Quote nicht schafft, sagte Mitterlehner.

Als "besonders wichtig" erachte er es, dass alle Beteiligten zusammenhalten, sich im Ton mäßigen und nicht gegeneinander arbeiten. "Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen werden wir nichts erreichen. Wir müssen diese Herausforderung solidarisch und gemeinsam lösen. Es wäre aber eine Illusion, wenn Österreich als einziges Land in Europa alles für alle erledigen könnte. Das geht nur in einer europaweiten Anstrengung", so Mitterlehner.

Mikl- Leitner fordert "mehr Tempo in der EU"
Innenministerin Mikl-Leitner verteidigte ebenfalls die geplanten neuen Möglichkeiten des Bundes zur Schaffung von Asylquartieren: "Jeder, der sich einmal selbst ein Bild der Lage in Traiskirchen gemacht hat, versteht, warum es das Durchgriffsrecht für das Innenministerium braucht und warum es mehr Tempo innerhalb der Europäischen Union braucht." Mikl-Leitner bekräftigte außerdem, angesichts der Situation europäische Rechtsmittel einsetzen zu wollen.

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