Mindestsicherung

So stark ist der Magnet-Effekt nach Wien

Österreich
06.10.2016 16:55

Andere Bundesländer kürzen die Mindestsicherung (Ober- oder Niederösterreich), Wien bleibt spendabel. Wovor seit Monaten gewarnt wird, tritt nun ein - die aktuellen Zahlen rund um die Aufstockung des Sozialhilfe-Budgets um 130 Millionen Euro zeigen: So stark ist der Magnet-Effekt in die Bundeshauptstadt.

Wenn Flüchtlingen in anderen Bundesländern das Geld gekürzt wird, dann kommen sie nach Wien. Das ist keine überraschende Erkenntnis und wird von der Opposition in Wien seit Monaten als Warnung mantraartig heruntergebetet. Dazu kommt, dass es Zuwanderer immer vermehrt in die Städte zieht. Dieser Mix hat natürlich Auswirkungen.

So heißt es vonseiten der Stadt: "Die Anzahl der Bezieher erhöhte sich aber auch deshalb so stark, weil sich der Zuzug aus anderen Bundesländern verstärkt hat. Lag die Zuzugsquote 2011 bis 2013 bei rund vier Prozent, hat sie sich 2015 verdoppelt und liegt nun bei acht Prozent (14.414 Personen). Im ersten Halbjahr 2016 bestätigt sich dieser Trend. Im Monatsvergleich liegt der Anteil der zugezogenen Personen um 0,2 Prozentpunkte über dem Monatsdurchschnitt 2015."

Während die SPÖ das Modell verteidigen muss und nach Lösungen sucht, rückt der grüne Landessprecher Joachim Kovacs zum Mindestsicherungs-Schutz aus: "Die Hypo-Pleite kostete uns 19 Milliarden und mehr. Die Eurofighter kosteten uns zumindest fünf Milliarden. Was schließen wir daraus? Die Mindestsicherungsbezieher und Kriegsflüchtlinge sind schuld, dass wir Österreicher so wenig verdienen und der Staat kein Geld hat. Logisch? Nein!"

ÖVP beruft jetzt Sondersitzung ein
Für die Wiener Opposition ist das typisches "Willkommensklatscher-Blabla". Die ÖVP spricht wegen der Budgetaufstockung für die ehemalige Sozialhilfe von einer "rot-grünen Budgetkrise". Gernot Blümel, Chef der Stadtschwarzen: "Wir berufen eine Sondersitzung des Gemeinderates ein. Unter dem Titel 'Rekordarbeitslosigkeit, Rekordverschuldung, Kostenexplosionen, Reformverweigerung. Ist Wien noch finanzierbar?'"

Und woher kommt das Geld, Frau Brauner?
Gleich 130 Millionen mehr an Kosten. Woher nimmt Wien, das an allen Ecken und Enden sparen muss, bloß so viel Geld? Die "Krone" fragte bei Finanzstadträtin Renate Brauner von der SPÖ nach. "Das Geld kommt aus dem Zentralbudget. Dieses setzt sich zusammen aus Einnahmen, frei werdenden Mitteln durch einen strengen Vollzug, Strukturmaßnahmen und auch Fremdmittelaufnahmen", erklärt sie. "Natürlich ist man immer mit einem gewissen 'Polster' auf Eventualitäten vorbereitet, und auch der strenge Vollzug hat uns bisher immer geholfen, das Budget einzuhalten." Ein Zauberwort ist in dieser Erklärung ja schon gefallen: Fremdmittelaufnahmen.

Die Ansichten von Sozialstadträtin Sonja Wehsely
Bezieher der Mindestsicherung werden medial als faul und arbeitsunwillig dargestellt, eine Gruppe, die es sich auf Kosten der anderen bequem macht. Dass lediglich 9,9 Prozent ausschließlich von der BMS leben und dass die "Flüchtlings-Großfamilie" kein Massenphänomen ist, fällt dabei unter den Tisch. Die Herausforderungen in der Mindestsicherung sind aber nicht kleinzureden: Das schlechte Wirtschaftswachstum, die schwierige Arbeitsmarktlage und der Anstieg der Asylberechtigten in Wien führen zu einem Kostenanstieg - ein gefundenes Fressen für ÖVP und FPÖ.

Beide Parteien propagieren seit Monaten einen Sozialabbau und wenden dabei eine perfide Taktik an: Der berechtigte Ärger über zu niedrige Löhne, prekäre Beschäftigung oder die Angst, nicht zu wissen, ob man sich die Wohnung dauerhaft leisten kann, wird als Argument genutzt, um von den wahren Problemen - Arbeitsmarktlage, niedrige Löhne, prekäre Beschäftigungen - abzulenken. Statt den Scheinwerfer dorthin zu richten, wo wir dringend Verbesserungen brauchen, nämlich auf die faire Verteilung von Vermögen und Arbeit, planen ÖVP und FPÖ, jenen Menschen etwas wegzunehmen, die am untersten Ende angekommen sind.

Was wir damit riskieren, sind Obdachlosigkeit, Armut und Kriminalität. Denn vergessen wir nicht: Die Mindestsicherung schützt nicht nur die Ärmsten, sondern uns alle, sie sichert den sozialen Frieden in unserer Stadt. Ein hohes Gut, das wir nicht aufgeben dürfen. Damit dieses Gut erhalten bleibt, brauchen wir aufgrund der besonderen Situation Veränderungen - dazu steht Wien.

Es braucht mehr Sachleistungen statt Geldleistungen und bessere Angebote speziell für junge Bezieher. Angebotene Integrations- und Bildungsmaßnahmen müssen verpflichtend angenommen werden, damit die Menschen eine Chance haben, ihr Leben ohne BMS führen zu können. Sparen wir jetzt auf Kosten der Ärmsten, werden wir am Ende dafür alle teuer bezahlen.

Die Ansichten von ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka
Es muss Schluss sein mit dem Verdrehen, Verkennen und Verharmlosen angesichts der dramatischen Entwicklung bei der Mindestsicherung. Wir brauchen rasch eine Neuregelung dieser Sozialleistung. In Wien bezieht schon jeder zehnte Einwohner auch Mindestsicherung. Im Vorjahr kamen mehr als 90.000 Asylwerber zu uns, von denen landet der Großteil in der Wiener Mindestsicherung, weil Wien hier zu großzügig ist.

So hat der Hassprediger Mirsad O., der zuletzt zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, in Wien für sich und seine Großfamilie 4900 Euro Mindestsicherung im Monat bezogen. Was denkt sich dabei eine Mindestpensionistin, die ihr Leben lang hart gearbeitet hat und mit 883 Euro im Monat auskommen muss? Wir brauchen daher eine dreifache Verschärfung bei der Mindestsicherung:

  1. Es muss ein Deckel bei der Ausbezahlung von 1500 Euro eingezogen werden. Für Kinder kommt ohnehin noch die Familienbeihilfe dazu.
  2. Wer in den vergangenen fünf Jahren nicht in Österreich gelebt hat, soll eine verringerte Mindestsicherung von 560 Euro bekommen, da er in Österreich noch keinerlei Beiträge für unser Gemeinwesen geleistet hat.
  3. Bezieher der Mindestsicherung müssen zu gemeinnütziger Arbeit verpflichtet werden können.

Durch die Wiener Kostenexplosion überschreiten wir bei der Mindestsicherung die Milliardengrenze. Sozialminister Alois Stöger ist Hand in Hand mit Stadträtin Sonja Wehsely dringend gefordert, endlich den Vorschlägen der ÖVP zuzustimmen, damit das Sozialsystem weiterhin finanzierbar bleibt und nicht aufgrund der Bundeshauptstadt in Misskredit kommt.

Der Steuerzahler wird die Finanzierung der Mindestsicherung nur dann als gerecht empfinden, wenn damit das Notdürftigste abgedeckt wird. Die Höhe der Auszahlungen bei der Mindestsicherung muss unter jener von Mindestpensionen und der niedrigen Erwerbseinkommen liegen.

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