Experten-Analyse

Rot-grüne Halbzeit in Wien: “Die Liebe ist erkaltet”

Österreich
10.04.2013 11:42
Seit rund zweieinhalb Jahren ist in Wien eine rot-grüne Stadtregierung im Amt. Nachdem die SPÖ bei der Wahl im Herbst 2010 die absolute Mehrheit verloren hatte, musste sie einen Koalitionspartner suchen, den sie schließlich in den Grünen fand. Beobachter zogen anlässlich der Halbzeit eine gemischte Bilanz: "Es ist weder das Chaos ausgebrochen noch die Glückseligkeit", analysierte etwa Politikberater Thomas Hofer am Mittwoch. Jedenfalls sei nun "die Liebe bis zu einem gewissen Grad erkaltet". Für Meinungsforscher Peter Hajek ist es "eine bis dato sicher umstrittene und viel diskutierte Regierung".

Dabei erinnerte Hajek an jene Ideen und Vorschläge der Grünen, die in der Vergangenheit für viel Gesprächsstoff sorgten - von der Schaffung eines Fahrradbeauftragten bis hin zur Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung. "Es ist spannend, wie die Grünen eigentlich die Themenlandschaft bestimmen", verwies Hajek etwa auf das aktuell viel besprochene Thema Wohnen, bei dem Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou die Debatte losgetreten hatte. Überhaupt habe die Ökopartei der Stadtregierung seiner Meinung nach bisher den Stempel aufgedrückt.

Im Laufe der Zeit hätten sich zwischen Rot und Grün aber auch Konfliktlinien aufgetan, merkte Hofer an - wobei er ebenfalls das Thema Wohnen als Beispiel heranzog. Auf Vassilakous Vorschlag einer Mietzinsobergrenze hätte das Umfeld des SPÖ-Wohnbaustadtrats Michael Ludwig "relativ pikiert" reagiert: "Da hat man schon gesehen, was passiert, wenn ein Koalitionspartner, in diesem Fall die Grünen, über den eigentlich vereinbarten Themenbereich hinausgrast." Auch in Sachen Parkpickerlausweitung habe man gesehen, dass mehr als ein Blatt Papier zwischen die Koalitionspartner passe.

"Das ist jetzt eine Zweckbeziehung"
Für Hofer ist zur Halbzeit klar: "Die Liebe ist bis zu einem gewissen Grad erkaltet. Das ist jetzt eine Zweckbeziehung." Auch Bürgermeister Michael Häupl gestand unlängst, dass der "Honeymoon" vorbei sei. Darunter leide laut Hofer aber auch der "gemeinsame Verkauf" von Projekten, wie etwa unlängst bei der Wiener Volksbefragung zu sehen gewesen sei, deren Ergebnisse Häupl und Vassilakou bei getrennten Presseterminen präsentierten.

Apropos Volksbefragung: Für Hajek war das Plebiszit ein Knieschuss, von der Fragestellung her sei dieses "aufgelegt" gewesen. Auch Hofer unterstrich: Man habe gemerkt, wie SPÖ und Grüne versucht hätten, ihre Kernthemen zu platzieren und sich dafür den Sanktus der Bevölkerung zu holen: die Sozialdemokraten in Sachen Privatisierungsschutz, die Grünen in Sachen Energieprojekte und Bürgerbeteiligung. Beide Fragen gingen mit einem für die Parteien positiven Votum aus. Wobei es hier durchaus einen Widerspruch gebe: Privatisierungsschutz auf der einen Seite, private Beteiligung auf der anderen Seite.

"Vassilakou ist sehr präsent, sie setzt viel um"
Einig sind sich die Experten, wer bisher von der Zusammenarbeit eher profitierte: die Grünen. Sie hätten ihre Regierungsfähigkeit unter Beweis gestellt, Vassilakou mache ihren Job als Stadträtin nicht so schlecht. "Sie ist sehr präsent, sie setzt viel um", lobte Hajek. Ein "kommunikatives Desaster" sei jedoch die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung gewesen, so Hofer.

Was die Zukunft anbelangt, so ist Hajek überzeugt: "Es ist eine stabile Regierung, die nicht den Anschein hat, dass sie es nicht durch die Legislaturperiode schafft." Wobei, je näher die nächste Wien-Wahl im Jahr 2015 rückt, umso härter könnte die Gangart werden: "Da muss es dann zu einer Zuspitzung kommen, auch auf Kosten des Koalitionspartners", so Hofer. Eine Zerfleischung werde es nicht geben, "aber sicherlich viel härtere Fronten". Auch die eine oder andere Zurückhaltung, die jetzt noch geübt werde, könnte dann aufgegeben werden.

Hajeks Hinweis an die SPÖ in Hinblick auf bevorstehende Wahlen: "Die Frage ist: Schafft es die Sozialdemokratie für Wien, eine Vision über die nächsten Jahre hinaus zu zeichnen und auch ganz bewusst neue, starke Akzente zu setzen?" Denn derzeit habe man eher das Gefühl, die SPÖ sehe sich als Verwalterin der Stadt. Große Würfe gebe es nicht - zumindest nicht in der politischen Debatte.

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