Bures plant Novelle

Radler-Boom: Bald Handyverbot und Fahrradstraßen?

Österreich
21.09.2012 08:18
SPÖ-Verkehrsministerin Doris Bures will mit einer Gesetzesreform dem Fahrrad-Boom in Österreich Rechnung tragen. Neben einem Handyverbot für Radler sollen durch Neuerungen in der Straßenverkehrsordnung Städte und Gemeinden nach eigenem Ermessen etwa Fahrradstraßen, die für Autos nur in Ausnahmefällen befahrbar sind, einrichten dürfen. Kurzum: Die Autofahrer werden einen weiteren Teil ihrer bisher fest im Gesetz verankerten Privilegien als stärkste Verkehrsteilnehmer abgeben.

Bures folgt laut eigenen Angaben den Ratschlägen eines Expertengremiums, konkret dem 2009 installierten Unterausschuss Radverkehr des Verkehrssicherheitsbeirates. Nach Gesprächen mit der ÖVP will die Ministerin mit der Novelle möglichst rasch in Begutachtung gehen, "damit die nächste Fahrrad-Saison bereits mehr Raum, mehr Sicherheit und klare Regeln bringt".

Abstimmung in der Infobox: Brauchen Radfahrer mehr Rechte im Straßenverkehr?

Bures will "ausreichend Raum und klare Regeln"
Laut einer Aussendung der Ministerin ist der Radverkehrsanteil in Österreich zwischen 2006 und 2011 um 40 Prozent gestiegen, Radler im Frühverkehr sind in heimischen Städten längst keine Seltenheit mehr. Die Ministerin ortet Bedarf für eine Novelle der StVO.

Bures: "Mir geht es um ein friedliches, gleichberechtigtes und rücksichtsvolles Miteinander im Straßenverkehr - und um die größtmögliche Sicherheit für alle Straßenverkehrsteilnehmer. Dafür brauchen wir ausreichend Raum und klare Regeln."

Handyverbot kommt, höhere Promillegrenze bleibt
Die Radfahrer sollen daher beim Handytelefonierverbot den Kfz-Lenkern gleichgestellt werden. Was die Promille-Grenze betrifft - die Radfahrer haben 0,8, die Autofahrer 0,5 -, plädierte die Mehrheit der Experten im Unterausschuss für eine Beibehaltung, da Alkoholisierung in Zusammenhang mit Fahrradunfällen keine statistische Relevanz hat. Bures erklärt sich dazu aber diskussionsbereit, ebenso bei der Strafe fürs Handyfonieren, die mit 50 Euro geplant ist.

Eine Absage erteilten die Experten den vor einigen Wochen artikulierten Vorschlag von Nummerntafeln für Radfahrer. Diese wären mit einem enormen bürokratischen Aufwand bei gleichzeitig geringem Nutzen verbunden, heißt es vonseiten des Ministeriums.

Gemeinden sollen Fahrradstraßen einrichten dürfen
Der Großteil der ansonsten von Bures vorgeschlagenen Änderungen betrifft die Verkehrsplanungsvorschriften. Künftig sollen Straßenerhalter - sprich Städte und Gemeinden - in der Straßenverkehrsordnung die Möglichkeit erhalten, in ihren Zuständigkeitsgebieten nach eigenem Ermessen Fahrradstraßen, Begegnungszonen oder Radwegausnahmen zu schaffen.

  • Fahrradstraßen sind Straßen oder auch nur Straßenabschnitte, die den Fußgängern und Radfahrern vorbehalten sind. Autos sind hier nur ausnahmsweise - etwa für Zu- und Abfahren erlaubt. Zudem dürfen Biker nebeneinanderfahren und es gilt das allgemeine Tempolimit von 30 km/h. Ob und wo solche Fahrradstraßen tatsächlich geschaffen werden, soll dann aber dem Straßenerhalter obliegen, der die örtlichen Gegebenheiten und Notwendigkeiten am besten kennt.
  • Auch Begegnungszonen sollen künftig möglich sein. Das sind Bereiche, die von Fahrzeugen und Fußgängern gleichberechtigt im Mischverkehr genutzt werden können. Vorrang haben grundsätzlich die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt dort 20 km/h.
  • Ausnahmen von der Radwegebenutzungspflicht sollen gesetzlich ermöglicht werden. Dort, wo es die Sicherheit erlaubt, sollen sich zum Beispiel schnelle Radfahrer in den Autoverkehr einreihen dürfen - auch wenn es daneben einen Radweg gibt. Das würde - so die Meinung der Experten - auch die oftmals bedrängte Situation am Radweg entschärfen.

Der VCÖ begrüßte am Freitag die Aussicht, dass bald Begegnungszonen und Fahrradstraßen eingeführt werden könnten. "In Österreich fahren rund 4,8 Millionen Menschen im Alltag mit dem Fahrrad, rund zwei Millionen davon häufig", heißt es. Statt dem Handyverbot beim Radfahren spricht sich der VCÖ aber für eine allgemeine Bewusstseinskampagne gegen Telefonieren am Steuer aus. Schon beim Auto funktioniert die Überwachung nämlich de facto nicht. "Im gesamten Jahr 2011 wurden nur 150.000 Autofahrer beim Telefonieren am Steuer erwischt, obwohl an einem einzigen Tag ein Vielfaches an Telefonaten beim Autolenken geführt wird."

Auch das Kuratorium für Verkehrssicherheit signalisierte Unterstützung für die Bures-Vorschläge. Zusätzlich zu diesem Paket fordert das KFV aber die Einführung der 0,5-Promille-Grenze für Radfahrer. "Ein Radfahrer ist mit Alkohol im Blut genauso reaktionsschwach, wie ein Autofahrer. Seit dem Jahr 2000 hat sich die Beteiligung alkoholisierter Radfahrer an Verkehrsunfällen um fast 100% erhöht", erklärte Kuratorium-Direktor Othmar Thann.

"Österreichs erste fahrradfreundliche Straße" in Wien
Hinter Bures' Initiative dürfte zu einem guten Teil die rot-grüne Wiener Stadtregierung stehen. Erst am Donnerstag hatte die grüne Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou "Österreichs erste fahrradfreundliche Straße" im Bezirk Ottakring eröffnet und dabei erklärt, eine echte Fahrradstraße wäre ihr lieber gewesen.

Auf der 2,5 Kilometer langen Strecke in der Hasnerstraße gilt jetzt Tempo 30, Radfahrer sind auf nahezu allen Querungen bevorrangt, abgesehen von Kreuzungen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Im Unterschied zu einer "echten" Fahrradstraße dürfen Autos aber weiterhin die Hasnerstraße befahren und genießen damit ebenfalls den Vorzug des Vorrangs. Weiterer Unterschied zur Fahrradstraße: Das Nebeneinanderfahren mit dem Drahtesel ist nicht erlaubt.

Erkennbar ist die fahrradfreundliche Straße in Wien anhand von Bodenmarkierungen. In regelmäßigen Abständen finden sich weiße Fahrrad-Symbole auf der gesamten Route. Zudem wurden an den Kreuzungen Verkehrsschilder mit einer Zusatztafel, die auf Radverkehr hinweisen, angebracht.

Fahrradstraßen holen Radler aus den Autoverkehrsadern
Eine Ausdehnung der bikerfreundlichen Strecken in Wien ist schon jetzt geplant: "Ideal wäre ein Netz von mindestens einer fahrradfreundlichen Straße pro Bezirk. Dann würden 80 bis 90 Prozent der Radfahrer diese Strecken nutzen", meinte die Verkehrsstadträtin. Das gesamte Wiener Verkehrsnetz könnte folglich vom Radverkehr "ein Stück weit entflochten" werden.

Das "Fahrrad-Paket" begrüßte Vassilakou am Freitag: "Fahrradstraßen, Begegnungszonen und eine Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht dort, wo es Sinn macht, sind richtige und überfällige Maßnahmen", so die Verkehrsstadträtin. "Handytelefonieren während des Radfahrens ist hochgefährlich, genauso wie beim Autofahren. Es ist gut, wenn es jetzt Klarheit gibt. Und: Genau wie die Verkehrsministerin halte ich nichts von Nummertafeln für Radfahrer."

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