Nach Ministerrat

Pressefoyer: Faymann wird “situationselastisch”

Österreich
18.02.2014 15:30
Dienstagvormittag, Pflichttermin für Innenpolitikreporter: Die Regierungsriege trifft sich zum Ministerrat, danach stellt die Presse Fragen. Bis vor Kurzem hatten Kanzler und Vize dieses Ritual absolviert, im neuen Jahr wurde dann das umstrittene Rotationsprinzip eingeführt, wonach jede Woche ein anderes Minister-Duo vor die Journalisten tritt. Diesmal waren das Verteidigungsminister Gerald Klug und Außenminister Sebastian Kurz. Und Kanzler Werner Faymann? Der werde seinen Gang vor die Presse "situationselastisch" gestalten, erklärte Klug - und erntete ratlose bis belustigte Reaktionen.

Man solle der neuen Form der Presseauftritte nach dem Ministerrat "eine Chance geben", appellierte Faymanns SPÖ-Parteifreund Klug an die Journalisten. Viele konnten sich angesichts der Wortkreation allerdings ein Schmunzeln nicht verkneifen. Auch auf Twitter ließ die Häme nicht lange auf sich warten.

Der "situationselastische" Zugang biete Fachministern die Möglichkeit, eine breite Öffentlichkeit über ihre Tätigkeiten und Aufgaben zu informieren, sagte Klug. In den Tagen und Wochen davor waren Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger teils heftig gerügt worden, weil sie sich etwa zum Thema Hypo-Abwicklung tagelang nicht zu Wort gemeldet hatten.

Mitterlehner mit neuem Pressefoyer-Vorschlag
Die bei den Medien so ungeliebten Fachminister-Duos könnten freilich schon bald wieder der Vergangenheit angehören. Die neueste Idee aus der Regierungsriege: Kanzler und Vizekanzler machen den Medienauftritt künftig wieder jede Woche gemeinsam, zusätzlich holen sie sich einen Fachminister an die Seite, schlug Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner vor. Dessen Parteichef Spindelegger war diese Woche übrigens nicht beim Ministerrat anwesend. Er wurde von Kurz entschuldigt, weil er beim Rat der EU-Finanzminister im Brüssel weilt. Kommende Woche werde Spindelegger aber "selbstverständlich wieder da sein".

Am Nachmittag meldete sich der ÖVP-Chef dann doch noch zu Wort: Er verstehe die Aufregung um das Prozedere beim Pressefoyer zwar nicht, könne sich aber eine Änderung vorstellen, teilte er per Aussendung mit. Dem Thema Hypo habe er sich keinesfalls verweigert, so Spindelegger: "Ich habe mich vergangenen Montag mit den Bankenvertretern getroffen, beim Rein- und Rausgehen habe ich Stellung genommen. Auch beim Ministerrat am Dienstag. Am Mittwoch habe ich im Ausschuss des Parlaments ausführlich Stellung bezogen. Wenn Sie mir sagen, bei der Hypo versteckt zu sein, verstehe ich es ehrlich gesagt nicht. Ich habe überhaupt keine Scheu, vor die Medien zu treten. Ich gehe nie durch die Hintertür, sie können mich immer fragen."

Sieben Pilz-Fragen an "situationselastischen Bundeskanzler"
Der "situationselastische Bundeskanzler", wie ihn Klug am Vormittag präsentierte, bewog den grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz prompt zu einer Anfrage an den Verteidigungsminister. Seine Fragen: "Was ist 'situationselastisch'? Welche Mitglieder der Bundesregierung sind situationselastisch? Sind ausschließlich die Mitglieder der Situationselastischen Partei Österreichs (SPÖ) mit dieser Gabe gesegnet? Wie hoch auf der Klug-Skala rangiert die Situationselastizität des Bundeskanzlers? Stellt derzeit die Hypo Alpe Adria die vorherrschende Situation des Bundeskanzlers dar? Bedeutet Elastizität in diesem Zusammenhang Abtauchen? Durch welche Situation kann ein elastisches Wiederauftauchen des Kanzlers bewerkstelligt werden?"

Scharfe Kritik kam auch von der Journalistengewerkschaft. Präsident Franz C. Bauer wirft Faymann und Spindelegger "schlicht und einfach Informationsverweigerung" vor. "Es ist ein Affront nicht so sehr gegenüber den Medien, sondern gegenüber den Bürgern dieses Landes, die ein Recht darauf haben, die volle Wahrheit über das Desaster der Hypo Alpe Adria zu erfahren", meinte Bauer in einer Aussendung.

Schon 2011 Kandidat für Wort des Jahres
Ganz so neu - wie am Dienstag viele Beobachter auf den ersten Blick vermuteten - ist die Verwendung von "situationselastisch" im österreichischen Wortschatz übrigens nicht: Bereits 2011 war es für das Wort des Jahres nominiert worden. Damals entschied sich die Jury allerdings für den "Euro-Rettungsschirm" als Sieger. Womöglich bekommt "situationselastisch" am Ende dieses Jahres eine zweite Chance. Dann könnte es vielleicht auch in den Duden aufgenommen werden, was bis dato nicht der Fall ist.

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