Naserbajew in Wien

Österreichs größter Öllieferant lobt sein “freies” Kasachstan

Österreich
22.10.2012 16:23
Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew hat am Montag bei einem Besuch in Wien die wirtschaftliche Stärke seines Landes betont und sich zur Zusammenarbeit mit der EU bekannt. Kasachische Oppositionelle forderten indes Österreichs Politiker auf, beim Besuch des wichtigsten Öllieferanten der Alpenrepublik auch die Menschenrechtslage in dem zentralasiatischen Land zur Sprache zu bringen. Bei Bundespräsident Heinz Fischer durfte das Staatsoberhaupt zunächst berichten, wie "frei" und "gleich" die Bürger in seinem Land seien.

Beim Pressetermin mit Fischer in der Wiener Hofburg erklärte Naserbajew, sein Land habe die internationale Finanzkrise nach 2008 zwar gespürt, aufgrund seiner wirtschaftlichen Stärke jedoch mit einem Wachstum von 2,5 Prozent gemeistert. Er verwies darauf, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der EU und den EU-Staaten ein jährliches Volumen von 50 Milliarden Euro habe. Die Zusammenarbeit umfasse ein breites Spektrum von Energielieferungen bis zu Infrastruktur- und Bauprojekten.

"Alle Bürger sind in Kasachstan gleich"
Sein Land bekenne sich aber auch zu den demokratiepolitischen Werten der Union, sagte Nasarbajew. In Kasachstan lebten die Religionen und Ethnien friedlich zusammen. Es gebe Religionsfreiheit, katholische Kirchen, jüdische Synagogen und buddhistische Tempel. "Alle Bürger sind in Kasachstan gleich."

Kasachstan sei eine Demokratie mit freien Wahlen, es gebe für die Medien keine Zensur, sagte Nasarbajew. Sein Land habe mit dem Aufbau der Demokratie erst nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 begonnen und sei daher "noch keine modellhafte Demokratie wie europäische Staaten", die allerdings Jahrhunderte für diese Entwicklung gebraucht hätten. "Der Weg in die Demokratie beginnt jetzt erst. Wir lernen gerne noch mehr und nehmen Ratschläge unserer europäischen Freunde an."

Präsidenten-Duo lobt wirtschaftliche Zusammenarbeit
Fischer und Nasarbajew lobten die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Österreich und Kasachstan, die sich seit der Unabhängigkeit des zentralasiatischen Staates 1991 entwickelt habe. Das Gewicht der Zusammenarbeit liege derzeit im Energiebereich, die Kooperationen umfassten aber auch den Anlagenbau und den Tourismus.

Der Luftverkehr soll erweitert und die Zahl der Flüge zwischen Wien und Kasachstan ausgebaut werden. Fischer begrüßte die Kandidatur Kasachstans für die Expo 2017, die im Zeichen der erneuerbaren Energie stehen soll. Zwischen beiden Ländern existiert ein Investitionsschutzabkommen, mit dem Investitionen österreichischer Unternehmen in Kasachstan erleichtert werden.

Oppositionelle klagen Massaker an Ölarbeitern an
Kasachische Oppositionelle haben am Montag in einem offenen Brief an die österreichischen Abgeordneten gefordert, Österreich dürfe "nicht die Augen gegenüber den Menschenrechtsverstößen in Kasachstan verschließen". Auch forderten die Aktivisten – unter ihnen der Regisseur Bolat Atabajew und eine Reihe von kasachischen Journalisten - eine internationale Untersuchung des Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen streikende Ölarbeiter in der westkasachischen Stadt Schanaosen, bei der am 16. Dezember 2011 mindestens 16 Menschen getötet wurden. Die Opposition spricht von einem Massaker mit 70 Toten und mehr als 800 Verletzten.

Der kasachische Präsident nahm auf die Frage einer Kasachstan-Aktivistin zu den Vorwürfen beim Hofburg-Termin nur indirekt Stellung. Er widersprach ihr, wonach es im Zusammenhang mit den Unruhen der Erdölarbeiter in Schanaosen politische Gerichtsurteile gegeben habe. Im Rahmen von Protesten unzufriedener Ölarbeiter sei es zu Krawallen gekommen, bei denen Banken angezündet, Geschäfte geplündert und eine Polizeistation gestürmt worden seien, betonte der Staatschef. Die Täter seien in offenen Gerichtsverfahren, bei denen die Presse zugelassen war, wegen konkreter Straftaten verurteilt worden.

"Das können Sie alles nachlesen, es gab keine politischen Urteile", betonte Nasarbajew. Aufseiten der Polizei sei es zu Kompetenzüberschreitungen gekommen und scharfe Schüsse abgegeben worden. Es habe 14 Tote gegeben. "Das ist sehr traurig. Die verantwortlichen Polizisten wurden bestraft. Und die entlassenen 2.000 Ölarbeiter sind alle wieder eingestellt", so der Staatschef.

Staatsbesuch: Viele Audienzen, viele Abkommen
Nasarbajew stattet Österreich am Montag und Dienstag einen offiziellen Arbeitsbesuch ab. Vorgesehen sind Gespräche mit Bundeskanzler Werner Faymann sowie Parlamentspräsidentin Barbara Prammer. Höhepunkt ist ein Wirtschaftsforum mit WKO-Präsident Christoph Leitl, an dem neben den beiden Präsidenten rund 250 Firmenvertreter teilnehmen. Im Rahmen des Besuches sollen 19 Abkommen und Memoranden unterzeichnet werden, die von der Produktion von Motoren und Antriebstechnik bis zur Realisierung von Investitionsprojekten im Tourismus reichen.

Kasachstan ist Österreichs wichtigster Erdöllieferant. Zu den wichtigsten Importgütern aus Österreich zählen Arzneimittel, Nahrungsmittel, Alkohol, Tabak, Maschinen, technische Anlagen und Elektronik. Zahlreiche österreichische Unternehmen wie OMV, Frequentis, AVL List, MuT oder Hertz engagieren sich in der zentralasiatischen Republik. Der Handelsumsatz zwischen Kasachstan und Österreich betrug im Jahr 2011 gesamt 1,6 Milliarden Euro, wobei der Import den Gegenwert von 1,4 Milliarden Euro erreichte und der Export mit 195,6 Millionen Euro zu Buche schlug. Gegenüber 2010 bedeuten diese Zahlen eine Steigerung von 46 Prozent.

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