Geldkuvert-Vorwurf

Niessl: “Ich habe sicher keine Leichen im Keller”

Österreich
22.02.2014 14:47
Es waren die schwierigsten zwei Wochen in seiner langen politischen Karriere: "10.000 Euro bar an Landeshauptmann Niessl?", fragte das Nachrichtenmagazin "profil" unter Berufung auf einen Zeugen, der das notfalls auch vor Gericht aussagen will. Im "Krone"-Interview mit Conny Bischofberger wehrt sich Hans Niessl gegen die Vorwürfe.

In der Storchenstadt Rust machen Schilder die Autofahrer aufmerksam, dass hier Ziesel die Straße überqueren. Sas Schilf des Neusiedler Sees wiegt sich sanft im Wind. "Das ist für mich Heimat", sagt Hans Niessl, als "Krone"-Fotograf Gerhard Bartel ihn am Ufer fotografiert. Wenn er die Anschuldigungen, er hätte vom Tiroler industriellen Manfred Swarovski Geld genommen, als "Anschlag auf den Wirtschaftsstandardort Burgenland" bezeichnet, wirkt er fast rührend.

Beim Interview im Seehotel - der burgenländische Landeschef trägt wie immer dunklen Anzug, rote Krawatte, das rot-goldene Landessabzeichen am Revers und am Handgelenk eine rot-goldene Billiguhr, die die falsche Zeit anzeigt - ist er bemüht, über Fakten statt Emotionen zu sprechen. Doch dass ihm die Geschichte nahe geht, zeigt sich an den vielen Fragen, die er immer wieder in den Raum stellt. Antworten darauf kann nur ein Gerichtsverfahren geben.

"Krone": Herr Landeshauptmann, welcher Gedanke ist seit der Veröffentlichung dieser schweren Anschuldigungen am häufigsten durch Ihren Kopf gegangen?
Hans Niessl: Ich frage mich die ganze Zeit: Was steckt dahinter? Wer konstruiert derartige Geschichten? Und vor allem: Warum? Denn diese Vorwürfe sind vollkommen aus der Luft gegriffen. Sowohl das Fahrtenbuch meines Dienstautos als auch der elektronische Terminkalender meines Büros beweisen, was ich gleich wusste: Ich bin zu der behaupteten Zeit 2009/2010 sicher nicht in Tirol gewesen.

"Krone": Der Zeuge bleibt aber dabei, dass er Sie gesehen hat...
Niessl: Das ist mir vollkommen unerklärlich, weil seiner Aussage mittlerweile drei eidesstattliche Erklärungen gegenüberstehen. Und soweit mir bekannt ist, habe ich auch keinen Doppelgänger (ringt sich ein Lachen ab).

"Krone": Waren Sie im ersten Moment nicht trotzdem nervös?
Niessl: Ich war schockiert. Diese "profil"-Geschichte hat mich ja am Beginn der Energiewoche, wo alle meine Mitarbeiter mit ihren Familien auf Urlaub fahren wollten, wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen. Ich bin meinem Team so dankbar, dass es für alle selbstverständlich war, in dieser Situation da zu sein. Wir haben sofort alles durchforstet und konnten innerhalb kürzester Zeit beweisen, dass das alles eine Lügengeschichte sein muss. Dafür ist der eine oder andere Urlaub ins Wasser gefallen, was mir vor allem für die betroffenen Kinder Leid tut.

"Krone": Wie reimen Sie sich die Geschichte zusammen?
Niessl: Ich halte mich ausschließlich an Fakten. Fakt ist, dass der Zeuge, Andreas Wecht, FPÖ-Mitglied ist. Deshalb glaube ich, dass es hier auch einen politischen Hintergrund geben kann. Vielleicht benützt man jemanden, konstruiert etwas, um mir und dem Land - ca. 15 Monate vor den burgenländischen Wahlen - politisch zu schaden.

"Krone": Sie glauben, der Zeuge ist selbst ein Opfer?
Niessl: Das schließe ich nicht aus... Wir haben da verschiedene Informationen, die darauf hindeuten, dass auch persönliche Motive eine Rolle spielen. Aber jetzt müssen erst einmal die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgewartet werden. Ich verlange jedenfalls restlose Aufklärung.

"Krone": Haben Sie nicht große Lust verspürt, so wie der zurückgetretene Bundespräsident Christian Wulff es mit dem "Bild"- Chefredakteur gemacht hat, den "profil"-Herausgeber anzurufen und auf seine Mailbox zu schimpfen?
Niessl: (Hält inne und scheint zu überlegen) Zu Herrn Rainer möchte ich nur eins sagen: er hat vor laufender Kamera, nur weil ich nicht beim Jägerball war, wörtlich gesagt: "Der feigste Hund ist der burgenländische Landeshauptmann." Und das Fernsehen hat das auch noch gesendet. Nein, ich habe diesen Herrn nicht angerufen. Mit einem, der sich so artikuliert, will ich nicht kommunizieren. Aber wir haben ein Schreiben an den Presserat gerichtet. Hier wurden Grundregeln der Recherche missachtet. Und natürlich habe ich Klage eingebracht.

"Krone": Kann da noch etwas kommen? Haben Sie vielleicht eine Leiche im Keller?
Niessl: Nein, ich habe mit Sicherheit keine Leiche im Keller. Ich schließe aber in dieser Causa nicht aus, dass noch mehr Vorwürfe kommen, die nicht stimmen. Die Bank hat ja mittlerweile eidesstattlich erklärt, dass keine solche Summe abgehoben wurde. Der Zeuge hat ja auch schon dreimal seine Meinung geändert. Erst hat er das Kuvert mir überreicht, dann wusste er es plötzlich nicht mehr so genau. Am Schluss behauptet er vielleicht noch, dass er das Geld selber genommen hat...

"Krone": Hat sich das "profil" bei Ihnen entschuldigt?
Niessl: Nein.

"Krone": Was würden Sie dem Zeugen gern sagen?
Niessl: Dass er mir in die Augen schauen und die Wahrheit sagen soll. Dass er jeden Tag etwas anderes behauptet und zuletzt sogar eine Ehrenerklärung für mich abgegeben hat, ist Rufmord auf Raten. Und Rufmord, das gebe ich offen zu, tut auch weh.

"Krone": Was hätten Sie denn gemacht, wenn man Ihnen tatsächlich ein Kuvert mit Geld angeboten hätte?
Niessl: Dieses Szenario ist für mich vollkommen ausgeschlossen. Das ist mein oberstes Prinzip: Ich nehme keine Spenden oder was auch immer entgegen, dafür gibt es den Sozialfonds und diverse Konten, aber da bin ich nicht einmal zeichnungsberechtigt. Ich bin ein gläserner Politiker. Es gibt nichts, was ich zu verbergen habe.

"Krone": Sind 10.000 Euro in ihren Augen eine hohe Summe?
Niessl: Gemessen an meinem Verdienst ist es vielleicht keine so hohe Summe (er tappt jetzt nicht in die Eugen-Freund-Falle) - aber gemessen am Durchschnittseinkommen bzw. dem Einkommen von Pensionisten oder Alleinerziehern ist es natürlich sehr viel Geld.

"Krone": Würden Sie sagen, dass Ihre Reputation beschädigt ist?
Niessl: Es ist eine unangenehme Geschichte. Ich möchte schließlich an meinen Leistungen gemessen werden, nicht an einem ominösen Kuvert mit 10.000 Euro. Auf der anderen Seite ist die Solidarität groß. Auch von Menschen, die nicht Mitglied meiner Partei sind. Viele empfinden es als Beleidigung des Burgenlandes, als Diskreditierung des Wirtschaftsstandortes...

"Krone": Übertreiben Sie jetzt nicht ein bisschen?
Niessl: Nein, weil wir – und da meine ich erfolgreiche Unternehmer und fleißige und hart arbeitende Arbeitnehmer – haben den Wirtschaftsstandort Burgenland in den vergangen Jahren modernisiert und auch international bekannt gemacht. Unsere Wirtschafts- und Arbeitsmarktdaten waren in den vergangenen Jahren die besten in Österreich, und viele sehen diese aus der Luft gegriffenen Anschuldigungen als Anschlag auf ihr Heimatland. Ich lasse mir das Vertrauen der Burgenländer nicht durch Unwahrheiten und Schmutzkübelkampagnen zerstören.

"Krone": Herr Landeshauptmann, können Sie eigentlich über Burgenländerwitze lachen?
Niessl: Nein, und zwar aus folgendem Grund: Ich habe schon seit zehn Jahren keinen mehr gehört. Wir sind nicht mehr das belächelte Land der 70er Jahre, sondern erfolgreich und exportorientiert, in jeder Hinsicht auf der Überholspur. Die Menschen sind stolz auf dieses Land, deshalb verstehen sie auch in dieser meiner Geschichte absolut keinen Spaß...

Seine Karriere
Geboren am 12. Juni 1951 als Einzelkind in Zurndorf, Burgenland. Hans Niessl erlernt den Beruf des Lehrers. Ab 1987 ist er Bürgermeister von Frauenkirchen, ab 1996 Abgeordneter, von 1999 bis 2000 auch Klubobmann der SPÖ Burgenland. Landeshauptmann seit 2000. Niessl ist auch Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz und stellvertretender Bundesparteiobmann der SPÖ. Privat ist er seit 39 Jahren mit Christine verheiratet und hat einen Sohn (Peter ist 36).

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