"Weg frei"

Moser gibt Vorsitz ab, um Ausschuss zu retten

Österreich
18.09.2012 12:12
Die Grünen-Nationalratsabgeordnete Gabriela Moser hat am Dienstag überraschend den Vorsitz im Korruptions-U-Ausschuss abgegeben. Sie will damit den Weg frei machen, um die "letzten Scheinargumente" der Regierungsparteien für ein "Abdrehen" des Ausschusses aus dem Weg zu räumen. "Irgendjemand" müsse ja staatsmännische Haltung beweisen - "auch wenn es eine Frau ist", erklärte Moser. Mitglied des Ausschusses bleibt sie aber weiterhin. Die Regierungsparteien übten sich vorerst in Zurückhaltung.

Bereits Dienstagvormittag waren Gerüchte über den bevorstehenden Rücktritt Mosers laut geworden. In einer Pressekonferenz am Rande der Grünen-Klubklausur im Wienerwald bestätigte Moser dann offiziell, dass sie den Vorsitz abgeben werde. Ihren Rückzug habe sie Nationalratspräsidentin Barbara Prammer bereits schriftlich mitgeteilt.

"Ich mache den Weg frei"
"Ich räume meinen Vorsitzsessel, weil ich klebe nicht - damit habe ich eine neue Politkultur in Österreich etabliert", sagte Moser. "Alle wissen derzeit, es geht nicht mehr und es geht nichts mehr - aber eines geht: Ich bewege mich", sagte die Abgeordnete zu ihrem Schritt. Moser betonte, sie trete nicht zurück, "ich mache den Weg frei". Es galt, die "Blockadepolitik der beiden Regierungsparteien und der beiden anderen Parteien" (FPÖ und BZÖ, Anm.) aufzulösen. "Der Strohhalm der Regierungsparteien war ja immer, dass ich nicht zurücktrete. Der fließt nun den Bach hinunter", so Moser.

Sie habe noch am Montagabend mit Parteichefin Eva Glawischnig, ihren Klubkollegen sowie Verfahrensanwalt Klaus Hoffmann gesprochen, danach sei die Entscheidung festgestanden. Sie habe sich jetzt bewegt, nun liege es an den anderen Parteien, sich ebenfalls zu bewegen. "Irgendjemand" müsse ja staatsmännische Haltung beweisen - "auch wenn es eine Frau ist", erklärte Moser.

Der Rückzug sei ihre "tiefste persönliche Entscheidung" gewesen, betonte Moser. Sie wolle damit ein "Zeichen für politische Kultur" setzen: "Ich will haben, dass weitergearbeitet wird."

U-Ausschuss soll nun endlich Ladungslisten beschließen
Zu ihren Erwartungen sagte Moser, es gehe ihr darum, dass nun am Mittwoch nach der Plenarsitzung im Ausschuss weitergearbeitet werde. Es sollten sofort Ladungslisten und Termine festgelegt werden, damit "wir endlich die Causa Faymann zumindest auf Aktenbasis abhandeln". Erneut sprach sie eine Einladung an Bundeskanzler Werner Faymann aus, in den U-Ausschuss zu kommen. "Ich kann ihm auch noch gerne einen Brief schreiben", sagte sie mit Blick auf ein von der FPÖ verfasstes Einladungsschreiben.

Gefragt, ob sie sich auch vorstellen könnte, dass die Regierungsfraktionen den Ausschuss trotz ihres Rückzugs "abdrehen", sagte Moser: "Kann sein. Sie sollen entscheiden, so wie sie es verantworten." Dem Ausschuss bleibt Moser als Mitglied erhalten. Wer ihr als Vorsitzende nachfolgen soll, sei aber nun Sache der Mehrheit. Sie werde jedenfalls keinen Vorschlag machen. "Jetzt sind die anderen Parteien am Zug. Die haben nun freie Hand."

Faymann zurückhaltend, Spindelegger sieht "neue Situation"
Die Regierung wirkte am Dienstag zunächst etwas baff. Bundeskanzler Werner Faymann ließ sich nach dem Ministerrat nicht darauf festnageln, ob der U-Ausschuss seine Arbeit fortsetzen soll. Dies sei "ausschließlich Sache des Parlaments und der Abgeordneten, die haben ihn eingesetzt, die haben die Themen festgesetzt, die haben Zeugenlisten durchgesetzt". Dass er sich da nicht einmische, sei "eine Frage des gegenseitigen Respekts", behauptete der Bundeskanzler. Und: "Die Regierung kann den U-Ausschuss weder einsetzen noch absetzen."

ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger sieht durch den Rücktritt der Ausschussvorsitzenden eine "neue Situation" gegeben. "Ich stehe nach wie vor für die Aufklärung aller Fragen", ließ Spindelegger seine Präferenz für die Fortsetzung des Ausschusses durchblicken. Weitere inhaltliche Fragen, wie etwa eine mögliche Ladung Faymanns in den U-Ausschuss im Zusammenhang mit der Inseratenaffäre, wollte Spindelegger jedoch nicht beantworten: "Das ist und bleibt eine Angelegenheit des Parlaments."

Amon für sofortige Gespräche
ÖVP-Fraktionsführer Werner Amon plädierte nach Mosers Rückzug noch am Dienstag für Gespräche der Fraktionsführer über eine neue Vorsitzführung, einen Zeitplan, Ladungen sowie einen Aktenlieferungsplan. Man sei "ab sofort zu Verhandlungen über die Weiterführung des Untersuchungsausschusses bereit", meinte Amon. Der U-Ausschuss müsse nun "schnell die Arbeiten wieder aufnehmen", die Behandlung aller offenen Themen sei entscheidend.

Amon sprach von einem "taktischen Rückzug" Mosers, der absehbar gewesen sei, aber seitens der ÖVP erst für Mittwoch erwartet worden sei, "damit die Grünen den medialen Paukenschlag noch effektiver vollführen können". Das "Misstrauen in die Vorsitzführung" sei durch Mosers Rücktritt nun "abgebaut" worden, meinte Amon. Jetzt müssten die inhaltlichen Differenzen durch eine schnelle Aufnahme von Verhandlungen ausgeräumt werden. Wer Moser seiner Meinung nach nachfolgen soll, ließ Amon nicht wissen.

FPÖ und BZÖ wollen weitermachen
BZÖ und FPÖ bekundeten schon vor der Pressekonferenz ihre Zufriedenheit über den Rücktritt Mosers. Man zolle Moser Respekt, dass sie mit ihrem Rücktritt die Blockade im Ausschuss löse, ließ FPÖ-Fraktionsführer Walter Rosenkranz ausrichten.

BZÖ-Mandatar Stefan Petzner sprach von einem "klugen Schritt im Sinne des Ausschusses" - jetzt hätten die Regierungsparteien "keine Ausrede mehr". Bezüglich Mosers Nachfolge zeigte sich die FPÖ offen, Petzner brachte die ÖVPlerin Gabriele Tamandl ins Spiel.

SPÖ-Fraktionsführer Otto Pendl reagierte am Dienstagvormittag auf den zu diesem Zeitpunkt noch angekündigten Rücktritt Mosers eher zurückhaltend. Man müsse am Mittwoch (im Parlament) schauen, wie man weiterkomme. Die "Chance" weiterzuarbeiten, sei da. Bezüglich Mosers Nachfolge wollte sich Pendl noch nicht festlegen. Da er von Mosers Rückzug "aus heiterem Himmel" erfahren habe, fand es Pendl noch zu früh, sich auf eine Nachfolge festzulegen.

Rückzug noch am Montag ausgeschlossen
Zuletzt hatten sich die Grünen noch demonstrativ hinter Moser gestellt. Parteichefin Eva Glawischnig hatte am Montag beim Auftakt der Grünen-Klubklausur im Hotel "Tulbingerkogel" im Wienerwald erklärt, man werde den Forderungen von SPÖ und ÖVP nach einem Rückzug Mosers nicht stattgeben. Den Regierungsparteien gehe es überhaupt nicht um die Vorsitzführung, sondern lediglich darum, die Ladung von Bundeskanzler Faymann zu verhindern.

"Das, was hier passiert, ist ein Sittenbild der Republik", verurteilte Glawischnig die Angriffe auf Moser einmal mehr: Die Grünen würden sich "sicher nicht an einer Reise zurück ins Mittelalter" beteiligen, wo die Hexen "gefoltert und verbrannt" wurden, zog sie recht drastische Vergleiche. Die Vorsitzführung Mosers sei "untadelig". Moser selbst wollte am Montag kein Statement zur aktuellen Lage abgeben. Es sei bereits alles gesagt worden, meinte sie - und verwies auf die Aussagen ihrer Parteichefin Glawischnig.

Moser: Von Buwog bis Skylink
Moser gilt als strebsame und hartnäckige Arbeiterin, die einen großen Anteil vor allem an der Aufklärung dubioser Geldflüsse im Umfeld der Buwog hat. So war es sie, die die fast schon legendäre Telefon-Protokolle zwischen Karl-Heinz Grasser, Walter Meischberger ("Was war mei Leistung?") und Ernst Karl Plech über eine parlamentarische Anfrage an die Öffentlichkeit brachte.

Hartnäckig ist die 58-Jährige auch, was das Verteidigen ihres Mandats angeht. Die Oberösterreicherin sitzt seit 1994 mit nur zwei Jahren Unterbrechung im Nationalrat. Ihre Lieblingsthemen sind vor allem Verkehr, Telekommunikation und Bautenwesen. Moser war u.a. an der Aufarbeitung des Skylink-Skandals und mehrerer Ungereimheiten bei den ÖBB beteiligt, etwa den riskanten Spekulationsgeschäften der Staatsbahn. Ihre politische Karriere hatte die AHS-Lehrerin für Deutsch und Geschichte in den 80er-Jahren gestartet, als sie in den Linzer Gemeinderat einzog.

Seit August herrscht Stillstand im U-Ausschuss
Der U-Ausschuss steht seit Ende August still, offiziell wegen eines Streits rund um einen Antrag von SPÖ, ÖVP, FPÖ und BZÖ auf eingeschränkte Aktenlieferung. Moser sah sich schließlich mit Rücktrittsaufforderungen der anderen vier Fraktionen konfrontiert.

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