Klug übers Putzen

“Minister Zackig” im Interview: “Ich bin ein moderner Mann”

Österreich
15.06.2013 14:48
Der blitzartige, international aber umstrittene Abzug unserer Blauhelme vom Golan hat "Minister Zackig" viel Applaus beschert. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht Gerald Klug (44) über eine hohe Karriereleiter, das einschneidende Datum 11. März 2013 und sein Leben im Hotel.

Sein lichtdurchflutetes Büro im Dachgeschoß der Wiener Rossauer Kaserne ist mehr als 100 Quadratmeter groß, und doch füllt Gerald Klug (1,73 Meter) es ganz aus. Drahtig, zackig, schnell entschlossen: Mit diesen Eigenschaften hat der neue Verteidigungsminister seit seinem Amtsantritt vor knapp 100 Tagen bei Soldaten und Bevölkerung gepunktet. Auch unser Interviewtermin muss zackig ablaufen. Klug hat - zwischen einem Hearing im Ministerium und einem Wahlkampftermin in der Steiermark - genau 40 Minuten Zeit.

Hier gibt es Audio-Ausschnitte vom Interview mit Gerald Klug: Clip 1, Clip 2, Clip 3.

Auf der schwarzen Ledercouch sitzt ein Mann, der großen Wert auf sein Äußeres legt. Hemd, Hose, Sakko - alles sitzt aber sowas von perfekt, nicht einmal ein klitzekleines Fusselchen entdeckt man am Revers. Am Handgelenk blitzt eine Jaeger-LeCoultre, die er zum 30. Geburtstag bekommen hat. Das Beige der Seidensocken harmoniert mit dem Muster seines Sakkos. Die cognacfarbenen Lederschuhe sind blitzblank poliert.

Er trinkt Ristretto aus dem Glas während unseres Gesprächs. Viele Sätze beginnt er mit einem Lächeln, das er langsam ernst werden lässt, und den Worten: "Ich sage in aller Offenheit" - um dann Dinge doch recht wortreich zu umschreiben.

Golan, Grundwehrdienst, Wahlkampf - arbeitet er alles zackig ab. Nur beim Thema Schuheputzen verliert er kurz das Soldatische. "Weil ich in Gedanken jetzt ganz bei der Hausarbeit war", lacht der Steirer (Single, kinderlos), der auch gerne bügelt und kocht.

"Krone": Herr Minister, das Parlament war sich am Mittwoch einig, und auch die Bevölkerung steht zu 60 Prozent auf Ihrer Seite. Warum wird man trotzdem den Eindruck nicht los, dass der Abzug unserer Blauhelme vom Golan eine Wahlkampf-Entscheidung war?
Gerald Klug: Es wird nur von wenigen Menschen mit dem Wahlkampf in Verbindung gebracht. Und ich weise ausdrücklich zurück, dass es so war. Hier standen militärische Überlegungen im Vordergrund. Konkret drei Fragen: Ist die Versorgung unserer Soldaten langfristig sichergestellt? Ist die Akzeptanz unserer Soldaten vor Ort von allen Beteiligten außer Streit gestellt? Und: Ist ihre Sicherheit noch gewährleistet? Nachdem wir in den Morgenstunden des 6. Juni eine neue militärische Qualität feststellen mussten, war hier die Reißleine zu ziehen.

"Krone": So schnell? Das erinnert an einen, der plötzlich bei seinem Chef kündigt und vorher nie gesagt hat, was nicht mehr passt.
Klug: Nein, denn wir haben die UNO viele Monate lang auf die geänderte Lageentwicklung aufmerksam gemacht.

"Krone": Wie?
Klug: Es hat in Wahrheit fast zwei Jahre lang schriftlichen Kontakt darüber gegeben. Es lagen konkrete Einschätzungen von uns auf dem Tisch, wie sich unsere auch mir wichtige Friedensmission am Golan vom ursprünglichen Mandat wegbewegt hat. Wir haben daher sehenden Auges unsere Verantwortung wahrgenommen - indem wir Schutzwesten und Material angeschafft haben, dafür gab es von der UNO nur eine eingeschränkte Unterstützung. Ich bin von der UNO enttäuscht.

"Krone": Ist das internationale Ansehen Österreichs beschädigt?
Klug: Ich glaube nicht.

"Krone": Sind Ihnen die Blauhelme nicht böse? Die verdienen dort sehr viel Geld und hätten das doch sicher lieber weitergemacht?
Klug: Bei unseren Soldaten und Soldatinnen (er gibt sich Mühe, Soldatinnen korrekt auszusprechen und sagt nicht mehr "Soldatna") ist es ganz klar: Sie wären selbstverständlich auch länger geblieben, so wie es - salopp formuliert - dem Holz entspricht, aus dem sie geschnitzt sind. Sie melden sich freiwillig in dem Wissen, dass so ein Auslandseinsatz gefährlich ist. Aber es kommt der Zeitpunkt, an dem man so eine Entscheidung politisch zu treffen hat, nämlich dann, wenn die Lage nicht mehr beherrschbar ist.

"Krone": Nach nur drei Monaten haben Sie es geschafft, vertrauenswürdigster Minister der SPÖ zu werden, im Polit-Barometer liegen Sie nur noch zwei Prozentpunkte hinter Werner Faymann zurück. Freut Sie das?
Klug: Ich bin mit überbordenden Ausdrucksweisen grundsätzlich zurückhaltend. Aber ein Politiker darf auch einmal sagen, dass ihm seine Aufgabe Spaß macht. Dass das auch positiv aufgenommen wird, freut mich natürlich. Ich sage aber im gleichen Atemzug, dass ich dieses Kompliment schon mehrfach an mein Team weitergegeben habe.

"Krone": Sie sind nach zwei Jahrzehnten Politik vom Bundesrat in die Regierung geholt worden. Warum hat das so lange gedauert bei Ihnen?
Klug: Das war eben mein Weg... Ich habe die Steiermark gerne im Bundesrat vertreten. Aber dass der 11. März 2013 ein einschneidendes Datum für mich war, steht außer Zweifel.

"Krone": Dieser Weg wirkte nach außen hin lange geplant. Korrekt?
Klug: In der Politik etwas zu planen, ist nach meinen Erfahrungen schwer, aber die Einladung von Bundeskanzler Faymann, in seinem Team mitzuarbeiten, habe ich natürlich gerne angenommen.

"Krone": Ohne Bedenkzeit?
Klug: Der Kanzler hat mir deutlich signalisiert, dass er felsenfest davon überzeugt ist, dass ich es mache.

"Krone": Und Sie?
Klug: Für mich war es klar, dass ich seine Einladung sehr gerne annehme.

"Krone": Wir wissen, dass Alfred Gusenbauer schon als Kind Kanzler werden wollte. Was hat denn Gerald Klug in der Sandkiste geträumt?
Klug: In der Sandkiste habe ich mich nicht sehr intensiv damit auseinandergesetzt, wohin mich meine beruflichen Wege einmal führen werden. Da war ich drauf konzentriert, dass mir niemand meinen Sandgugelhupf zerstört. (lacht)

"Krone": Der neue Verteidigungsminister klettert auf Panzer, stürzt sich aus 3.800 Metern Höhe aus einem Flugzeug und geht vor seinen Soldaten auf die Knie - ist das politischer Instinkt?
Klug: Nein. Für mich steht der direkte Kontakt mit meinen Soldatinnen und Soldaten ganz oben auf der Prioritätenliste. Ich wollte mir möglichst rasch einen Überblick verschaffen, was sich seit meiner Zeit als Grundwehrdiener verändert hat. Deshalb gehe ich offen auf sie zu, und so halte ich es auch mit der militärischen Führungsspitze.

"Krone": Ihrem Vorgänger hat man vorgeworfen, ein Phantomminister zu sein. Was sind Sie?
Klug: Ganz klar - ein Minister zum Angreifen.

"Krone": Werden Sie die Reform des Grundwehrdienstes vor den Wahlen noch schaffen?
Klug: Der professionelle Prozess läuft, Ende Juni werde ich das Gesamtpaket vorstellen. Ich freue mich, dass der Koalitionspartner mein Angebot, es gemeinsam vorzustellen, angenommen hat.

"Krone": Hannes Androsch hat seine Erinnerungen an das Bundesheer so zusammengefasst: "Alles grüßen, was sich bewegt, alles putzen, was sich nicht bewegt." Wird schon ein bisschen weniger gegrüßt und geputzt?
Klug: Der von mir sehr geschätzte Hannes Androsch ist ja bekannt für seine pointierten Formulierungen. Ich habe beim Grundwehrdienst ein sehr weites Spektrum im Auge, aber einzelne Elemente - zu denen auch Grüßen und Putzen zählen - werden wir doch beibehalten und trotzdem am Ende eine Win-Win-Situation erreichen. Nämlich einen attraktiveren Grundwehrdienst schaffen und so die besten Burschen für das Bundesheer gewinnen.

"Krone": Hilft eigentlich ein Name wie Klug bei der Karriurchwachsene Erfahrungen gemacht. "Das war aber nicht klug, Herr Klug", hab ich oft gehört. Die Wortspiele liegen ja auf der Hand. Ich bin aber felsenfest davon überzeugt, dass der Name letztlich irrelevant ist. Entscheidend ist: Was will er, was macht er und wie schnell geht's?

"Krone": Privat weiß man nur wenig von Ihnen: Sie joggen, lieben steirische Weißweine und sollen angeblich kochen können. Haben Sie überhaupt ein Privatleben?
Klug: Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass Politiker ihr Privatleben privat halten sollten und daher beschränke ich mich da auf unbedingt Notwendiges. Sehr engagierte Journalisten bemühen sich seit dem 11. März, dieses Notwendige ein bisschen auszudehnen. Sagen wir so: Ich habe seit dem 11. März ein sehr reduziertes Privatleben.

"Krone": Kinderloser Single, stimmen diese Eckdaten?
Klug: Das ist richtig, das passt.

"Krone": Stimmt es, dass Sie im Hotel wohnen?
Klug: Das stimmt. Erstens will und werde ich Steirer bleiben. Zweitens will ich mich nach zwölf bis 18 Stunden Arbeit mit logistischen Dingen nicht mehr auseinandersetzen. Da bleibt nur noch Zeit zum Schlafen.

"Krone": Haben Sie deshalb Ihr Haar so scharf rasiert?
Klug: Ich habe eine Zeitlang einen längeren Haarschnitt bevorzugt, das hatte auch seinen Charme. Ich bin dann aber zu der Erkenntnis gekommen, dass es nur eingeschränkt praktisch ist und ich wesentlich effizienter und schneller am Weg bin, wenn die Haare kurz sind. Nur muss man sie halt wesentlich öfter schneiden lassen.

"Krone": Ihre blitzblank polierten Schuhe: Besorgt das der Roomservice?
Klug: Das mache ich selber.

"Krone": Im Ernst?
Klug: Ja. Wollen Sie wissen, wie ein ordentlicher Schuhputz funktioniert? Man nimmt zuerst die Schuhbänder raus. Dann entfernt man Schmutz mit einer groben Bürste. Dann cremt man den Schuh mit einer anderen Bürste ein, lässt es trocknen und bürstet mit einer anderen Bürste den Schuh blank. Anschließend fährt man noch mit einem Baumwolltuch drüber. Wenn man eine Ledersohle hat, pflegt man auch die Sohle. Ich creme sie meist mit einer farblosen Schuhcreme ein und bürste auch die Sohle. Und dann, wenn alles fertig ist, zieht man die Schuhbänder wieder ein und stellt die Schuhe auf einen Holzschuhspanner. Ich hoffe, Sie sind jetzt überzeugt, dass ich das wirklich selber mache.

"Krone": Also statt Haare zu fönen putzen Sie lieber Schuhe?
Klug: Ja, man muss vorhandene Zeitfenster für das Wesentliche nutzen.

"Krone": Zackig, praktisch, rationell - wann zeigt Gerald Klug eigentlich Gefühle?
Klug: In meiner Aufgabenstellung als Verteidigungsminister geht es nicht um Gefühle, sondern um Lageeinschätzungen und daraus resultierende Konsequenzen. Aber als Sportminister mache ich auch manchmal Luftsprünge - zuletzt beim Spiel Österreich gegen Schweden. Da würde ich aber nicht von Gefühlen, sondern von Emotionen sprechen wollen.

"Krone": Irgendwie erinnern Sie an einen k.u.k.-Offizier. Die waren auch meistens alleinstehend, somit leicht versetzbar und ganz auf ihre Karriere bedacht. Wie gefällt Ihnen der Vergleich?
Klug: Nicht ganz passend, außer dass ich meine Ziele im Auge habe und diese konsequent und beharrlich abarbeite. Alles andere gefällt mir nicht so gut, denn ich bin ein moderner Mann.

"Krone": Inwiefern?
Klug: Ich trete für die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau ein, ich bügle selbst und koche, wenn es meine Zeit erlaubt. Die K.u.K-Offiziere waren da sicher anders aufgestellt.

"Krone": Ich habe Ihren Vorgänger einmal gefragt, ob er sich eher als Hammer oder als Amboss sieht. Er antwortete mit Letzterem. Wie ist das bei Ihnen?
Klug: Ich bin der Hammer. Welche Überlegungen der von mir sehr geschätzte Norbert Darabos da angestellt hat, weiß ich nicht. Ich freue mich, wenn es nicht notwendig ist, wie ein Hammer zu agieren, und bemühe mich in der Regel, Dinge möglichst partnerschaftlich und kollegial zu erreichen. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass man nicht fair miteinander umgeht, dann gibt es in der Konsequenz auch eine ganz andere Gangart, die mir nicht fremd ist.

Minister 100 Prozent
Geboren am 13. November 1968 in Graz. Lehre als Dreher, Präsenzdienst, Jus-Studium im zweiten Bildungsweg. Ab 1990 Sekretär bei der Gewerkschaft, seit 1995 AK-Kammerrat. 2005 wechselt Klug in den Bundesrat. Am 11. März wird der Steirer (er stimmte bei der Volksbefragung für ein Berufsheer) Nachfolger von Norbert Darabos als Verteidigungsminister, am 8. Juni Spitzenkandidat der SPÖ Steiermark - mit einer Zustimmung von 100 Prozent. Klug ist Single und kinderlos.

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