Nach Camp-Räumung

Mikl-Leitner lehnt Forderungen ab: “Kein Asyl für alle”

Österreich
30.12.2012 14:35
Im Polit-Streit um die Räumung des von Asylwerbern errichteten Protestcamps im Wiener Sigmund-Freud-Park hat sich am Sonntag erstmals Innenministerin Johanna Mikl-Leitner zu Wort gemeldet. Sie stehe voll hinter dieser "Entscheidung von Polizei und Gemeinde Wien". Nichts zu tun, wäre Amtsmissbrauch gewesen, so die Ministerin, die zugleich betonte, den Forderungen der Asyl-Camper aus der Votivkirche nicht nachgeben zu wollen. "Strukturelle Änderungen im Asylwesen werden nicht stattfinden", stellte Mikl-Leitner klar.

Persönlich in den Dialog mit den Votivkirchen-Bewohnern wird die Innenministerin jedenfalls nicht treten, wie sie am Sonntag erklärte. Sie betonte aber, mit der Caritas, die die Flüchtlinge betreut, laufend im Gespräch zu sein. Erst am Samstag habe sie mit dem Wiener Caritas-Direktor Michael Landau telefoniert. Zudem stehe das Angebot, die Flüchtlinge aus der Kirche anderswo "bestens unterzubringen", weiterhin.

Keine Verhandlungen über "Asyl für alle"
Ferner wies Mikl-Leitner daraufhin, dass es ohnehin schon vor Weihnachten einen von der Caritas organisierten runden Tisch gegeben habe, an dem Flüchtlingsvertreter sowie Innenministerium teilgenommen hätten. Verhandlungen "mit den Aktionisten über Asyl für alle" würden aber keine stattfinden. Für politisch Verfolgte nach der Menschenrechtskonvention werde es in Österreich immer Platz geben, aber es gebe sicher kein Bleiberecht für alle.

Den Umgang mit Flüchtlingen in Österreich sieht Mikl-Leitner positiv. Man habe ein gut funktionierendes Asylsystem, das in vielen Bereichen über den europarechtlichen Standards liege, z.B. eben beim Arbeitsmarkt, wo es nach drei Monaten Zugang (zu Saisonbranchen, Anm.) gebe. In Deutschland, Großbritannien und Frankreich werde man erst nach zwölf Monaten zugelassen.

Die Flüchtlinge lud die Innenministerin ein, diese Beschäftigungsmöglichkeiten stärker anzunehmen. Von 10.000 verfügbaren Plätzen in Saisonbranchen würden kaum 500 von Flüchtlingen in Anspruch genommen.

Was die Kritik an den Unterkünften angeht, verwies Mikl-Leitner darauf, dass ein Viertel aller Quartiere von der Caritas zur Verfügung gestellt werde. Die weiteren großen Quartiergeber seien Diakonie und Volkshilfe. Sie lasse hier keine Pauschalverurteilung zu. Wenn man konkrete Namen der sich beklagenden Asylwerber und der angeblich mangelhaften Pensionen nenne, werde das Ministerium diese aber überprüfen.

SOS-Mitmensch: "Innenministerium verleugnet Probleme"
Kritik am Innenministerium kam indessen von SOS Mitmensch. Das Ministerium versuche, die offenkundigen Probleme im österreichischen Asylsystem zu verleugnen, hieß es in einer Aussendung am Sonntag. Konkret kritisiert die Menschenrechtsorganisation die Behauptung, wonach Flüchtlinge "bestens untergebracht" seien und ihnen "bereits nach drei Monaten" die Möglichkeit offen stehe, "einer Beschäftigung nachzugehen".

Diesen Aussagen stünden sowohl die massiven Probleme bei der Unterbringung von Asylsuchenden, als auch der nach wie vor fast gänzlich versperrte Zugang zu Lehre und Arbeitsmarkt gegenüber, so Alexander Pollack, Sprecher von SOS Mitmensch. Das Innenministerium und das Sozialministerium ruft die Organistion dazu auf, an den runden Tisch zurückzukehren. "Man mag die Proteste der Flüchtlinge gutheißen oder auch nicht, aber eines sollten wir uns alle vor Augen halten: Die Flüchtlinge in der Votivkirche frieren und hungern nicht aus Jux und Tollerei."

UNHCR fordert Dialogbereitschaft der Politik
Auch das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR forderte am Sonntag von der Politik einen konkreten Dialog. Einen direkten Ausweg für die nunmehr seit fast zwei Wochen in der Votivkirche ausharrenden Flüchtlinge konnte aber auch der UNHCR-Vertreter in Wien, Christoph Pinter, nicht nennen, da er nicht für die Hungerstreikenden sprechen könne. Er glaube aber, dass es auch aus deren Sicht seitens der Politik sinnvoller wäre, den Dialog mit der Gruppe aufrecht zu halten und über ihre Forderungen zu sprechen, als etwa darüber, wer nun im Vorfeld etwas über den Abriss des Camps vor der Votivkirche durch die Polizei gewusst habe.

Konkret bemängelt das UNHCR, dass es für Flüchtlinge in Österreich unverändert legal bloß möglich sei, in Saisonbranchen Beschäftigung zu finden. Das Flüchtlingshochkommissariat spricht sich für einen effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt nach spätestens sechs Monaten aus. Zudem verlangte Pinter von der Politik, dass man bei der Suche nach Quartieren für Flüchtlinge nicht nur nach "irgendwelchen Plätzen" fahnden sollte, sondern sich auch die Standards der Unterkünfte genau ansehen müsse.

Auch Caritas nimmt Politik in die Pflicht
In die Pflicht genommen wurde die Politik erneut auch von der Caritas. Deren Sprecher Klaus Schwertner betonte am Sonntag, dass es dringend weiterer Gespräche speziell zu den Themen menschenwürdiges Wohnen und Zugang zum Arbeitsmarkt bedürfe. Zu sagen "Alles ist gut", wie dies derzeit die Politik tue, lasse sich aufgrund von Fakten nicht belegen.

Laut Caritas haben die Nacht auf Sonntag 40 Flüchtlinge in der Votivkirche verbracht. Mindestens 14 sind im Hungerstreik, sie trinken aber alle wieder Wasser bzw. Tee. In den letzten zwei Tagen mussten zehn Flüchtlinge ins Spital gebracht werden. Alle konnten nach einer ambulanten Behandlung das Krankenhaus wieder verlassen und kehrten mittlerweile in die Votivkirche zurück.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele