Beweislage düster

Mensdorff-Prozess: Anklage als “ganz nette Notlösung”

Österreich
12.12.2012 14:45
Im Wiener Straflandesgericht ist am Mittwoch der Prozess gegen den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly eröffnet worden. Um Punkt 9.30 Uhr betrat der 59-jährige Graf den Großen Schwurgerichtssaal, wo er auf der Anklagebank Platz nahm und in lässiger Pose ein minutenlanges Blitzlichtgewitter über sich ergehen ließ. Der Staatsanwalt schoss sich am ersten Prozesstag vor allem auf die britische Rüstungsfirma BAE ein und erklärte, Bestechung sei zwar nicht zu beweisen, Mensdorff erfülle aber "zweifelsfrei" den Tatbestand der Geldwäsche. "Graf Ali" selbst und seine Verteidiger scheinen die Vorwürfe indes nicht einmal ernst zu nehmen. Die Anklage sei "nett" und eine "Notlösung".

Zunächst wurde der Hauptangeklagte von Richter Stefan Apostol zu den Generalien befragt. Als Beruf gab Mensdorff "Landwirt und Konsulent" an. Sein aktuelles Jahreseinkommen bezifferte er mit 35.000 bis 40.000 Euro. Die Frage nach allfälligen Verbindlichkeiten beantwortete er zunächst mit "100.000 Schilling", ehe er seinen Irrtum erkannte und sich auf Euro korrigierte.

Staatsanwalt rechnet mit BAE Systems ab
Staatsanwalt Michael Radasztics hielt daraufhin sein Eröffnungsplädoyer: Er machte klar, dass es im gegenständlichen Verfahren primär um illegale Geschäftspraktiken des britischen Rüstungskonzerns BAE Systems gehe. Der Konzern habe "in Umgehung gesetzlicher Regeln Geld aus dem Unternehmen gebracht, ohne dass es jemand merkt". Man habe sich des "guten alten Beratervertrags bedient", der "intransparente Zahlungen" ermöglicht habe. Einer dieser Berater war Mensdorff-Pouilly. BAE Systems habe grundsätzlich das Beratersystem "ausgenutzt, um Zahlungen zu Korruptionszwecken in Europa und anderen Teilen der Welt zu ermöglichen".

Mensdorff soll 12,6 Millionen von BAE kassiert haben
Mensdorff-Pouilly sollen im Zeitraum 2000 bis 2008 12,6 Millionen Euro von BAE Sytems zugeflossen sein. Insgesamt landeten laut Staatsanwalt 15,1 Millionen Euro auf den vier Konten der ihm zugerechneten Gesellschaft Brodmann Business SA, da Mensdorff auch für andere Unternehmen - laut Anklage etwa die Erste Bank - Beratertätigkeiten ausübte und auch mit diesen Honoraren die Konten der Brodmann gespeist haben soll.

Verbleib der Gelder "nicht geklärt"
Wo die angeblich zum Zwecke der Korruption investierten Gelder gelandet sind und wer konkret damit mutmaßlich geschmiert wurde, vermag die Staatsanwaltschaft allerdings nicht zu sagen. Der Verbleib der Gelder "konnte nicht aufgeklärt werden", heißt es im Strafantrag. Eine wesentliche Rolle bei den inkriminierten Vorgängen spiele laut Anklage aber jedenfalls die von BAE Systems auf den British Virgin Islands gegründete Red Diamond Trading Limited, über die der Rüstungskonzern Schmiergeldzahlungen abgewickelt haben soll. Mittels mehrerer Briefkastenfirmen ließ BAE offenbar Millionen verteilen, die zum Teil bei der Brodmann Business SA landeten.

Kurt D. als geschickter Partner
Formaler Geschäftsführer dieser Gesellschaft war Kurt D. (61), der als Mitangeklagter geführt wird. Er ist dem Grafen seit gemeinsamen Schultagen freundschaftlich verbunden und teilt mit diesem nun die Anklagebank. D. soll die Gelder verschoben und dabei nicht unerhebliches Geschick bewiesen haben. Staatsanwalt Radasztics unterstellt zudem den drei BAE-Managern Hugh Dickenson, Richard Evans und Michael Turner, gemeinsam mit "weiteren Personen des Managements" eine kriminelle Organisation gebildet zu haben. Mensdorff-Pouilly habe in Kenntnis dieses Umstands wissentlich Vermögensbestandteile dieser Organisation verwaltet bzw. verwertet und damit den Tatbestand der Geldwäsche verwirklicht.

Zeugenaussagen von BAE-Managern fraglich
Da die namentlich genannten Manager vom Ankläger als einer Straftat Beschuldigte angeführt werden, könnten sie sich im Zeugenstand einer Aussage entschlagen. Tatsächlich hat sie Richter Apostol für den 15. Jänner von Amts wegen als Zeugen geladen. Ob die drei aber überhaupt anreisen werden, ist fraglich: BAE Systems dürfte kaum an einer weiteren öffentlichen Erörterung der inkriminierten Vorgänge interessiert sein, zumal der Konzern im Jahr 2010 gegen die Übernahme von Bußzahlungen von umgerechnet 326 Millionen Euro die Einstellung sämtlicher gegen ihn anhängiger Verfahren in Großbritannien und den USA erwirkt hatte.

Davon profitierte auch Mensdorff-Pouilly, der zu diesem Zeitpunkt in London in Untersuchungshaft saß und - nachdem die Ermittlungen in England auch gegen ihn fallen gelassen wurden - im Nachhinein von der britischen Justiz eine Haftentschädigung von 430.000 Euro zugesprochen bekommen hatte.

Auch Todesfälle erschweren Aufklärung
Außerdem sind einige Zeugen, die die Darstellung der Wiener Anklagebehörde womöglich hätten stützen können, nicht mehr greifbar. Timothy Landon, der Mensdorff seinerzeit bei BAE Systems einführte und als dessen Mentor galt, ist 2007 an Lungenkrebs gestorben. Josef Bernecker, pensionierter Chef der heimischen Luftwaffe, verschied am Heiligen Abend des Vorjahrs. Er soll im Ruhestand über Jahre hinweg inhaltsleere Berichte geliefert haben, mit denen der Graf zum Schein seine Beraterleistungen legitimierte.

Mit Mark Cliff galt vorerst sogar jener Zeuge als verschollen, der dem britischen Serious Fraud Office gegenüber ausgepackt und die Ermittlungen gegen BAE Systems ins Rollen gebracht hatte. Dank eines Rechtshilfeersuchens an die britische Justiz konnte er allerdings mittlerweile ausgeforscht werden. Cliff erklärte sich zu einer Einvernahme mittels Videokonferenz bereit.

Geldwäsche laut Anklage erwiesen, Bestechung nicht
Obwohl die genauen Abläufe wohl dennoch nicht mehr vollständig nachzuvollziehen sein werden, zeigte sich Staatsanwalt Radasztics am Mittwoch davon überzeugt, dass mit den von BAE Systems in Richtung Mensdorff-Pouilly geflossenen Geldern "Bestechung stattgefunden hat". Er könne dies allerdings nicht nachweisen: "Das gibt das Ermittlungsverfahren nicht her." Es gebe keine schriftlichen Belege für Schmiergeldzahlungen, keine sonstigen Beweise und auch keine Kronzeugen: "Das führt im Ergebnis dazu, dass ich Bestechung nicht anklagen konnte." Dafür liege der Tatbestand der Geldwäsche zweifelsfrei vor. Die entsprechenden Zahlungsflüsse untermalte der Ankläger anhand einer meterlangen Papierschlange mit Überweisungen und Transaktionen.

Darüber hinaus habe Mensdorff im Ermittlungsverfahren ein gefälschtes Beweismittel vorgelegt, mit dem er nachweisen wollte, dass er ein Investment in Dubai getätigt hatte, führte der Staatsanwalt weiter aus. Diese Zahlungsbestätigung sei "eindeutig eine Fälschung". Zusätzlich habe der Graf insgesamt drei Mal bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen die Unwahrheit gesagt: Indem er 2007 erklärte, BAE Systems keine Informationen über Beschaffungsvorgänge für das österreichische Bundesheer weitergeleitet zu haben, und zwei Mal 2012, indem er abstritt, die Brodmann Business SA sei seine Firma bzw. stünde er mit der Gesellschaft in einer Geschäftsbeziehung.

Verteidigung: "Schaut ganz nett aus"
Die Verteidigung Mensdorff-Pouillys bezeichnete die Anklage am Mittwoch als "Notlösung". Weil der Staatsanwalt keine Bestechung habe nachweisen können, wie er ja selbst zugab, habe er Geldwäsche und die Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Letzteres sei wie beim Tierschützer-Prozess. Die Bildung einer kriminellen Vereinigung - "das schaut ganz nett aus", so Anwalt Harald Schuster. In Wahrheit habe die Staatsanwaltschaft gar nichts in der Hand. Auch den Vorwurf der falschen Zeugenaussage und Beweisfälschung wies Schuster zurück: "Glauben Sie, wenn der Mensdorff was fälschen würde, wäre das nicht tipptopp?"

Selbst der Graf, der zu Beginn der Ausführungen seines Anwalts etwas unrund gewirkt hatte, lächelte an dieser Stelle versonnen. Er bekannte sich - wie auch Kurt D. - in allen Anklagepunkten nicht schuldig. "Ich gehe davon aus, dass ich die Vorwürfe widerlegen kann", stellte Mensdorff-Pouilly klar, bevor er unter anderem geduldig seinen beruflichen Werdegang schilderte.

Vom Bauern zum "Nicht-Lobbyisten"
Er habe 1980 den elterlichen Hof im Südburgenland übernommen, der zu diesem Zeitpunkt "klein und schwer verschuldet" gewesen sei, erzählte der Graf. "Meine Mutter hat den Vater in Pension geschickt und den Betrieb mir übergeben, in der Hoffnung, dass ich den Betrieb auf neue Beine stellen und retten kann." Im weiteren Verlauf habe er begonnen, "aus der Jagd Geld zu machen", Flächen gepachtet und dazugekauft. Daneben habe er auch mit Froschschenkeln, Wild, Schnecken und sogar Straußen gehandelt - Letzteres sei aber "ein ntakt zu BAE Systems legte. 1985 habe ihn Landon ersucht, sich zu informieren, weshalb in Österreich damals die Draken angekauft wurden und nicht die Abfangjäger, die der britische Konzern angeboten hatte. Die Recherchen und die Ergebnisse des Grafen verliefen offenbar zufriedenstellend - Mensdorff-Pouilly bekam einen Beratervertrag von BAE Systems und sei "gern in diesen Geschäftszweig eingestiegen".

"Keine Zettel" und "ein paar Tausend Euro"
Auf die Frage nach seiner wirtschaftlichen Ausbildung verwies der 59-Jährige auf "den alten Kommerzialrat Traxler, bei dem ich nach der Schule als Sekretär begonnen habe". "Das war eine wunderbare Ausbildung für mich." Seine Aufgabe sei es in weiterer Folge gewesen, nach dem Fall des Eisernen Vorhangs den osteuropäischen Markt aufzuarbeiten. Er habe für BAE Kontakte geknüpft und Informationen gesammelt. Dokumentiert sei zu dieser Tätigkeit aber nichts Wichtiges - man hätte seine Informationen gar nicht "auf Zetteln" haben wollen.

Gefragt, wie viel einer seiner Ratschläge kostete, antwortete Mensdorff: "Er war im Monat immer ein paar Tausend Euro wert." Die Frage des Richters, ob er ein Lobbyist sei, verneinte er schließlich kategorisch: "Als Lobbyist muss ich zu einem Entscheidungsträger gehen. Meine Aufgabe war umgekehrt herauszufinden, was Leute wollen, und Ratschläge zu geben."

Fortsetzung am Dienstag
Der Prozess, in dem es für Mensdorff-Pouilly und Kurt D. um bis zu fünf Jahre Haft geht, wird am kommenden Dienstag fortgesetzt. Dann soll Mensdorff detailliert zu dem Firmengeflecht befragt werden, über das er von BAE Systems Gelder erhalten haben soll, die laut Anklage zum Zwecke der Bestechung von Entscheidungsträgern in Ost- und Mitteleuropa verwendet wurden.

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