Häupl im Interview

“Man ist dumm, wenn man Fehler zweimal macht”

Österreich
19.04.2013 16:51
Michael Häupl ist nun seit 20 Jahren Chef der Wiener SPÖ: Was er bereut und was er erreichen will, erzählt der Bürgermeister im Gespräch mit Nadia Weiss.

"Krone": Herr Bürgermeister, nach 25 Jahren in der Wiener Landesregierung - davon 20 als Wiener SPÖ-Chef - steht im Jahr 2014 Ihr 20-Jahre-Jubiläum als Wiener Bürgermeister vor der Tür. Zeit, ein Resümee zu ziehen?
Michael Häupl: Eine Rückschau begreife ich immer als Lernprozess. Jeder Mensch macht Fehler. Aber man ist nur dann dumm, wenn man denselben Fehler zweimal macht. Selbstreflexion ist sinnvoller als eitle Selbstbespiegelung. Mehr als alle Jubiläen interessiert mich aber, wie die SPÖ am 29. September bei der Nationalratswahl abschneidet. Wir müssen nicht nur klare Nummer eins werden, sondern auch erreichen, dass ohne uns eine Regierungsbildung nicht möglich ist. Ob es dann ein Ergebnis über 30 Prozent ist oder nur 29, erachte ich nicht als wesentlich.

"Krone": Bleiben wir noch bei der Selbstreflexion: Aus welchen Fehlern mussten Sie lernen?
Häupl: Es sind mit Sicherheit nicht die Fehler, die einem von der Opposition vorgeworfen werden! Vielleicht hätten wir Bereiche der inneren Strukturreform im Hause früher beginnen können, wie etwa beim Liegenschaftsmanagement. Sicher waren auch manche Personalentscheidungen falsch. Ich werde keine Namen nennen. Aber dafür trägt man Verantwortung und hat es, falls nötig, zu korrigieren.

"Krone": Werden noch Köpfe rollen?
Häupl: Köpferollen ist noch bei Weitem keine Reform. Allerdings müssen auch wir wie Unternehmen bei Problemen rasch handeln. Aber ich denke jetzt eher an Ereignisse in der Vergangenheit, die bereits aufgearbeitet wurden. Der Pflegeskandal war beispielsweise eine echte Zäsur, die eine Wende im Gesundheitswesen gebracht hat.

"Krone": Fallen Ihnen auch Fehlentscheidungen in der jüngeren Vergangenheit ein?
Häupl: Bei der dritten Phase der Parkpickerl-Ausweitung gab es sicher Pannen in der Kommunikation. Aber das Parkpickerl wird nicht die Zukunft Wiens entscheiden. Entscheidend wird vielmehr sein, dass der eingeschlagene Weg zur Wissens-Metropole unumkehrbar ist. Mit Forschung und Dienstleistung werden wir unseren Wohlstand langfristig absichern.

"Krone": Dennoch haben die Wienerinnen und Wiener das Gefühl, dass die steigenden Gebühren ihr persönliches Haushaltsbudget immer mehr belasten. Wofür braucht die Stadt plötzlich mehr Geld von ihren Einwohnern?
Häupl: Alle städtischen Gebührenerhöhungen des vergangenen Jahres waren in Summe weniger Belastung, als die Verringerung der Öffi-Jahreskarte dem Einzelnen gebracht hat. Und da rede ich noch gar nicht vom Gratis-Kindergarten. Für die Stadt war das unterm Strich kein gutes Geschäft. Aber unser Auftrag ist es, bestimmte Dinge wie den kommunalen Wohnbau, die Daseinsvorsorge, Bildung und Gesundheit finanzierbar bleiben zu lassen. In einfachen Worten gesagt: Eine Wohnung können wir besorgen, aber für die Erhaltung muss jeder selber sorgen.

"Krone": Was tun, wenn es sich einfach nicht mehr ausgeht, weil die Einkommen gleich bleiben und die Ausgaben, zum Beispiel bei den Mieten, steigen?
Häupl: Ganz einfach helfen. Das ist unsere Aufgabe, dafür sind wir da. Große Sorgen macht mir die steigende Zahl der "Working Poor". Da können Menschen vom Ertrag ihrer Arbeit nicht ihr Leben bestreiten und können nur mit unseren Hilfeleistungen durchkommen. Es betrifft vor allem Alleinerzieherinnen in niedrig qualifizierten Berufsgruppen und Teilzeitbeschäftigte. Wir sind nicht für diese Schandlöhne verantwortlich, sondern fungieren eher als Arzt am Krankenbett des Kapitalismus.

"Krone": Der Wahlkampf ist somit eröffnet. Wollen Sie mit Kapitalismus-Kritik Stimmen für die Sozialdemokraten holen?
Häupl: Es geht um mehr soziale Gerechtigkeit. Für die Jungen ist für die Chancengleichheit ein optimiertes Bildungssystem zentral und für ihre Eltern und Großeltern ein Altern in Würde. Ein wichtiger Schritt wurde soeben in Kärnten erreicht, indem man den Pflegeregress abgeschafft hat. Das sind die wahren Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft.

"Krone": Glauben Sie, dass man das Sozialwesen mit einem wirtschaftlichen Schwerpunkt auf Wissenschaft, Forschung und Dienstleitung erhalten kann?
Häupl: Ich glaube nach wie vor, dass die Ökonomie der Zukunft auf rauchenden Köpfen und nicht auf rauchenden Schornsteinen basiert. Wenn man in einer globalisierten Welt, die ich nicht als Schreckgespenst sehe, bestehen will, dann ist dieser Weg völlig klar. Dafür braucht man bestmöglich ausgebildete Fachkräfte. Die Menschen müssen daher anders eingesetzt werden. Wer aber von der "Entindustrialisierung" der Stadt spricht, geht völlig an der Realität vorbei. Die Faustregel lautet: Die Industrie bringt das Geld und die Dienstleistung die Arbeitsplätze.

"Krone": Abschlussfrage: Wie viele Jahre möchten Sie noch in Ihrem schönen Büro im Rathaus verbringen?
Häupl: Wenn ein Trainer seine Spieler nicht mehr erreicht, muss er gehen. Solange mich die Menschen und die Partei wollen, mache ich weiter und trete noch einmal an. Mit im Herbst 64 Jahren kann ich aber auch sagen, dass die Gesundheit mitspielen muss. Zurzeit bin ich auf jeden Fall fit dafür.

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