Offene ORF-Einblicke

Lindner: Von Pröll gehegt, von Schüssel “gelegt”

Österreich
31.10.2013 13:30
Die "wilde" Nationalratsabgeordnete und frühere ORF-Chefin Monika Lindner spricht in einem demnächst erscheinenden Buch offen über ihre ORF-Karriere im Dunstkreis der Politik. Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel und der damalige ÖVP-Klubobmann Willhelm Molterer hätten ihre Wiederwahl im Jahr 2006 "verbockt", heißt es in einer Passage. Dass sie es aber überhaupt bis an die ORF-Spitze gebracht hatte, habe sie nicht zuletzt ihrer guten Beziehung zum niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll zu verdanken.

In dem vom ORF Tirol mitherausgegebenen Band "Tirol lebendig erinnert - Zeitzeugen im Gespräch" lässt die in Innsbruck aufgewachsene Lindner keinen Zweifel darüber aufkommen, dass ihr berufliches Schicksal von der Politik, insbesondere der ÖVP, bestimmt war. Am Anfang ihres Aufstiegs stand der Name Erwin Pröll - immerhin bestimme der niederösterreichische Landeshauptmann "die Flugrichtung des Heiligen Geistes".

"Viele haben gegen mich intrigiert, das war nicht unflott"
Dabei hatte Pröll Lindner zunächst als Landesdirektorin abgelehnt, als diese vom damaligen ORF-Generalintendanten Gerhard Zeiler für die Position ins Spiel gebracht worden war. "Viele haben gegen mich intrigiert, das war nicht unflott", so Lindner. Pröll habe jedes Mal Nein gesagt, wenn Zeiler ihren Namen genannt habe. Ein Mittagessen mit dem mächtigen Landeschef drehte schließlich die Stimmung. "Der Pröll erzählt heute noch gern, dass er danach seinen engsten Mitarbeiter angerufen und ihm gesagt hat, er sei der schlimmsten Intrige aufgesessen: Rufen's den Zeiler an und sagen Sie ihm, ich will jetzt die Lindner."

ORF-Chefin? "Kann sein, dass dich der Schüssel fragt ..."
Im Herbst 2001 wartete dann der Posten des ORF-Generaldirektors auf Lindner. "Irgendwann hat mich der Erwin Pröll zu sich eingeladen und gesagt: Du, es kann sein, dass dich der Schüssel fragt, ob du nach Wien gehen willst." Der Anruf von Schüssel kam laut Lindner knapp vor der Wahl im ORF-Stiftungsrat. "Ich habe Ja gesagt. Und am nächsten Tag wurde ich über Hintertreppen ins Bundeskanzleramt eingeschleust. Damit mich ja niemand sieht, sonst wäre das gleich in der Zeitung gestanden."

Die Amtszeit Lindners von 2001 bis 2006 war von Vorwürfen der ÖVP-Nähe und der Willfährigkeit gegenüber der schwarz-blauen Regierung begleitet. Sinnbild des Wechselspiels zwischen Politik und ORF waren damals Molterer und das legendäre "Moltofon" sowie TV-Chefredakteur Werner Mück. Lindner: "Der Molterer ist nie an mich herangetreten. Der hat ganz sicher den Mück angerufen. Und wie ich den Mück gestellt habe, hat der das bestritten. Ich bin aber überzeugt, dass es da eine ganz enge Kommunikation gab."

Politische Interventionen? Höchstens bei der Redaktion
Als Generaldirektorin sei sie aber ohnehin nicht die richtige Anlaufstelle für Interventionen gewesen. "Der politische Einfluss findet auf der mittleren Ebene statt, auf der Ebene der leitenden Redakteure, Chefredakteure und Chefs vom Dienst - dort, wo über die Inhalte entschieden wird. Die Spitze bekommt das nur selten mit. Und wenn du dann anrufst und sagst, etwas sei merkwürdig, kommt als Antwort: 'Geben Sie mir eine Weisung!' Im Schutz des Redakteursstatuts können hier letztlich alle machen, was sie wollen. Und wenn du als Chef etwas sagst, steht es am nächsten Tag in der Zeitung."

In der Nachbetrachtung räumt Lindner ein, dass viele Vorwürfe gegen Mück berechtigt gewesen seien. Die VP-Führung sei aber nicht bereit gewesen, auf ihn zu verzichten. Sie und andere hätten Schüssel und Molterer auch darauf hingewiesen, dass Mück nicht zu halten sei. "Aber da waren taube Ohren." Dass ihre Wiederwahl 2006 scheiterte und ihr Kaufmännischer Direktor Alexander Wrabetz das Ruder im ORF übernahm, schreibt Lindner denn auch Mück, Schüssel und Molterer zu. "Wolfgang Schüssel und Willi Molterer haben es verbockt. Und sie haben sich selbst am meisten damit geschadet. Ich habe immer gesagt, wir bekommen die Stimmen, aber wir müssen auf den Mück verzichten. Und wie sie kapiert haben, dass es wirklich am Mück liegt, war es zu spät."

Im Jahr 2011 voller, aber vergeblicher Einsatz für Zeiler
Bei der jüngsten ORF-Wahl 2011 setzte sich Lindner für den seit Jahren international erfolgreichen, ursprünglich aus der SPÖ kommenden Zeiler ein. "Ich bin wirklich gelaufen, überall. Ich habe angeboten, dass ich die Stimmen der Schwarzen bringe, ich wollte mit den Blauen reden. Und ich war ziemlich weit." Letztlich sei Zeiler aber an seiner eigenen Partei gescheitert und habe zum Schutz der SPÖ abgesagt.

"Zeiler war damals in Lans im Bezirk Innsbruck-Land auf Kur. Er hat mich angerufen und gesagt: 'Ich weiß, dass ich Sie enttäusche, aber wenn ich antrete, zerreißt es die Partei.'" Der Medienmanager hätte mit Stimmen von einigen SP-Stiftungsräten rechnen können, Parteichef Werner Faymann wollte damals aber unbedingt Wrabetz verlängern. "Faymann wollte Zeiler nicht. Er hat Angst gehabt, er züchtet sich da einen Nachfolger. Ich habe mir dann halt gedacht, für Hollywood reicht es, nur für Wien nicht. Der ORF hat eine große Chance versäumt."

Als Spielball der Politik hat sich Lindner in ihrer ORF-Zeit aber nicht gefühlt. "Vielleicht war ich es. Aber ich habe mich nie so empfunden, auch wenn ich mich manchmal geärgert habe."

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