Politikereinkommen

Leitl: "Statt höherer Gehälter lieber Prämien auszahlen"

Österreich
04.11.2012 14:56
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl kann sich Prämien für erfolgreiche Politiker vorstellen. In der Diskussion um eine Anhebung der Politikergehälter um 1,8 Prozent schlug Leitl am Sonntag vor, statt einfach Politikergehälter zu erhöhen, bei Erfolgen - etwa wenn es im nächsten Jahr gelinge, ein überdurchschnittliches Wachstum zu erzielen, in Europa an der Spitze der Beschäftigung zu bleiben und eventuell auch in der Bildungsfrage voranzukommen - eine Prämie auszubezahlen.

Es brauche "das Bewusstsein, finanzielle Ausgaben mit einer konkreten Leistung zu verbinden", meinte Leitl in der in der ORF-"Pressestunde". Das würde auch in der Bevölkerung verstanden. Er habe da "einen sehr pragmatischen Zugang", spielte er auf seine Herkunft aus der Wirtschaft an. Der Haltung von Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer, niedrig verdienenden Bürgermeistern aber zumindest die Inflationsanpassung von 2,8 Prozent zuzugestehen, könne er aber aufgrund der Umstände der Arbeit in den Gemeinden "sehr viel abgewinnen".

"Stronach hat eine Blitzableiterfunktion"
Betont gelassen reagierte Leitl auf den wohl bald sechsten Klub im Nationalrat, das Team Stronach (siehe Infobox). "Wir leben auch in der Demokratie in einem Wettbewerb", sagte er, Politik müsse genauso lebendig sein wie Wirtschaft. Die Stronach-Partei sei eben eine neue Herausforderung. Es sei in der Bevölkerung großer Frust über Politik entstanden, "Stronach hat eine Blitzableiterfunktion".

Die Regierung forderte Leitl auf, "in einer Art Rapid-Viertelstunde" die Ärmel aufzukrempeln und im letzten Jahr vor der Nationalratswahl noch etwas weiterzubringen. Damit meine er keine großen Konjunkturpakete, sondern "kleine, intelligente Impulse" wie die Verlängerung der Schwellenwertverordnung, damit die Leuten merkten, dass etwas weitergehe.

Regierung hat noch einiges vor sich
Grundsätzlich habe die SPÖ-ÖVP-Koalition einiges erreicht, und über diese Fortschritte könne man sich auch freuen, "aber sehr viel ist noch offen, das gilt es anzugehen", urteilte der Wirtschaftskammer-Präsident. "Zufrieden kann ich nie sein", denn das sei eine "Selbstgefälligkeit, die nicht guttut".

Für den Wahlerfolg der Volkspartei, die er immer noch als Wirtschaftspartei sieht, sei es u.a. entscheidend, dass man klarmache, dass es mit der ÖVP keine neuen Steuern geben werde. Dann könnten die Schwarzen auch beim Kampf um Platz eins mitmischen, glaubt Leitl.

Den Vermögenssteuerplänen der SPÖ erteilte er jedenfalls wenig überraschend eine deutliche Abfuhr, schon allein die Diskussion schade, weil sie Unsicherheit verursache. "Da steht Reichensteuer drauf auf dieser Mogelpackung und Mittelstand steht drinnen", meint er. Man dürfe Leistungsträger nicht bestrafen, sondern müsse sie motivieren.

Verwaltungs- und Bildungsbereich reformieren
Einmal mehr mahnte der Wirtschaftskammer-Präsident eine Verwaltungsreform ein. Österreich sei bisher nicht fähig gewesen, auf Basis der Papiere des Verfassungskonvents Bund, Länder und Gemeinden zu einer modernen Aufgabenverteilung zu bringen, kritisierte Leitl. Dabei würde das "Milliarden einbringen". Natürlich seien Kleinigkeiten gemacht worden, verwies er etwa auf die Zusammenlegung von Verwaltungsgerichten. Aber: "Der große Wurf, wo ist der?"

Auch im Bildungsbereich, einer "ganz entscheidenden" Frage", sei man hinten nach in Europa. Man müsse weg von den alten Schulplänen sowie dienst- und besoldungsrechtlichen Streitereien, forderte Leitl, und stattdessen im dualen Bereich weiter das "attraktivste Bildungsangebot auf der Welt" formen.

"Weitere Bluttransfusionen für Griechenland"
Auch zum Dauerbrenner Griechenland nahm Leitl zu guter Letzt noch Stellung und warnte vor einem Zerfall der Euro-Zone. Er sprach sich dafür aus, dem maroden Griechenland "weitere Bluttransfusionen" zu gewähren. Er sei zwar dagegen, dem griechischen Staat formell seine Schulden zu erlassen. Man solle aber die Rückzahlung auf viele Jahrzehnte erstrecken: "Ob das 80, 50 oder 30 Jahre sind, darüber kann man diskutieren."

Der Wirtschaftskammer-Präsident verglich die Situation mit der eines überschuldeten Betriebs (der über eine positive Fortführungsprognose verfügt). Diesem Unternehmen müssten die Banken ja auch Fristen erstrecken und neue Kredite geben, damit es weitergehen könne, argumentierte er.

Leitl erntete Kritik von SPÖ und Opposition
Die Aussagen Leitls sind der SPÖ und den Oppositionsparteien sauer aufgestoßen, denn nach der "Pressestunde" erntete er einiges an Kritik: Man schulde es den Klein- und Mittelbetrieben, dass Millionäre mehr Steuern zahlen und einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, echauffierte sich etwa SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter, der die "mangelnde Gesprächsbereitschaft" der ÖVP in dieser Hinsicht beklagte.

FPÖ-Wirtschaftssprecher Bernhard Themessel äußerte wiederum die Vermutung, Leitl habe Teile des freiheitlichen Parteiprogramms verlesen, weil er sich - gemäß ÖVP-Linie - gegen Erbschafts- und Schenkungssteuern ausgesprochen hatte. Der Freiheitliche freute sich aber darüber, dass "zumindest in Teilen" der ÖVP Problembewusstsein vorhanden sei, allein, es reiche nicht, über Probleme zu philosophieren, man müsse sie auch lösen, meinte er im Hinblick auf die von Leitl eingemahnte Verwaltungsreform.

BZÖ und Grünen mokieren sich über VP-Blockadepolitik
Bis auf die "falsche Euro-Politik" habe der Wirtschaftskammer-Präsident "mit seiner Partei nichts mehr gemeinsam", stellte Bündnis-Obmann Josef Bucher fest. Leitl verlange "dringend notwendige, vernünftige Reformen", die ÖVP blockiere aber alles. "Ehrlicherweise müsste Leitl aus der ÖVP austreten", schlussfolgerte Bucher daher. Von den geforderten Prämien für gut verdienende Politiker sei die Bundesregierung "meilenweit" entfernt, attestierte er, den Regierungsmitgliedern müsse man "eigentlich Geld abziehen". Das BZÖ bleibe jedenfalls bei der Forderung nach einer Nulllohnrunde.

Genug von den "ständig vorgetragenen Klageliedern" Leitls mokierten sich die Grünen. "Seine inkonsequente Politik ist Teil des Problems", meinte Volker Plass, Bundessprecher der Grünen Wirtschaft. Leitls Kritik, dass bei Bildung und Verwaltungsreform nichts weitergehe, traf bei den Grünen zwar grundsätzlich auf fruchtbaren Boden, der Wirtschaftskammer-Präsident solle sich aber diesbezüglich lieber um die "Blockadehaltung innerhalb seiner ÖVP kümmern", statt zu jammern. Wenig Verständnis hatten die Grünen auch für Leitls Ablehnung einer Vermögenssteuer.

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