Gegen Dschihadismus

Kurz zur “Krone”: “Staat muss Flagge zeigen”

Österreich
05.09.2014 19:00
Integrationsminister Sebastian Kurz fordert im "Krone"-Interview mit deutlichen Worten schärfere Gesetze gegen den Dschihadismus.

"Krone": Herr Bundesminister, die Öffentlichkeit ist in Sorge über junge Gotteskrieger, die in den grausamen Dschihad ziehen. Haben wir es mit einer Fünften Kolonne von Schein-Integrierten zu tun? Leben wir auf einem Pulverfass, wenn sie zurückkehren?
Sebastian Kurz: Diese Leute sind eine enorme Sicherheitsbedrohung. Es handelt sich um Schwerstkriminalität. Deshalb muss mit aller Entschlossenheit gegen diesen Dschihadismus vorgegangen werden mit zwei Arten von Maßnahmen: Erstens Bekämpfung durch die Behörden, wo Dschihadismus stattfindet, das macht die Polizei konsequent. Ich bin sehr froh darüber, dass Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die Beamtengruppe zur Verfolgung solcher Delikte aufgestockt hat. Andererseits Dschihadismus vorbeugen, auch mit härteren Gesetzen. Da müssen wir die gesetzlichen Regelungen so anpassen, dass die jungen Leute nicht mehr von Hasspredigern aufgehetzt werden. Ich trete dafür ein, dass das Strafausmaß für Verhetzungskriminalität erhöht wird und der Tatbestand für die strafrechtliche Relevanz für eine solche Verhetzung vor einer Personengruppe von mindestens 150 Personen auf mindestens 30 Personen herabgesetzt wird, weil wir wissen, dass es immer wieder Verhetzungsversuche vor kleinen Gruppen gibt. Das gilt auch für die sozialen Medien.

"Krone": In Großbritannien, wo das Problem am größten ist, wird selbstkritisch diskutiert, dass man das Schulwesen in den Migrantenghettos seit Langem einem islamistischen Biotop überlassen hat. Jetzt heißt es: Der Staat muss Flagge zeigen, Grenzen setzen, Religionsführer in die Pflicht nehmen.
Kurz: Ja, der Staat muss Flagge zeigen. Da möchte ich aber auch die Islamische Glaubensgemeinschaft in die Pflicht nehmen. Sie arbeitet in vielen Fragen sehr gut mit der Republik zusammen und kann hier viel tun. Sie hat die Möglichkeit, Imame auszusuchen, und sie ist verantwortlich für die Moscheen in Österreich. Sie hat auch gute Kontakte zu den religiösen Vereinen. Hier kann in Fragen der Vorbeugung viel getan werden. Und nochmals: Ich muss sie in die Pflicht nehmen. Sie hat die Verpflichtung, ihre Verantwortungsträger dazu anzuhalten, sobald es unrechtes Verhalten oder Verdachtsmomente dazu gibt, das zur Anzeige zu bringen. Gleichzeitig möchte ich aber festhalten, dass wir nicht den Fehler machen dürfen, die 500.000 bei uns lebenden Muslime unter Generalverdacht zu stellen. Die ganz überwiegende Zahl dieser Menschen ist gut integriert und leistet ihren Beitrag in unserer Gesellschaft, aber jeder einzelne Dschihadist ist ein Dschihadist zu viel und eine Sicherheitsbedrohung für uns. Die erneuten Angriffe auf Musliminnen bei uns sind erschreckend. Fremdenhass und Rassismus dürfen hier keinen Platz haben.

"Krone": Herr Außenminister, die Welt ist aus den Fugen. Wir sind von Kriegen umzingelt. Ist unsere Sicherheit bedroht?
Kurz: Wir erleben zurzeit mehrere Krisenherde gleichzeitig, und alle haben direkte Auswirkungen auch auf Österreich. Zur Ukraine: Russland hat hier eindeutig das Völkerrecht verletzt, dadurch, dass es nicht nur die Separatisten unterstützt, sondern auch russische Soldaten auf ukrainischem Gebiet im Einsatz sind. Das ist etwas, was Europa nicht einfach wegstecken kann. Europa reagiert Gott sei Dank nicht militärisch, sonst wäre die Entwicklung noch viel dramatischer, sondern es reagiert mit Sanktionen, die dann wiederum Gegensanktionen auslösen, die auch unmittelbare Auswirkung auf uns haben. Kritiker halten dieses Mitmachen an Sanktionen für unvereinbar mit unserer Neutralität. Österreich ist der militärischen Neutralität verpflichtet. Neutral zu sein heißt nicht, inaktiv zu sein oder nicht erkennen zu wollen, dass das Völkerrecht verletzt wird. Neutral zu sein heißt, Dialogkanäle zu öffnen oder im humanitären Bereich tätig zu werden. Wir dürfen aber nicht glauben, dass humanitäre Hilfe allein ausreicht.

"Krone": Ihr Vorschlag, dass sich die Ukraine einen neutralen Status geben soll, hat in Kiews Führung wenig Freunde gefunden.
Kurz: Das Liebäugeln mit der NATO ist keine Lösung und bringt uns gar nicht weiter.

"Krone": Es könnte an Österreich die Bitte herangetragen werden, einen Waffenstillstand in der Ukraine durch Teilnahme an einer Überwachungstruppe abzusichern. Sollten wir dazu bereit sein, vorausgesetzt, der Verteidigungsminister erhielte dazu eine Geldspende?
Kurz: Wir sind schon jetzt mit OSZE-Experten in der Ukraine beteiligt. Wenn es möglich sein sollte, einen weiteren Beitrag für einen allfälligen Waffenstillstand zu leisten, würden wir das in der Bundesregierung beraten. Wir sind an diesem Konflikt so nah dran, näher als an anderen Konflikten. Dieser Krisenherd hat eine unmittelbare Auswirkung auf unsere Wirtschaft, aber auch eine Auswirkung durch die Gefahr von Flüchtlingsströmen, so dass wir da ein enormes Interesse haben müssen, einen aktiven Beitrag zur Beilegung dieses Konflikts zu leisten, damit er eine friedliche Lösung findet.

"Krone": Weiter weg, aber doch so nah ist der grauenhafte Mordfeldzug des Kalifen-Staates.
Kurz: Ich bin kritisiert worden, weil ich nichts gegen Waffenlieferungen an die Kurden eingewandt habe. Wir Österreicher dürfen nicht naiv sein. Es bedarf nicht nur humanitärer Hilfe, sondern es braucht auch Unterstützung für Kräfte, die sich dem Terror entgegenstellen.

"Krone": Im Nahen Osten haben wir den dritten Gaza-Krieg innerhalb eines Jahrzehnts erlebt, und auch dieser hat keine Lösung. Die Hoffnung, dass die 1,8 Millionen Menschen im Gazastreifen von der Größe Wiens das Hamas-Regime abschütteln, hat sich nicht erfüllt. Was kann man auch von verzweifelten Menschen erwarten, die in einer Art Freiluftkäfig eingesperrt sind?
Kurz: Darum ist es entscheidend, dass es eine Lösung für die Situation der Menschen dort gibt. Deren Lebensverhältnisse führen zu einer ständigen Radikalisierung. Wir wissen doch, was es bedeutet, wenn eine Menge junger Leute auf engem Raum zusammengepfercht ist: ein Pulverfass.

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