"Nicht ausgereift"

Koalition bekommt Demokratiepaket zurückgeknallt

Österreich
16.08.2013 08:12
Das geplante Demokratiepaket zur Aufwertung von Volksbegehren hat in der am Donnerstag zu Ende gegangenen Begutachtung umfangreiche Kritik geerntet. Die Präsidentschaftskanzlei bemängelt etwa, das System sei "nicht ausgereift". Auch der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt plädiert für eine "gründliche Überarbeitung". Beschlossen wird das Paket vor der Wahl nicht mehr - das haben SPÖ und ÖVP zu verstehen gegeben.

Der Verfassungsausschuss des Nationalrates hatte die Begutachtung in die Wege geleitet. Bundespräsident Heinz Fischer und der frühere VfGH-Präsident Karl Korinek hatten diesen Schritt öffentlich eingefordert. Der Verfassungsgerichtshof beklagt, dass die Pläne "sowohl in inhaltlicher als auch in legistischer bzw. sprachlicher Hinsicht einer grundlegenden Überarbeitung bedürfen".

Präsidentschaft: Volksinitiative könnte missbraucht werden
Laut Präsidentschaftskanzlei wirft das System, das im Entwurf vorgeschlagen wird, eine Vielzahl von "durchaus berechtigten" Fragen auf, die im Interesse der Rechtssicherheit nicht der Vollziehung überlassen werden dürften. Gewarnt wird ebenfalls davor, dass die Volksinitiative leicht in die Hände kleiner, aber finanziell durchschlagskräftiger Gruppen gelangen und "dass wirkungsstarke Parolen sich gegenüber rationalen Überlegungen" durchsetzen könnten.

Auch der Verwaltungsgerichtshof regte in seiner Stellungnahme an, die Einführung des neuen Instruments "gründlich zu überdenken". Dabei sei zu berücksichtigen, dass "mächtige Medien und auch das schiere Gold" beträchtlichen Einfluss auf die Stimmungslage der Menschen ausüben können. Sollte der Nationalrat ein "besonders qualifiziertes Volksbegehren" einführen, dann müssten die Sicherungen ausgebaut werden, so der VwGH weiter. Initiativen zu einer Änderung der Bundesverfassung oder gar zu ihrer Gesamtänderung sollten nicht zulässig sein.

Auch Verfassungsdienst im Kanzleramt skeptisch
Eine "gründliche" Überarbeitung sowohl in inhaltlicher als auch legistischer Hinsicht forderte auch der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt. Zwar sei die Volksbefragung im Gegensatz zur Volksabstimmung nicht verbindlich, der Verfassungsdienst verweist jedoch auf Themen mit großer Tragweite, über die sich parlamentarische Mehrheiten aus politischen Gründen nicht hinwegsetzen können.

Der Rechnungshof bemängelte die "lückenhafte Darstellung" der finanziellen Auswirkungen. Weder finde sich im Entwurf die Höhe der insgesamt entstehenden Mehrkosten, noch eine Klarstellung darüber, auf welcher Basis Kostenannahmen festgesetzt wurden.

Industrie: "Probates Mittel" mit Schönheitsfehlern
Die Industriellenvereinigung (IV) steht einer generellen Aufwertung des Volksbegehrens offen gegenüber. Der Vorschlag wird als "probates Mittel" gesehen, den Parlamentarismus zu stärken und die Bürger näher an politische Entscheidungsprozesse heranzuführen. Die IV ortet allerdings auch Probleme, etwa die Möglichkeit, dass Mehrheiten "in drastischer Weise" über Minderheiten entscheiden.

Darauf weist auch die Landwirtschaftskammer hin: Um zu verhindern, dass durch die Volksbefragung eine Minderheit über eine schweigende Mehrheit entscheidet, wäre es notwendig, eine Mindestbeteiligungsschranke einzuführen. Nur damit wäre eine demokratische Legitimierung sichergestellt. Weiters sei dafür zu sorgen, dass die elektronische Unterstützung zu keinem Missbrauch führt.

Koalition will sich nicht unter Druck setzen lassen
SPÖ und ÖVP wollen die Diskussion über die Aufwertung von Volksbegehren ungeachtet der teils heftigen Kritik fortsetzen. Zeitlich wolle man sich nicht unter Druck setzen lassen, zumal die geplanten Änderungen erhebliche Auswirkungen hätten, teilte SPÖ-Klubchef Josef Cap (links im Bild) mit. Die Ergebnisse der Begutachtung wolle man sich "präzise, sorgfältig und ernsthaft" anschauen. Die Stellungnahmen seien zum Teil "im Detail oder grundsätzlich" sehr kritisch und sehr umfangreich. Darauf einzugehen werde sicher einige Zeit in Anspruch nehmen.

Die Stellungnahmen zum Demokratiepaket zeigten, dass die Begutachtung "wichtig und richtig" war, erklärte ÖVP-Klubchef Karlheinz Kopf (rechts). Jetzt gelte es, die Kommentare zu prüfen und die darin geäußerte Kritik "ernst zu nehmen": "Selbstverständlich stehen wir weiterhin hinter der Idee des Demokratiepakets und der Verstärkung der Möglichkeiten der Bevölkerung, aktiv und direkt an der Politik und der Gesetzwerdung mitzuwirken", hielt Kopf fest.

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