Gegen Wahlbeobachter

Kern: “Es geht jetzt um den Ruf unseres Landes!”

Österreich
02.07.2016 17:02

Auf deutliche Ablehnung stößt bei Experten der Vorschlag von Innenminister Wolfgang Sobotka, die Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl im Herbst unter Aufsicht internationaler Beobachter durchzuführen. Bundeskanzler Christian Kern teilt diese Skepsis und ist nach der höchstrichterlichen Hofburg-Entscheidung um Schadensbegrenzung bemüht.

Sobotka hatte in einer ersten Reaktion auf die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes angekündigt, dass er in Kooperation mit Außenminister Sebastian Kurz bei der OSZE um Wahlbeobachter für jene 14 Bezirke ansuchen werde, deren Fehler zur Aufhebung der Stichwahl geführt haben.

Experte zu Sobotka-Vorstoß: "Ziemliche Fehleinschätzung"
Peter Jankowitsch (82), ehemaliger Außenminister, Kabinettschef bei Bruno Kreisky, UNO-Diplomat und Europa-Staatssekretär, bezeichnet diese Idee im "Krone"-Gespräch als eine "ziemliche Fehleinschätzung". Dieses Instrument wäre für junge Demokratien in Osteuropa gedacht gewesen, erklärt Jankowitsch. Auch für Abstimmungen oder Wahlen in instabilen Regionen in Lateinamerika oder in Afrika hatten diese Missionen einen Sinn, so Jankowitsch, der vor einem Vierteljahrhundert selbst als  Wahlbeobachter unter anderem in Chile, Nicaragua oder in Namibia im Einsatz war.

Jankowitsch hält eine solche Aktion in Österreich nicht nur für unangebracht, sondern er sorgt sich auch um die "Reputation Österreichs, wenn dann etwa Beobachter aus Deutschland hier die Wahllokale stichprobenartig überprüfen".

Kern befürchtet falschen Eindruck von der Lage in Österreich
Ähnliche Bedenken äußerte gegenüber der "Krone" am Samstag auch Bundeskanzler Christian Kern. Er fürchte, dass im Ausland ein völlig falscher Eindruck von der Lage in Österreich entstehen könne. Er führe das ganze Wochenende Gespräche mit Staats- und Regierungschefs, in denen er klarmacht, dass für die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes, die Bundespräsidenten-Stichwahl erneut auszutragen, formale Fehler ausschlaggebend waren und es keine Hinweise auf Wahlmanipulationen gab. Kern, der sich bei einem Abendessen mit Konzernchefs am Freitag um einen europäischen Großauftrag für den Standort Österreich  bemühte, musste bei diesem Termin erhebliche Imagearbeit leisten.

Kern zur "Krone": "Es geht jetzt um den Ruf unseres Landes. Es sind Formfehler passiert. Aber es ist gut, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner Entscheidung und in seinen Empfehlungen so klar war. Auf diese formalen Aspekte werden wir reagieren. Wir werden die eigenen Ansprüche penibel umsetzen. Denn es geht jetzt um die Reputation der Republik Österreich in der Welt."

Wie notwendig das ist, beweist auch der gestern weiter fortgesetzte Spott in den internationalen Medien, wo von "Spaltung" und "Schlag gegen die Regierungskoalition" die Rede ist.

Kommentar von Claus Pándi: Unter Beobachtung
Man stelle sich vor, es gingen Bilder durch die Weltpresse, wie internationale Beobachter bei der nun notwendig gewordenen Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl im Herbst etwa in Gänserndorf, Hermagor oder Innsbruck-Land die Wahllokale inspizieren. Also Szenen wie aus Albanien, Nicaragua oder Chile.

Solche Fotos wären ein Albtraum. Ein Desaster für das Ansehen Österreichs.

Seit dem Brexit bemühen sich Außenminister Sebastian Kurz und Finanzminister Hans Jörg Schelling darum, dass wichtige europäische Institutionen von London nach Wien übersiedeln. Aber welche Organisation, welcher Konzern will sich schon in einem Staat niederlassen, der sich nicht einmal ordentliche Wahlen ohne ausländische Aufsicht zutraut?

Der eher nach einem spontanen Einfall wirkende Vorschlag, OSZE-Wahlbeobachter nach Österreich zu holen, mag von Innenminister Wolfgang Sobotka in bester Absicht gekommen sein. Dem derzeit  nicht eben grandiosen Renommee Österreichs ist diese Idee allerdings wenig dienlich.

Die Republik ist durch Schlamperei in eine missliche Lage geraten. Und Bundeskanzler Christian Kern steht damit vor seiner ersten, ungewöhnlich großen Bewährungsprobe. Nach dem unmittelbar bevorstehenden Abgang von Bundespräsident Heinz Fischer steht Kern de facto alleine an der Spitze. Das ist für Kern eine enorme Chance. Jetzt hat er die Möglichkeit, jenes Profil zu gewinnen, das er für die eher bald ins Haus stehenden Nationalratswahlen (gegen die FPÖ) brauchen wird.

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