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Katia Wagner: Wer hat Angst vorm blauen Mann?

Österreich
19.07.2017 11:55

"Weil's um was geht", nennt sich die spendenfinanzierte neue Anti-FPÖ-Plattform, die in der Vorwoche in Wien präsentiert wurde. "Gegen Kleingeist und Engstirnigkeit", lautet der Verkaufsslogan. Neben den Namen der Initiatoren Hans Peter Haselsteiner und Brigitte Ederer findet sich auch der von Kanzler-Gattin Eveline Steinberger-Kern.

Prompt meldete sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aus dem Urlaub auf Ibiza zu Wort: "Das alles ist ein schlechtes Theaterstück des Kanzlers und der SPÖ. Die SPÖ wird sich nie für eine Koalition mit der FPÖ öffnen." Und schon ist das Theaterstück rund um die Romanze zwischen SPÖ und FPÖ um einen Akt reicher.

Es waren die Länder, die begannen, nach und nach das rigorose Nein der Bundes-SPÖ zu einer Zusammenarbeit mit der FPÖ infrage zu stellen, bis 2015 Hans Niessl im Burgenland den Bann zumindest auf Länderebene als Erster brach und eine Koalition mit der FPÖ unter Johann Tschürtz einging. Die parteiinterne Aufregung war groß, die Sozialistische Jugend unter der Schirmherrschaft von Julia Herr wetterte: Macht könne nie alles legitimieren.

Und dann kam Christian Kern. Kurz nach seiner Angelobung im Mai 2016 bekräftigte er noch - ähnlich wie seinerzeit Werner Faymann bei seinem Amtsantritt -, dass die FPÖ kein potenzieller Koalitionspartner auf Bundesebene sei.

Höhepunkt in unserem Theaterstück war 2017 das Koalitions- und Regierungsende. Kern drohte daraufhin in Richtung des neuen Parteiobmanns der ÖVP, Sebastian Kurz, dass Neuwahlen das Ende einer rot-schwarzen Koalition "für eine sehr lange Zeit" bedeuten würden. Eine eigenverschuldete Pattstellung.

Um sich aus dieser misslichen Situation zu befreien, präsentierte man eilig den sogenannten Kriterienkatalog mit Bekenntnissen zu Grundsatzfragen der SPÖ. Ferner gibt es einen Zusatzkatalog, der wesentliche Bestandteile des "Plan A" wiederholt.

Und jetzt wird es kompliziert: Ein potenzieller Koalitionspartner müsse bei sechs der sieben Punkte des Zusatzkatalogs zustimmen. Sollte dieser Partner die FPÖ sein, müsse anschließend zusätzlich dazu eine Urabstimmung unter den SPÖ-Mitgliedern erfolgen, um den Beschluss des Bundesparteitags aus dem Jahr 2004 aufzuheben. Ziemlich viel Aufwand und Bürokratie als Antwort auf die Frage "SPÖ/FPÖ - ja oder nein?".

Dass ein solches "Theater", wie es Strache mittlerweile nennt, notwendig ist, um eine einfache Frage zu beantworten, zeigt nur viel zu deutlich die missliche Lage der SPÖ, sollte sie denn überhaupt in die Verlegenheit kommen, mit der Regierungsbildung beauftragt zu werden. Koaliert man mit den Schwarzen/Türkisen, verliert man nach den offenen Anfeindungen der vergangenen Wochen an Glaubwürdigkeit bei der Wählerschaft (Stichwort: Vollholler). Entscheidet man sich für Blau, hat Christian Kern sowohl parteiintern, aber aufgrund des Anti-FPÖ-Engagements seiner Frau auch familienintern, einigen Erklärungsbedarf.

Was bei dem Liebesdrama à la Shakespeares "Der Widerspenstigen Zähmung" vergessen wird, ist, dass letztendlich die Entscheidung nicht bei Christian Kern, nicht bei seiner Frau, nicht bei den SPÖ-Mitgliedern, sondern alleine beim Wähler liegt. Und dieser Wähler verdient nach den Jahren des mühseligen Regierungs-Hickhacks Klarheit und Stabilität.

Trotz umständlichen Kriterienkatalogs und mehrmaliger Urabstimmungsandrohung weiß bis heute kein Wähler, ob Rot-Blau nun ernsthaft in Betracht gezogen wird. Und die Moral von der Geschicht: Will er oder will er nicht?

Katia Wagner

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