krone.at-Faktencheck

Kann Präsident Regierung tatsächlich entlassen?

Österreich
28.11.2016 06:57

"Unter meiner Präsidentschaft wäre es niemals so weit gekommen", hat FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer bezüglich der Flüchtlingskrise am Sonntag im TV-Duell mit Alexander Van der Bellen auf ATV betont. Daraufhin stellte der Ex-Grünen-Chef die Frage: "Wenn ein Bundespräsident Hofer die Regierung entlässt, was haben wir dann?" Und er beantwortete die Frage gleich selbst: "Dann haben wir eine Staatskrise." Aber darf der Bundespräsident tatsächlich so einfach die Bundesregierung entlassen? krone.at liefert an dieser Stelle den Faktencheck.

Die Macht des Bundespräsidenten wird in der Bundesverfassung festgelegt. Zur Beantwortung der oben gestellten Frage geben die Artikel 70 und 71 der Bundesverfassung den entsprechenden rechtlichen Rahmen vor.

  • Ernennung der Bundesregierung: Nach Artikel 70 unserer Bundesverfassung ernennt der Präsident den Kanzler und dessen Minister - theoretisch auch ein Expertenkabinett ohne (Partei-)Politiker, weil er formal an nichts und niemanden gebunden ist. Genauso können Hofer oder Van der Bellen die Regierung jederzeit entlassen.
  • Wofür der Präsident einen Regierungsvorschlag benötigt: Für fast alle anderen Handlungen benötigt der Präsident - das steht in Artikel 67 - Regierungsvorschläge. So auch zum Beispiel für die Abberufung einzelner Minister - ein Aussuchen der Regierung geht also nicht. Wollen Hofer oder Van der Bellen Neuwahlen erzwingen, müssten sie die aktuelle Regierung hinauswerfen und schnell irgendwelche Nachfolger ernennen. Notfalls sind das Mitarbeiter ihres Büros. Die Bildung einer solchen Übergangsregierung ist in Artikel 71 geregelt. Als Verbündete könnte die provisorische Regierung nach wenigen Stunden eine Parlamentsauflösung vorschlagen. Allerdings wäre der Nationalrat ebenso flott bemüht, die so ernannte Übergangsregierung abzuberufen. Der Rechtswissenschaftler Manfried Welan schreibt, dass der Präsident Vertrauensregeln mit Parlament und Regierung braucht. Die wechselweise Kontrolle darf kein Prinzip des Misstrauens sein. Dann fehlt das politische Miteinander - und Österreich wird unregierbar.

Welche weiteren Kompetenzen hat das Staatsoberhaupt?

  • Verfassungsmäßigkeit der Gesetze: Der Präsident beurkundet Beschlüsse des Parlaments. Artikel 47 der Verfassung meint, dass er das korrekte Zustandekommen prüft, etwa ob Fristen eingehalten wurden. Verfassungsrechtler sind einig, dass die persönliche Meinung egal sein soll. Es ist unerheblich, ob Hofer bzw. Van der Bellen ein Steuer- , Schulunterrichts- oder Verkehrsgesetz inhaltlich gefällt. Unterschreibt der Bundespräsident dennoch nach politischem Gutdünken nicht, kann ihn keiner zwingen. Nicht gezeichnete Gesetze treten nicht in Kraft. Weil sie das Zusammenleben ordnen - von der Zahl der Schulstunden bis zu den Verkehrsregeln -, führt das zur Blockade des politischen Systems. Ohne gesetzliche Deckung darf der Staat weder Steuern einnehmen noch beispielsweise Sozialleistungen auszahlen.
  • Notverordnungsrechte: Diese hat der Bundespräsident laut Artikel 18 - wenn sich das Parlament nicht treffen kann - "zur Abwehr eines offenkundigen, nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Allgemeinheit". Von Naturkatastrophen oder Atomunfällen bis zu Unruhen oder Krieg ist es möglich, bisher kam es jedoch nie zur Anwendung. Freilich muss der später wieder tagende Nationalrat die Verordnungen entweder bestätigen oder sofort aufheben. Der Bundespräsident hat dabei nichts mehr zu sagen.
  • Höchstgerichtsurteile und deren Ausführung: Unterschätzt wird die hinten in der Verfassung (Artikel 146) stehende Aufgabe des Bundespräsidenten, Urteile des Höchstgerichts zu exekutieren. Das geschichtliche Beispiel dazu: Der Verfassungsgerichtshof entschied 2001, dass in Kärnten zweisprachige Ortstafeln aufzustellen sind - was nicht gemacht wurde. Streng genommen hätte der Bundespräsident es mit Hilfe des Bundesheeres tun können. Die Idee dahinter ist logisch: Die Verfassungsrichter widerrufen oft Akte einer Bundes- , Landes- oder Gemeinderegierung. Wenn sich Minister, Landesräte oder Bürgermeister weigern, das Gerichtsurteil umzusetzen, wer außer dem Präsidenten sollte das tun? Der Gerichtshof hat keine Soldaten.
  • Apropos Bundesheer: Mit der Verfassungsänderung 1929 ging in Artikel 80 der Oberbefehl auf den Präsidenten über. Großteils ist das symbolisch. Denn dem Wehrgesetz zufolge übt der Bundesminister für Landesverteidigung die operative Befehlsgewalt aus. Das heißt: Kein Präsident schickt Panzer aus der Kaserne ins Feld, beordert Grundwehrdiener an die Grenze oder zum Schneeschaufeln und verteilt das Militärbudget. Paraden und Vereidigungen wiederum sind keine Sicherheitspolitik.
  • Vertretung Österreichs im Ausland: Was bleibt, ist, dass der Präsident Österreich im Ausland vertritt. Das bedeutet mehr als diplomatische Reisen. Er hat das im Verfassungsartikel 65 verbriefte Recht, Staatsverträge zu unterschreiben, zum Teil mit Zustimmung des Parlaments.

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