Im "Krone"-Interview

“Ich bügle meinem Mann schon lange kein Hemd mehr”

Österreich
07.03.2013 17:00
Kampf- oder Feiertag? Für die Frauenministerin ist der Weltfrauentag beides. Im Interview mit Conny Bischofberger spricht Gabriele Heinisch-Hosek über Geschlechterquoten, Hemdenbügeln und Machosprüche.

Ein magentafarbenes Transparent schmückt den Eingang zum Frauenministerium im fürstlichen Palais Dietrichstein am Wiener Minoritenplatz: "Internationaler Frauentag 8. März". Im Büro von Gabriele Heinisch-Hosek kleben rosa Post-its mit der Aufschrift "Das Leben ist viel zu kurz um Hemden zu bügeln" an den drei Meter hohen Flügeltüren. Auf ihrem Schreibtisch wacht ein roter Engel mit Piercing und Ohrring. Die Farbtupfer sind ihre Art, das barocke Ambiente zu bewohnen.

Die Frauenministerin trägt ein Glencheck-Kostüm, dazu antike Ohrringe und eine Goldkette mit Kreuz, die etwas zu eng sitzt. "Es ist ein Kinderkettchen", erklärt die 51-jährige Niederösterreicherin, die lange an einer Schwerhörigenschule unterrichtet hat, und streicht mit den Händen über das Schmuckstück. "Es hat unserem schwerstbehinderten Patenkind gehört. Seit André gestorben ist, begleitet es mich."

Weltfrauentag: Sind Frauen noch immer benachteiligt? Stimmen Sie ab (Voting in der Infobox).

Stichworte wie Frauenbewegung, Rollenklischees und Gleichstellung wecken die Kampfeslust in ihr und lassen den traurigen Moment im Nu verfliegen. Heinisch-Hosek kann aber auch lachen - sogar über einen sehr bösen Männerwitz...

"Krone": Letzten Sonntag wurde Kärnten rot, während Ihr Heimatbundesland tiefschwarz geblieben ist. Hat bei Ihnen die Freude oder die Enttäuschung überwogen?
Gabriele Heinisch-Hosek: Dass Kärnten errötet ist, macht mir als Niederösterreicherin wirklich große Freude. Und dass es ein bitterer Tag für die Sozialdemokratie in Niederösterreich war, gebe ich unumwunden zu.

"Krone": Sie sind ja deren Spitzenkandidatin. Soll man Ihnen für die kommenden Nationalratswahlen Beileid wünschen?
Heinisch-Hosek: Lieber alles Gute, viel Durchsetzungsvermögen und viel Kraft. Die Bundeswahlen bringen ja bekanntlich immer andere Ergebnisse, also nehmen wir einen neuen Anlauf und steigen voll aufs Gas.

"Krone": Wie verbringt eine Frauenministerin den Weltfrauentag?Heinisch-Hosek: Ich habe ab dem späten Nachmittag Open House. Ich möchte, dass die Frauen sich hier von Stockwerk zu Stockwerk bewegen, zu Ausstellungen und Diskussionen, und im Hof gibt es Tee und Kuchen.

"Krone": Sind auch Männer erlaubt?
Heinisch-Hosek: Wir laden keine Männer aus. Auch der Herr Sozialminister hat sich schon angekündigt.

"Krone": Gibt es Männer, die nicht so willkommen sind?
Heinisch-Hosek: Ja, die gibt es. Zum Beispiel manche Väterrechtler, die gepostet haben, das Frauenministerium sei ein KZ. So was ist sehr bedenklich. Ich glaube, ich habe bewiesen, dass ich in Obsorgefragen gemeinsam mit der Frau Justizministerin eine gute Lösung zustande gebracht habe. Auch mit meiner Väterkarenz-Kampagne habe ich Männer in meine Politik eingeschlossen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass es nur gemeinsam funktionieren kann.

"Krone": Frauenministerin seit 2008: Was hat sich - in einem Satz - für die Frauen in Österreich durch Sie schon zum Guten verändert?
Heinisch-Hosek: Die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen werden endlich thematisiert und wir ergreifen konkrete Maßnahmen dagegen. Unser Gehaltsrechner zeigt, wie wichtig das Thema ist. Dieses Tool haben bereits eine Million Menschen angeklickt - Frauen und Männer. Wer draufkommt, dass er zu wenig verdient, kann mit diesen Unterlagen zur Arbeiterkammer oder zu seinem Chef gehen.

"Krone": Aufgefallen sind Sie auch mit Ihren Forderungen, Po-Grapscher zu bestrafen, eine Kennzeichnung für retuschierte Modelfotos einzuführen und die Homo-Ehe zu erlauben. Sind das wirklich drängende Frauenprobleme?
Heinisch-Hosek: Das sind alles Themen, die für die Gesellschaft wichtig sind, jawohl. Frauen dürfen nicht begrapscht oder zu Objekten degradiert werden.

"Krone": Hilft es den Frauen, immer wieder auf ihre Opferrolle aufmerksam zu machen?
Heinisch-Hosek: Eine Gruppe von Frauen wird sich zu wehren wissen und die anderen sind wirkliche Opfer. Genau um die geht es mir. Es kann nicht sein, dass eine Frau, wie der Fall der Radfahrerin in Graz gezeigt hat, am Gesäß begrapscht wird, sich wehrt und dann kriegt dieser Typ einen Freispruch! Da sind für mich Grenzen überschritten.

"Krone": Sie haben sich auch leidenschaftlich an der Herrenwitz-Debatte beteiligt. Müssen Männer noch viel lernen?
Heinisch-Hosek: Ganz sicher! Das Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Österreich und auch in Deutschland ist noch immer vom Machismo geprägt. Bei manchen Machosprüchen erstarren viele Frauen und wissen im Moment gar nicht, was sie sagen sollen. Ich glaube, so weit darf es gar nicht mehr kommen. Deshalb wehre ich mich als Frauenministerin stellvertretend für alle Frauen.

"Krone": Die Frauenbewegung geht ja davon aus, dass Männer und Frauen grundsätzlich die gleichen Aufgaben übernehmen können und sollen. Sie auch?
Heinisch-Hosek: Ja. Männer können Windeln wechseln, Babynahrung wärmen, sie können kochen und sie können bügeln - nur Kinder kriegen können sie nicht. Deshalb ist es höchste Zeit, dass nicht nur im Job, sondern auch zu Hause gleiche Verhältnisse herrschen.

"Krone": Bügeln Sie Ihrem Mann nie ein Hemd?
Heinisch-Hosek:(lacht) Bei uns ist es so, dass er die gesamte Wäsche macht. Ich bügle meinem Mann deshalb schon lange kein Hemd mehr. Zuletzt hab' ich das gemacht, als ich noch im Nationalrat war, da hatte ich noch mehr Zeit.

"Krone": Männer können also selber bügeln und Frauen können auf der andern Seite auch Machtpositionen ausüben. Nehmen wir die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Macht sie irgendetwas anders oder besser, als ein Mann es machen würde?
Heinisch-Hosek: Ich glaube, der Führungsstil hängt nicht nur vom Geschlecht ab, sondern wie jemand persönlich mit der Macht umgeht. Das kann teamorientiert geschehen oder auf autoritäre Art und Weise. Ein Mann kann teamorientiert Macht ausüben, so wie eine Frau es autoritär machen kann. Erst wenn sich die Zuordnungen, die über Jahrtausende gewachsen sind - Frauen sind sensibel, empathisch und bescheiden, Männer hingegen zerstörerisch und aggressiv - auflösen, werden unsere Kinder - Mädchen und Buben - in einer gleichgestellten Umgebung aufwachsen können.

"Krone": Laut neuer AK-Studie ist diese Gleichstellung noch lange nicht erreicht. Würde eine Geschlechterquote das ändern können?
Heinisch-Hosek: In 200 Unternehmen beträgt der Anteil an Chefinnen gerade mal 5,6 Prozent. Deshalb bin ich eine Verfechterin einer gesetzlichen Quotenregelung. In den staatsnahen Betrieben sind wir damit schon auf über 30 Prozent Frauen gekommen. Es werden übrigens immer die besten genommen, und nicht Quotenfrauen.

"Krone": Es gibt das Gegenargument, dass Frauen Führungspositionen auch oft ablehnen bzw. ablehnen müssen. Lassen Sie das gelten?
Heinisch-Hosek: Wenn eine Frau die Führungsposition nicht will, dann ist das ihr gutes Recht. Aber oft werden Frauen auch einfach nicht eingeladen. Es wird ihnen zu wenig das Gefühl vermittelt: Du kannst das genauso!

"Krone": Es gibt sie also noch, die viel zitierte gläserne Decke?
Heinisch-Hosek: Die gläserne Decke ist sehr dick und zum Teil aus Beton. Wenn es um Machtpositionen geht, dann halten die Männer zusammen und fördern lieber ihresgleichen als gute Frauen. Männerseilschaften sind ein gewachsenes, historisch bedingtes Instrument.

"Krone": Wundern Sie sich auch manchmal über das Selbstbewusstsein mancher Männer?
Heinisch-Hosek: Allert machen es sich Frauen nicht. Die sind gut vorbereitet und haben auch inhaltlich meistens mehr zu sagen.

"Krone": Eine der prägendsten Figuren der österreichischen Frauenbewegung war Johanna Dohnal. Welche Erinnerung haben Sie an sie?
Heinisch-Hosek: Für uns Jüngere war sie eine, auf deren starken Schultern wir stehen durften. Auf ihrer Vehemenz und Konsequenz konnten wir aufbauen.

"Krone": "Ich gebe zu, man zerplatzt manchmal", sagte Dohnal über das zähe Vorankommen in der Gleichstellung von Mann und Frau. Geht's Ihnen fast 20 Jahre später genauso?
Heinisch-Hosek: Ja, manchmal könnte ich platzen. Aber es ist auch sehr viel weitergegangen. Die Situation in der Koalition ist halt sehr herausfordernd... Man muss mindestens drei Punkte fordern, um wenigstens einen durchzubringen.

"Krone": Welches frauenpolitische Zeugnis stellen Sie der ÖVP aus?
Heinisch-Hosek: Ich glaube, dass die Gesellschaft und die Menschen sehr viel weiter sind als die Partei mit ihren Anschauungen und Ideologien.

"Krone": Gibt es eigentlich Männer, die den starren Blick kriegen, wenn sie Ihnen auf der Straße begegnen?
Heinisch-Hosek: Eigentlich nicht. Männer sagen mir oft: "Du machst das gut!" Ich denke, sie spüren, dass ich etwas weiterbringen möchte für die Frauen, aber nicht auf Kosten der Männer.

"Krone": Sind Sie eine Emanze?
Heinisch-Hosek: Ja. Ich bin eine Emanze, eine emanzipierte Frau, eine Feministin. Für das, wofür ich kämpfe, sind mir alle Ausdrücke recht.

"Krone": Kennen Sie einen lustigen Männerwitz?
Heinisch-Hosek: Nein, ich vergesse sie leider immer. Und Frauenwitze werden mir erst gar keine mehr erzählt.

"Krone": Wie gefällt Ihnen dieser: "Was macht eine Frau, wenn ihr Mann beim Erdäpfelholen die Kellertreppe hinunterstürzt und sich das Genick bricht? Nudeln!"
Heinisch-Hosek:(lacht laut und herzlich) Wahrscheinlich ist es ethisch bedenklich, wenn man das lustig findet. Aber im ersten Moment musste ich lachen. (kurze Nachdenkpause) Ich wünsche trotzdem keinem Mann, dass er sich wegen uns das Genick bricht.

"Krone": Ist der liebe Gott männlich oder weiblich?
Heinisch-Hosek: Der liebe Gott ist für mich eine Lichtgestalt. Er kann also beides sein. Auf jeden Fall ist er nicht automatisch ein Mann.

Gabriele Heinisch-Hosek
Geboren am 16. Dezember 1961 in Guntramsdorf. Nach der Matura lässt sich Gabriele Hosek zur Hauptschulpädagogin (Deutsch und Bildnerische Erziehung) ausbilden. 17 Jahre arbeitet sie mit hörbehinderten Kindern. 1990 geht sie in die Politik: erst als SP-Gemeinderätin in ihrer Heimatgemeinde, dann ist sie von 2004 bis 2008 Frauensprecherin der SP-Parlamentsfraktion, acht Monate lang auch niederösterreichische Landesrätin. Ministerin für Frauen und öffentlichen Dienst seit 2008, Frauenvorsitzende der SPÖ seit 2009. Verheiratet mit Walter Heinisch, keine Kinder.

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