Aus "eigenen Reihen"

Harsche Kritik am Abzug Österreichs vom Golan

Österreich
08.06.2013 13:13
Seit der Ankündigung, dass Österreich seine Soldaten vom Golan abziehen wird, ist man darum bemüht, einen Nachfolger für den größten Truppensteller in der Region zu finden. Russlands Beteiligungsangebot wurde bereits abgelehnt - und auch wenn jetzt noch kein Ersatz gefunden wurde, steht nach der Sitzung des UN-Sicherheitsrates am Freitagabend jedenfalls fest, dass die Mission fortgeführt wird. In Anbetracht des raschen Abzugplans der Österreicher hagelt es nun allerdings massenhaft Kritik - vor allem aus den "eigenen Reihen".

Der frühere Verteidigungsminister und jetzige Tiroler Landeshauptmann Günther Platter meldete sich am Samstag in der "Tiroler Tageszeitung" zu Wort und erklärte, er sei für eine "Prüfung des Truppenabzugs im Sinne der Solidarität und der Staatengemeinschaft". Platter forderte Verteidigungsminister Gerald Klug zudem auf, den Beschluss noch einmal "genauestens zu prüfen". "Selbstverständlich geht die Sicherheit der Soldaten vor, aber nur aus einem Bauchgefühl heraus zu entscheiden, ist falsch", wird Platter zitiert.

Offiziere: "Österreich ließ heiße Kartoffel fallen"
Mit Bedauern verfolgt auch die Interessensgemeinschaft der Berufsoffiziere (IGBO) die Entwicklung der UN-Mission auf den Golanhöhen. Aus Sicht der IGBO haben weder die Diplomaten der UN noch Österreichs die Entwicklung rechtzeitig erkannt und ernst genommen. Offensichtlich war man auch im Ministerium mit anderen Dingen so beschäftigt, dass man den Entwicklungen rund um die Golanhöhen nicht besser zu beurteilen und die Politik entsprechend zu beraten vermochte, hieß es in einer Aussendung am Samstag.

"Nunmehr wird vor den Augen der österreichischen Soldaten zwischen Rebellen und der Armee in Syrien gekämpft und dies als nicht mehr zu verantwortende Gefährdung für unsere Soldatinnen und Soldaten angesehen. Statt rechtzeitig eine Änderung des Mandates durch die UNO zu erwirken und entsprechende Alternativen für Ausrüstung und Versorgung der Truppen am Golan zu erwirken, reagiert man nun, wie man es mit einer heißen Kartoffel macht: Man lässt sie einfach fallen. Das bringt Österreich weder Ansehen noch Vertrauen ein, wie die diplomatisch höflich formulierten Reaktionen aus anderen Mitgliedstaaten der UN bereits deutlich signalisieren", so die IGBO.

Experte: Abzugsentscheidung "nicht nachvollziehbar"
Als "bedauerlich" und "nicht nachvollziehbar" hatte am Freitag auch schon der Militärexperte und frühere Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik im Verteidigungsministerium, Erich Reiter, Österreichs Entscheidung bezeichnet. "Österreich verzichtet damit auf den einzigen maßgeblichen Beitrag, den es zur Mitwirkung am Weltfrieden leistet", kritisierte Reiter. "Das zeigt, wie hohl die österreichische Sicherheitspolitik ist - sobald es gefährlich wird, ziehen wir ab", konstatierte Reiter harsch. Aus militärisch-strategischer Sicht sei der Schritt "nicht notwendig" gewesen. Denn es sei nicht davon auszugehen, dass UNO-Soldaten direkt angegriffen würden, auch wenn sie von Kampfhandlungen betroffen sein könnten, so der Präsident des Internationalen Instituts für Liberale Politik.

Wenn die internationale Friedensarbeit letztlich danach beurteilt werde, ob die Situation gefährlich werden könne und nicht, ob sie notwendig sei, zeige dies die "unrealistische Einstellung zur Aufgabe der Soldaten in Österreich". Hierzulande seien Soldaten nämlich "nicht dazu da, im Krieg zu sein, sondern um nach dem Hochwasser den Schlamm wegzuräumen", kritisierte Reiter. "Die Aufgabe von Soldaten ist immer gefährlich."

Ban Ki Moon und Israel zerknirscht
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon bedauerte die Entscheidung, wie berichtet bezeichnete eine Sprecherin Österreich als "Rückgrat" der Mission auf den Golan-Höhen. Auch Israel hatte mit Bedauern reagiert. "Wir wissen den langjährigen Beitrag Österreichs und seine Verpflichtung zum Schutz des Friedens in Nahost zu schätzen. Gleichzeitig bedauern wir diese Entscheidung und hoffen, dass sie nicht zu einer weiteren Eskalation in der Region führen wird", so ein Sprecher des Außenministeriums in Jerusalem.

Informell zeigte sich die israelische Regierung verärgert über den Abzug. "Das sendet eine sehr problematische Botschaft an die israelische Öffentlichkeit", zitierte der britische "Guardian" einen hochrangigen Offiziellen.

Erneute Gefechte lösten Abzug aus
Österreich hatte nach der Eskalation am Donnerstag, wo es erstmals direkt am Grenzkontrollposten an der Waffenstillstandslinie zu heftigen Gefechten zwischen syrischen Rebellen und Regierungstruppen gekommen war, den Abzug seiner Blauhelm-Soldaten in den kommenden zwei bis vier Wochen angekündigt (siehe Infobox). Die ersten Soldaten sollen bereits am 11. Juni nach Hause kommen.

Bundeskanzler Werner Faymann, Vizekanzler Michael Spindelegger und Verteidigungsminister Gerald Klug hatten den Rückzug einhellig damit begründet, dass die Sicherheit für Österreichs Soldaten am Golan nicht mehr gewährleistet werden könne. Man sprach von einer "unkontrollierten und unmittelbaren Gefährdung", das Leben unserer Soldaten stehe an erster Stelle. Auch sämtliche Oppositionsparteien begrüßten den Abzug.

"UNO wird nicht mehr respektiert"
Spindelegger betonte am Samstag gegenüber "Ö1" erneut, dass der Abzugsplan gerechtfertig sei. Österreich habe Zwischenfällen zum Trotz 39 Jahre durchgehalten. Nun sei es allerdings so, dass Syrien die Pufferzone nicht mehr akzeptiere und diese als Kampfgebiet sehe - und wenn dadurch die Versorgungslinien der UNO unterbrochen würden, "dann kann ja niemand mehr diese Mission aufrechterhalten". Daher müsse die UNO prinzipiell überlegen, "ob unter solchen Bedingungen ein Einsatz noch möglich ist", meinte Spindelegger.

Die Kritik, der Abzug komme überraschend und überstürzt, will Spindelegger dabei ohnehin nicht gelten lassen. Er habe sowohl in Israel als auch bei der UNO "und auch allen meinen Kollegen in der Europäischen Union" angekündigt, es werde "sehr schwer für uns, am Golan zu bleiben", wenn das Waffenembargo der EU gegen Syrien falle, was mittlerweile passiert ist. "Also wer jetzt überrascht tut und sagt 'Österreich geht jetzt einfach', der kann das nicht ganz ernst meinen." Mit den bevorstehenden Nationalratswahlen habe das gar nichts zu tun: "Wir sind nach wie vor im Südlibanon, wo es genauso brenzlig ist - und werden dort auch bleiben."

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