Brexit-Reaktionen

FPÖ: “Migrationswahn” wurde von Briten bestraft

Österreich
24.06.2016 13:42

Die FPÖ feiert den beschlossenen Ausstieg der Briten aus der EU - als Sieg gegen einen "politischen Zentralismus, aber auch gegen den anhaltenden Migrationswahn". Parteichef Heinz-Christian Strache und EU-Parlamentarier Harald Vilimsky sprechen sich außerdem für einen Rückzug von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz aus. Diese stünden für die "fleischgewordene Fehlentwicklung in Europa".

Heinz-Christian Strache, Harald Vilimsky, FPÖ: "Mit etwas Anstand sowie auch Respekt vor einer guten Zukunft Europas sollen sich Juncker und Schulz sofort zurückziehen." Reformen könnten nur ohne Schulz und Juncker erfolgen. "Sollte jedoch die EU an ihrer Reformunwilligkeit weiter erlahmen und auch noch Länder wie die Türkei hereinholen, dann ist auch für Österreich eine Abstimmung über den weiteren Verbleib in der EU eine politische Zielerklärung." Die direkte Demokratie müsse wieder mehr Bedeutung in Europa erlangen.

"Wir haben Respekt vor der Entscheidung der Briten und wir verstehen dieses Mehrheitsvotum", so Vilimsky und Strache. Gefordert werden "eine massive Redimensionierung der europäischen Institutionen, eine umfassende Rückgabe von Entscheidungskompetenzen aus Brüssel an die Parlamente der Mitgliedsstaaten sowie auch die Sistierung von Schengen in dieser chaotischen internationalen Situation".

Eva Glawischnig, Grüne: "Die Entscheidung Großbritanniens für den EU-Austritt wird schwerwiegende Folgen für die Bürgerinnen und Bürger haben. Hoffnungen auf Überwindung der Wirtschaftskrise werden damit weniger. Die Möglichkeiten, wieder mehr Beschäftigung zu schaffen und Handlungsspielräume für eine Ökologisierung der Wirtschaft werden damit infrage gestellt. Ein Neuaufbruch für Europa wird neuerlich aufgeschoben. In der Flüchtlingspolitik setzen die Britinnen und Briten damit ein Zeichen für noch mehr Abschottung."

Bundeskanzler Christian Kern, SPÖ: "Das ist heute kein guter Tag für Großbritannien, für Europa, aber es ist auch kein guter Tag für unser Land." Europa werde durch den Brexit an Stellung und Bedeutung in der Welt verlieren. Ein einsetzender Dominoeffekt, sprich ein Referendum über einen möglichen EU-Austritt in Österreich oder auch in anderen Ländern, macht für Kern "keinen Sinn". Vielmehr müssten die Sorgen und Ängste der Bevölkerung zerstreut werden und es sei eine Frage des politischen Leaderships, "sich nicht zurückdrängen zu lassen und einfachen Reflexen nachzugeben. Das wäre die völlig falsche Einschätzung", so der Kanzler. Die Proeuropäer hätten sich bisher "viel zu defensiv" verhalten.

Die nachhaltigen Auswirkungen, insbesondere im Bereich der Wirtschaft, würden noch "geraume Zeit zu spüren" sein, so Kern. Es gehe nun aber darum, diese so gering wie möglich zu halten. Für Österreich seien keine großen wirtschaftlichen Folgen zu erwarten, aktuell beträgt der Anteil der Exporte nach Großbritannien fünf Prozent. Jedoch werde die EU als Gesamtes durch das britische Votum geschwächt.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, ÖVP: "Europa muss sich möglichst rasch neu aufstellen. Sowohl die EU-Institutionen als auch die Mitgliedsländer sind gefordert, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Union hat in der Vergangenheit gezeigt, dass sie aus Krisen gestärkt hervorgehen kann. Das ist auch jetzt notwendig." Derzeit zeige sich eine "tiefe Vertrauenskrise", so Mitterlehner. Die EU werde nicht mehr als Friedens- und Wohlstandsprojekt wahrgenommen, sondern als Summe von Krisen, Ängsten und Nationalismen.

Wirtschaftlich gesehen geht Mitterlehner davon aus, dass es eine Zeit lang Unruhe an den internationalen Finanzmärkten geben werde, gepaart mit währungspolitischen Auswirkungen. "Die Lage sollte sich aber mittelfristig wieder beruhigen." Schließlich werde es sich das Vereinigte Königreich bei einem Exportanteil von rund 50 Prozent in Richtung EU und umgekehrt nicht leisten können, sich vollkommen abzuschotten. "Trotz der aktuellen Belastung des Wirtschafts- und Investitionsklimas sollten die Konsequenzen daher mittelfristig beherrschbar sein", so Mitterlehner.

Alexander Van der Bellen, designierter Bundespräsident: "Europa darf nach der Entscheidung der Mehrheit des britischen Volkes, die zu respektieren ist, nicht zur Tagesordnung übergehen. Das Ergebnis muss von uns Europäern als Alarmruf verstanden werden. Die EU steht jetzt vor der größten Bewährungsprobe seit der Integration der ost- und mitteleuropäischen Staaten. Die Entscheidung für einen EU-Austritt ist für das Vereinigte Königreich eine Tragödie, der Zusammenhalt in Großbritannien steht auf der Kippe. Umso mehr sollten wir uns jetzt auf das besinnen, was Europa ausmacht. Europa wurde auf den Trümmern des Nationalismus aufgebaut und ist in den letzten 70 Jahren zu einem Raum des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands geworden. An diesem Projekt müssen wir jetzt weiter bauen", appelliert Van der Bellen.

"Europa ist mehr als Verträge, ist mehr als Bürokratie und Gipfelsitzungen. Europa ist unsere gemeinsame historische Leistung, nationale, politische und kulturellen Grenzen zu überwinden und an einer gemeinsamen Zukunft zu bauen. Europa, das sind wir alle. Nur ein gemeinsames, reformiertes Europa kann langfristig wirtschaftlich erfolgreich sein und sich als größte Friedensmacht in der Welt behaupten."

Heinz Fischer, scheidender Bundespräsident: "Das heute entschiedene Referendum Großbritanniens, aus der Europäischen Union auszutreten, ist ein geschichtsträchtiges Ereignis. Europa hält den Atem an, aber es ist auch ein Weckruf. Nicht für die, die sich gegen die EU stellen, sondern für jene, denen Europa am Herzen liegt. In der Welt von heute zählen keine Nationalismen, sondern eine enge Zusammenarbeit aller Länder Europas", so der scheidende Bundespräsident zum Brexit-Votum.

Einen Dominoeffekt befürchtet Fischer nicht: "Großbritannien hatte immer schon einen Sonderstatus in der EU und eine große Zahl an EU-Gegnern. Ich sehe in Österreich und auch in den anderen EU-Ländern keine Anzeichen, dass weitere Austritte bevorstehen könnten." Die Auswirkungen des Brexits auf Österreich stuft Fischer als bewältigbar ein: "Wir sind keine Hauptbetroffenen, auch wenn es natürlich ein Schock ist."

Außenminister Sebastian Kurz, ÖVP: Wenn eines der größten EU-Mitgliedsländer aus der EU austritt, könne "kein Stein auf dem anderen bleiben". Die Abstimmung der Briten sei "definitiv ein Erdbeben". Es sei nun notwendig, dass sich die EU schnell neu aufstelle, wenn sich ein solches Referendum nicht in einem anderen EU-Land wiederholen soll. Es werde sich sehr viel in der EU ändern müssen, Tempo und Ausmaß dieser Veränderungen müssten "enorm" sein. Die EU müsse ihre zentralen Probleme lösen, etwa das Thema Migration. "Ein Dominoeffekt auf andere Länder ist nicht auszuschließen", sagt Kurz, aber: "Die EU wird überleben."

Der Außenminister Kurz meldete sich auch via Facebook-Video aus dem Flugzeug zu Wort:

Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, SPÖ,sieht nach der britischen Entscheidung die Sicherheitspolitik der EU geschwächt. "Gerade die Streitkräfte des Vereinigten Königreichs haben eine hoch qualifizierte Expertise in die europäischen Sicherheitsstrukturen gebracht", erklärte er in einer Aussendung. Die EU dürfe nun "nicht zum 'Business as usual' zurückkehren", sondern "sich endlich ändern". Ansonsten bestehe die Gefahr, dass auch andere Länder die Union verlassen wollen - "das wäre äußerst schlecht".

Verkehrsminister Jörg Leichtfried, SPÖ: "Die EU muss aufhören, sich in Kleinklein zu verlieren, und die großen Fragen angehen. Wir brauchen eine Sozialunion, die den Kampf gegen Steuerflucht aufnimmt und für Gerechtigkeit sorgt." Die Entscheidung der britischen Bevölkerung sei zu respektieren, "auch wenn das Ergebnis sstellt auf die wesentlichen Themen: Wachstum, Arbeitsplätze für die Jungen, Steuergerechtigkeit und solide Sozialsysteme."

Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter, ÖVP, drängte darauf, die Entscheidung der Briten konsequent umzusetzen, und zwar innerhalb der Frist von zwei Jahren. Rupprechter bezeichnete die Entscheidung als "einigermaßen überraschend, einen Schock". Innerhalb der EU gehe es nun darum, die wirtschaftlichen Auswirkungen möglichst gering zu halten, und darum, das Friedensprojekt Europa zu stärken. "Dafür müssen wir Antworten auf die Migrationskrise und die Arbeitslosigkeit finden."

NEOS-Chef Matthias Strolz sprach von einer "bedauerlichen Entscheidung", warnte aber vor einer "Schockstarre" der EU: "Es muss jetzt möglichst rasch zu einer klaren Lösung zwischen Union und Großbritannien kommen." Der EU müsse nun reformiert werden, "und das rasch und entschlossen. Wir müssen einen grundlegenden Wandel einleiten."

Robert Lugar, Klubobmann des Team Stronach, sieht nun "das Tor zu einer Erneuerung der EU weit geöffnet". Die EU solle zu ihren Anfängen als Wirtschaftsgemeinschaft zurückkehren. Die politische Union dagegen sei "zum Scheitern verurteilt".

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