Sondersitzung

Emotionale Asyl-Debatte im Nationalrat

Österreich
01.09.2015 18:21
Im Nationalrat sind am Dienstag von der Regierung Initiativanträge zum Durchgriffsrecht des Bundes bei der Unterbringung von Flüchtlingen und zur strengeren Bekämpfung des Schlepperwesens eingebracht worden. Durchaus emotional verlief bei dieser Sondersitzung die Debatte über das Durchgriffsrecht. Die FPÖ warf der Bundesregierung "Versagen" in der Asylpolitik vor und forderte Grenzkontrollen. "Wir wollen Menschenleben schützen - und nicht Grenzen", entgegneten die Grünen.

Dass die Regierung die Unterbringungsproblematik mit einem Durchgriffsrecht des Bundes - siehe dazu auch das Video - und damit einer Entmachtung der Länder und Gemeinden lösen wolle, sei Anlass zur Sorge, bekräftigte FPÖ-Klubchef Heinz-Christian Strache seine Ablehnung. Einmal mehr forderte Strache eine Volksabstimmung zu dieser Frage. Die EU habe bei der Grenzsicherung "kläglich versagt", aber die Bundesregierung könne sich nicht nur auf die Union ausreden. Vorwürfe gegen seine Partei wies der blaue Klubchef zurück: "Es ist keine Panikmache, die Untätigkeit in dieser Frage zu verurteilen und anzuprangern", polterte er Richtung Regierungsbank.

"So zu tun, als wären alle, die kommen, ausschließlich Menschen im Sinne der Genfer Konvention, ist auch unredlich. Hier fehlt die notwendige Differenzierung und hier wird vermantscht", sagte Strache. Es sei dringend notwendig, gegen die "verbrecherischen Schlepperbanden" vorzugehen. Solange die EU-Außengrenzen nicht sicher seien, brauche es lückenlose Kontrollen an Österreichs Grenzen mithilfe eines Bundesheer-Assistenzeinsatzes, so Strache.

Lopatka bittet Bevölkerung: "Fürchten Sie sich nicht!"
"Ich will kein Österreich, das von einem Stacheldraht umgeben ist", entgegnete ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka dem blauen Frontmann, der sich zuletzt auch für die Errichtung von Grenzzäunen ausgesprochen hatte. "Schreckliche Wortmeldungen" in sozialen Netzwerken erinnerten ihn "an die dunkelste Zeit" des vergangenen Jahrhunderts, und auch bei Wahlkämpfen würden unnötige Wortmeldungen geäußert, kritisierte er. "Fürchten Sie sich nicht!", bat Lopatka die Bevölkerung eindringlich. Österreich habe solche Situationen schon öfter bewältigt.

Glawischnig von Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge begeistert
SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder forderte, die Dublin-Regeln neu aufzusetzen und legale Einreisemöglichkeiten für flüchtende Menschen in den Herkunftsregionen zu schaffen. Das will auch Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Die Welle der Hilfsbereitschaft, die am Montag die Züge voller Flüchtlinge durch Österreich begleitet hat, "ist etwas sehr Schönes", sagte sie. Die FPÖ hingegen wolle in Gemeinden sogar die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, also Kindern, verhindern, schoss auch sie sich auf die Blauen ein. "Wir wollen Menschenleben schützen - und nicht Grenzen."

Das Gesetz zum Durchgriffsrecht, das die Grünen mitverhandelt haben, sei eine "sehr gute Lösung", sagte Glawischnig. Es gehe jetzt aber auch um europäische Lösungen, im Gegensatz zu Aktionen wie etwa dem Stacheldrahtzaun in Ungarn an der Grenze zu Serbien. Stattdessen brauche es Solidarität aller Länder, und da würden die Grünen auch die Bundesregierung mit dem Vorschlag unterstützen, EU-Förderungen mit der Flüchtlingsverteilung zu verknüpfen, kündigte Glawischnig an.

Strolz fordert mehr Aktivität der Regierung
Auch die NEOS tragen das Gesetz mit, weil es rasche Lösungen für die Unterbringung von Asylwerbern brauche, wie Klubchef Matthias Strolz erklärte. Die Aufgabe laute nun, über Jahre mit solchen Flüchtlingsströmen umzugehen, und deshalb müsse die Regierung proaktiver handeln. Neben einem EU-Sondergipfel verlangte Strolz auch ein vehementes Auftreten des Bundeskanzlers auf europäischer Ebene. Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar sagte erneut, man müsse sich um das Problem vor Ort in den Krisengebieten kümmern. Es sei notwendig, Schutzzonen zu errichten.

Der zweite Initiativantrag, der am Dienstag auf den Weg gebracht wurde, betrifft das Schlepperwesen. Konkret geht es darum, Schlepper leichter in U-Haft nehmen zu können. Bisher galt ein dafür nötiger höherer Strafrahmen erst ab zehn geschleppten Personen. Dieser Wert wird nun auf drei reduziert. Erfüllt jemand diesen Tatbestand, kann gegen ihn eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren verhängt werden.

"Flüchtlings-Taskforce" erstmals mit Koordinator Konrad
Zum zweiten Mal tagte am Dienstag die neu ins Leben gerufene "Flüchtlings-Taskforce". Erstmals war auch der von der Regierung bestellte Flüchtlingskoordinator, Ex-Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad, anwesend. Gemeinsam mit Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner wurde die Asyl-Thematik im Parlament erörtert, wie es aus dem Kanzleramt hieß.

Ebenfalls anwesend waren Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Integrations- und Außenminister Sebastian Kurz sowie Verteidigungsminister Gerald Klug und Kanzleramtsminister Josef Ostermayer. Die von der Regierung vor zwei Wochen ins Leben gerufene Gruppe soll einmal wöchentlich das Thema Asyl auf Chefebene betreuen.

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