Klagen gegen ESM

Dörfler und Co. vor dem VfGH so gut wie chancenlos

Österreich
12.09.2012 13:28
Die Entscheidung der Verfassungsrichter in Deutschland hat den österreichischen Gegnern von Euro-Rettungsschirm und Fiskalpakt offenbar keinen Dämpfer versetzt. FPÖ und BZÖ wollen weiterhin vor den VfGH ziehen, die Kärntner FPK findet es jetzt "noch wichtiger", eine Klage einzubringen. Landeshauptmann Gerhard Dörfler ortet bei den deutschen Höchstrichtern gar "politische Motivation". Heimische Verfassungsrechtler geben den Klagen hingegen keine nennenswerten Chancen.

Dörflers Äußerung, die Karlsruher Höchstrichter hätten ihr Urteil politisch motiviert gefällt, war am Mittwoch im gesamten deutschen Sprachraum einzigartig. Der Bundesverfassungsgerichtshof genießt bei den deutschen Bürgern das höchste Vertrauen aller staatlichen Institutionen, seine Konstruktion gilt in Sachen Unabhängigkeit als internationales Vorbild. Die Kritik am Gericht beschränkte sich in deutschen Medien weitestgehend auf den Vorwurf, die Richter hätten mit früheren Entscheidungen den Klägern zu große Hoffnungen gemacht.

Dörfler sieht sich "auf alle Eventualitäten vorbereitet"
Der Kärntner Landeshauptmann erklärte am Mittwoch, es sei "jetzt noch wichtiger" geworden, "dass das von Kärnten aus bekämpft wird". Man werde auf jeden Fall eine Verfassungsklage gegen den Schutzschirm einbringen, denn "wir geben jetzt das Geld aus, das morgen den Menschen fehlen wird". Auf die Frage, ob die Kärntner Landesregierung bereits eine fertig formulierte Klage in der Schublade habe, die man nur noch herausziehen müsse, wenn das Gesetz in Österreich in Kraft getreten sei, sagte Dörfler: "Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet."

Jeder, der eine grundsätzliche Ahnung von der Finanzwirtschaft habe, müsse wissen, dass der ESM nicht funktionieren könne, so der Landeshauptmann. Für Dörfler sind offenbar nicht nur die südlichen Euro-Länder quasi bankrott, sondern auch Staaten wie Deutschland und Österreich, die in den ESM einzahlen: "Jene, die pleite sind, haften mit Milliarden für den Schutzschirm, der sie vor der Pleite retten soll, das kann nicht gehen", erklärte der FPK-Politiker. Bei der Causa handle es sich jedenfalls um ein "hochbrisantes Thema mit einem hohen Gefahrenpotenzial", deshalb werde man alles unternehmen, um das Gesetz zu Fall zu bringen.

Strache ortet "grundsätzliche Fehlkonstruktion"
Auch FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache kündigte am Mittwoch in einer Aussendung weiteren Widerstand gegen den ESM und den Fiskalpakt in Österreich an. Die Entscheidung in Deutschland sei "enttäuschend und bedauerlich, aber leider zu erwarten" gewesen. Dies werde die Freiheitlichen aber nicht daran hindern, ihren Widerstand gegen ESM und Fiskalpakt in Österreich "entschieden und nachdrücklich" fortzusetzen. Dass der Gerichtshof in Karlsruhe nun Vorbehalte formuliert habe, ändere nichts an der "grundsätzlichen Fehlkonstruktion", kritisiert die FPÖ. "Die Zustimmung geht klar am Willen der Bevölkerung vorbei, die den ESM weder in Deutschland noch in Österreich will", meint Strache.

"Das ist ein schwarzer Tag für Österreich und für ganz Europa", stellte BZÖ-Chef Josef Bucher fest. "Österreich bekommt damit eine Haftungsunion, die den Euro endgültig zur neuen EU-Lira - also einer instabilen Weichwährung - macht", kritisierte der Bündnisobmann. Diese Entwicklung sei "grundfalsch" und bedrohe stabile Volkswirtschaften in der Euro-Zone. Er forderte einmal mehr die Bildung einer Hartwährungszone der wirtschaftlich starken Länder. Nach dem Urteil des deutschen Verfassungsgerichts zugunsten des Euro-Rettungsschirms ESM dürfe man jetzt auch nicht mehr nur nach Vorbehalten suchen, ob die Entscheidung passe oder nicht.

Verfassungsjuristen geben Klagen kaum Chancen
Dass die beiden Rechtsparteien mit ihren angedrohten Klagen überhaupt Chancen haben, bezweifeln heimische Verfassungsexperten. Sowohl Theo Öhlinger als auch Heinz Mayer gingen am Mittwoch, nach Bekanntwerden des Karlsruher Urteils, davon aus, dass das Gesetz auch in Österreich hält.

In Österreich kann die Anfechtung anders als in Deutschland erst nach der Kundmachung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt erfolgen. Nachdem der Ratifizierungsprozess in Österreich bereits abgeschlossen ist, soll dies passieren, sobald der ESM in Kraft tritt. "Man muss erst sehen, welche Punkte angefochten werden", inhaltlich sei aber die Chance der Beschwerdeführer, dass der VfGH eine Verfassungswidrigkeit erkennt, "sehr gering", erklärte Öhlinger.

Aufhebung wäre juristischer Drahtseilakt
"Ich sehe Probleme, das gebe ich zu, aber keinen echten Widerspruch zur österreichischen Bundesverfassung." Öhlinger verwies auf die bereits erfolgte Verfassungsänderung: Die Mitwirkung des Parlaments wurde hier im Gegensatz zu Deutschland bereits festgeschrieben. Sollte der VfGH eine Verfassungswidrigkeit erkennen, müssten die Richter erklären, dass der völkerrechtliche Vertrag innerstaatlich nicht anwendbar ist - eine "schwierige, fast untragbare Situation", stellte Mayer fest, der keine verfassungsrechtlichen Bedenken beim ESM-Gesetz hegt.

"Ich gehe nicht davon aus, dass der VfGH den Vertrag kippt", so der Verfassungsrechtler. Er sieht auch keine Argumente, mit denen eine Anfechtung erfolgreich wäre: "Ich sehe keine Bedenken, die dazu führen, dass der VfGH ein Haar in der Suppe findet." Auf das Problem, wonach der völkerrechtliche Vertrag im Fall einer Verfassungswidrigkeit innerstaatlich nicht anzuwenden wäre, verwies auch Öhlinger. Die Gefahr, dass die Richter eine Verfassungswidrigkeit erkennen, sei daher "gering".

Regierung und Grünen-EU-Politikerin über Urteil erfreut
Die Regierung begrüßte das Urteil aus Karlsruhe am Mittwoch. Es handle sich um "einen wichtigen Schritt für die Stabilität des Euro und wesentlich für die Zukunft Europas", teilte Bundeskanzler Werner Faymann mit. Außenminister Michael Spindelegger erklärte, nun sei das "endgültige Startsignal für den Euro-Rettungsschirm" gegeben worden. Mit dem ESM signalisierten die Regierungen den "unbändigen Willen", die Euro-Zone zusammenzuhalten und solidarisch zu handeln, sagte Finanzministerin Maria Fekter.

Vonseiten der Grünen gab es am Mittwoch eine Aussendung der EU-Parlamentarierin Ulrike Lunacek. Sie begrüßte das Urteil, mit dem eine "entscheidende Blockade zur solidarischen Krisenbewältigung in der Union aus dem Weg geräumt" worden sei. Die Grünen hatten im Nationalrat bei der Ratifizierung der Verträge die Verfassungsmehrheit für ÖVP und SPÖ hergestellt, jedoch erklärt, mit FPÖ und BZÖ eine VfGH-Klage gegen den Fiskalpakt (nicht aber den ESM) erreichen zu wollen. Am Mittwoch gab es dazu vorerst keine Neuigkeiten. Der Budgetsprecher der Grünen, Bruno Rossmann, verschickte eine Einladung zu einer Pressekonferenz am Donnerstag, Betreff: "Rossmann zu ESM-Urteil und Bankenunion".

Fischer sieht gute Argumente für Verfassungsmäßigkeit
Bundespräsident Heinz Fischer meinte am Mittwoch, das Karlsruher Urteil zum ESM sei "wichtig" für Europa und die Rechtssicherheit. Er hob dabei hervor, dass es in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Rechtsauffassung ausgefallen sei und weder der ESM noch der Fiskalpakt einen "Verfassungsbruch darstellen würden". Auch in Österreich wurden Anfechtungen von ESM Fiskalpakt vor dem Verfassungsgerichtshof ebenfalls angekündigt, so Fischer. Es gebe aber gute Argumente für die Verfassungsmäßigkeit der von Regierung und Parlament getroffenen Entscheidungen, die Fischer als Gesetz unterzeichnete.

ESM tritt Anfang Oktober in Kraft
Wann der ESM tatsächlich in Kraft tritt, ist noch unklar. Euro-Gruppen-Chef Jean-Claude Juncker gab am Mittwoch den 8. Oktober vor. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble meinte, dass der ESM-Rettungsschirm "in wenigen Wochen" einsatzbereit sei.

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