Auf Wahlkampf-Tour

Der kleine und der große “Spindi” auf Stimmenfang

Österreich
31.08.2013 17:02
"Guten Tag, darf ich Ihnen bitte ein Geschenk geben?", fragt der adrett frisierte Knirps mit der Brille und drückt der verblüfften älteren Dame die Gummibärchen, die er gerade erst selbst geschenkt bekommen hat, in die Hand. Michael Spindelegger stellt seinen jungen Wahlhelfer vor: "Das ist der Matthias, mein Assistent. Mein Sohn unterstützt mich nämlich ein bisschen." Die "Krone" begleitete den Vizekanzler und seinen Sohn einen Tag im Wahlkampf.

Von der Umsetzungsstärke des kleinen "Spindi" könnten sich der große und sein roter Regierungspartner einiges abschauen: Letztes Jahr noch kündigte er an: "Ich möchte Politiker werden!" Heuer ist er es schon. Zumindest eine ganze Ferienwoche lang durfte der 13-Jährige Praktikant beim Papa sein.

Gleich zu Beginn dunkelblaues Sakko angeschafft
Den Termin-Marathon drückte der Junior durch wie Gleichaltrige die fünftausendste Bagger-Wette bei "Wetten, dass..?!". Gleich zu Beginn musste ein dunkelblaues Sakko angeschafft werden. Denn ein Jungpolitiker in Jeans und Sportschuhen – okay. Aber im T-Shirt? Das wäre nicht ganz angemessen, befand der Junior, nachdem er seinen neuen Kabinettskollegen im Außenministerium gegenübertrat.

Luftballons und Kugelschreiber, Bürgergespräche, Amtsgeschäfte und Medientermine. Beim Hintergrundgespräch mit dem Präsidenten der Industriellenvereinigung, Georg Kapsch, haben ihm Mitarbeiter ein Katzentischerl im Eck des dunkel getäfelten Sitzungssaals gerichtet. Es geht um den "abgesandelten Wirtschaftsstandort Österreich". Ob eine derart drastische Ausdrucksweise von Christoph Leitl angemessen gewesen sei, wird gefragt.

"Er erklärt mir, was ich besser machen kann"
"Thisi", wie ihn der Papa nennt, hat nach dem Gespräch eine Antwort: "Das ist gut so, gell Papa? Jetzt reden wenigstens alle über Wirtschaft. Bei Politik geht es ja auch um Taktik. Oder?" Der Kleine kennt sich aus wie ein Großer. Auch für die Kabinettsmitarbeiter oder den Papa hat er den einen oder anderen Rat parat. Der Vizekanzler erzählte unlängst: "Ich hab schon am Frühstückstisch einen motivierten 13-Jährigen sitzen, der mir erklärt, was ich alles besser machen kann."

Der Filius besucht allerdings keine private Eliteschule, sondern ein öffentliches Gymnasium. Wenngleich er in der Mödlinger Keimgasse an einem Schulversuch teilnimmt, bei dem eine Klasse übersprungen wird. Darum kommt er heuer schon in die Fünfte statt erst in die Vierte. Die Schulstunden ziehen sich dafür bis in den frühen Abend. Ob ihm dies nichts macht? Formeln statt Fußball? Wo die Lehrer sich beim Dienstrecht ja schon bei zwei Stunden mehr in den Klassen zieren? Nein, meint Spindelegger jun.: "Das geht schon. Sonst würden wir mit dem Stoff ja nicht durchkommen."

Zweiter Sohn gerät eher nach der Mama
Sein drei Jahre jüngerer Bruder, Patrick, ist nicht mit von der Polit-Partie. Er gerät vom Naturell her eher nach der Mama. Die 46-jährige Margit Spindelegger hat's auch nicht so mit der Öffentlichkeit. Seit 21 Jahren ist sie mit dem um sieben Jahre älteren ÖVP-Chef verheiratet, nachdem sie einander zwei Jahre zuvor zufällig bei einem Abend im Wiener Konzerthaus kennengelernt hatten.

Frau Spindelegger arbeitet beim österreichischen Rechnungshof. Dort prüft sie EU-Gelder. Bis zur Geburt der beiden Söhne war sie sogar beim Europäischen Rechnungshof in Luxemburg in Topposition. Diese Karriere musste sie aber zugunsten der Familie aufgeben. Im "Nebenjob" ist Frau Spindelegger Familienvorstand daheim in der Hinterbrühl. Sie führt die Buben zum Fußballtraining, kontrolliert Hausaufgaben, kümmert sich um den Haushalt und schafft es einmal wöchentlich auch noch zum Chorsingen.

"Schaffe das Halbe-Halbe nicht mehr wie früher"
Immer Dienstagabend, da ist dann Männerabend – so der Vizekanzler zu Hause ist. Der 53-Jährige gibt sich zerknirscht: "Leider schaffe ich das Halbe-Halbe nicht mehr so wie früher." Obwohl: Die Frühschicht zu Hause schiebt immer noch er. Aufstehen, anziehen, Frühstück. Ah ja, und Elternsprechtage in derselben Schule, die auch er seinerzeit besuchte. Damals als Klassenkollege von Ronnie Leitgeb, mit dem er heute noch befreundet ist.

"Da stell ich mich dann an wie alle anderen und höre, was meine Schlingel so treiben." Neulich bekam der Vizekanzler ein "Sehr gut". Der Größere hatte nämlich seine Hausarbeit für den Werkunterricht verschwitzt: einen Gabelstapler mit Fernsteuerung. So musste der Senior Sonntagabend ran: "Da bin ich dann gesessen mit der Laubsäge."

"Vergessen S' mir die Bauern nicht!"
"Jö, jetzt seh ich Sie mal persönlich", freut sich eine Passantin, während die Verkäuferin im Krawattengeschäft fleht: "Vergessen S' ma bitte die Bauern nicht! Wir haben selbst einen Hof. Und ohne den Job hier würden wir nicht durchkommen." Ein anderer nimmt den Vizekanzler zur Seite, weil er sich Sorgen um seine Mietwohnung macht. "Oje, das dauert jetzt länger", sieht der Sohn mit Kennerblick und lacht: "Das merkt man schon, wie jemand Luft holt."

Keine einfache Zeit, der Wahlkampf. Kein Vorankommen im Innenstadt-Getümmel während des "Krone"-Termins. Obwohl den ÖVP-Chef wundert, was die Leute so alles von ihm wissen wollen: Warum er den Ehering links trage (Antwort: Weil er rechts nicht passt), wie alt er ist (Antwort: 53. Geboren am 21. Dezember 1959 in Mödling) und warum er die Haare jetzt länger trägt. Wie er diese atemlosen XXL-Tage denn so aushält? "Ich geb dir meine Energie!", albert der Sohn und umarmt ihn.

Der Vater lacht und erzählt vom Fitnesstraining bei John Harris einmal wöchentlich. Manchmal Bergtouren, selten Tennis. Für die Fitness reicht's. Oben-ohne-Fotos könnte er sich locker leisten. Aber bitte nicht schon wieder! Lassen wir das. Urlaub war heuer knapp: tageweise am Mondsee. Immer mit seinen drei Handys (Blackberry, iPhone und so ein klappriges Klein-Ding für SMS, die noch auf die alte Nummer kommen).

"Spindi 2.0" nahezu entfesselt
"Spindi 2.0" wirkt bis in die Haarspitzen motiviert. Er will Kanzler werden. Lockerer als früher, man möchte fast sagen "entfesselt". Er spricht auch nicht mehr so abgehackt. Das Ergebnis eines Coachings? Nein, sagt der Vizekanzler: "Das ist die gute Stimmung. Diesen Schwung nehme ich mit." Den Wahlkampf findet er gar nicht zahnlos: keine neuen Steuern, keine neuen Schulden! Standortsicherung für Unternehmen: "Denn das entscheidet, ob jemand einen Job hat oder nicht."

Was es mit dem Gerücht auf sich habe, dass er sich gerne Fekters Finanzministerium grapschen würde? "Ha, Papa! Hab ich's dir doch gesagt, dass die Frage kommt! Der Papa will nämlich wirklich das Ressort wechseln." Der pariert die Situation, schwärmt von seinem Team, "mit dem ich sicher auch in die nächste Regierung gehen werde". Der Wechsel beziehe sich lediglich vom Vize auf den Kanzler. Wählerwillen vorausgesetzt.

Doch darin sieht Michael Spindelegger kein gröberes Problem. Auch nicht in den Griechenland-Hilfen, die derzeit den deutschen Wahlkampf beleben und auch hier langsam für Unmut sorgen. "Griechenland!", seufzt der Sohn. "Sehen wir es positiv", sagt der Vater: "Dort geht schon was voran." Mehr stünde derzeit nicht zur Debatte.

"Das hat der Papa gut gemeistert"
Schnell umziehen und zum Benefiz-Tennismatch. Im Doppel mit dem halb so alten ÖVP-Jungstar Sebastian Kurz, seit Dienstag 27. Und danach noch mit seinem Sohn, der immer noch keine Anzeichen von Ermüdung zeigt. "Das hat der Papa gut gemeistert", lobt der Kleine den Großen. Seine Stimme ist ihm am 29. September auf jeden Fall sicher. Matthias Spindelegger kann sie allerdings leider nur auf einen bunten Zettel kritzeln und in einen Schuhkarton werfen. Er ist ja erst 13.

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