Kritik an 'Dr. Stöger'

Ärzte stellen der Politik die “Rute ins Fenster”

Österreich
05.12.2012 15:24
Die Ärztekammer hat den Krampustag am Mittwoch zum Anlass genommen, der Politik "die Rute ins Fenster zu stellen": Bei einem groß angelegten Informationstag wurde durch Verteilen von Info-Material weiter versucht, gegen die geplante Gesundheitsreform zu mobilisieren. Dabei kamen teilweise auch recht drastische Mittel zum Einsatz: Ein Flyer, der auch auf der Website der Ärztekammer Salzburg zu sehen ist, zeigt Gesundheitsminister Alois Stöger mit einer Kettensäge bei einem Krankenbett, wie er sich mit den Worten "Schon mal was von 'Heilung durch Aderlass' gehört?" an den Patienten wendet.

Dieses abschreckende Motiv ist aber nur eines von vielen, die die Österreicher vor den drohenden Einsparungen und Leistungskürzungen warnen sollen. Unter anderem gibt es auch Karikaturen, die einen Bewaffneten - wohl ebenfalls Stöger - zeigen, der einen Überfall auf das Gesundheitssystem verübt, oder einen angeleinten Arzt, der vor einem Not-OP sitzt, in dem gerade "Dr. Stöger" am Werk ist und den Patienten offenbar verbluten lässt (siehe Bild 2).

Flyer mit Karikaturen dieser Art wurden vor allem in Salzburg verteilt, doch auch in Wien (siehe Video in der Infobox), Oberösterreich, der Steiermark und dem Burgenland bekamen die Menschen auf öffentlichen Plätzen Flugzettel und Broschüren. In Tirol, Vorarlberg und Kärnten erhielten nur die Patienten in den Ordinationen von den Ärzten das Info-Material in die Hand gedrückt.

Außerdem hat die Ärztekammer ein Informationsvideo zusammengestellt, in dem genau erklärt wird, welche Auswirkungen die Gesundheitsreform auf die Patienten und die Ärzte haben werde.

Ärztekammer zog positive Bilanz über Aktionstag
Die Ärztekammer zog am Nachmittag eine aus ihrer Sicht positive Zwischenbilanz des Aktionstages. Allein in der Steiermark hätten die Ärzte in Ordinationen und Spitälern sowie an öffentlichen Plätzen etwa 100.000 Menschen erreicht, so ein Sprecher der Standesvertretung. In den Gesprächen mit Passanten und Patienten habe sich ein geringer Informationsstand der Bevölkerung über die geplante Reform gezeigt.

Niederösterreichs Ärzte boykottierten den Protest
Einzig die niederösterreichische Ärzekammer hatte sich nicht am bundesweiten Aktionstag beteiligt. "Wir halten die Vorgangsweise der ÖÄK für nicht geeignet, die Interessen der Ärzteschaft in dieser Angelegenheit zu vertreten", meinte Christoph Reisner, Präsident der Ärztekammer NÖ, in einer Stellungnahme. Der ÖÄK sei es aus seiner Sicht bisher nicht gelungen, die "Anliegen der Ärztinnen und Ärzte glaubhaft so in der Öffentlichkeit zu präsentieren, dass sie ernst genommen werden und damit in die Konzeption einfließen".

"Die Strategie, sich in der Argumentation auf angebliche Patienteninteressen zu beziehen, war in der Öffentlichkeit nicht glaubhaft. Geblieben ist, dass die Ärzteschaft ihre eigenen Ziele verfolgt und dass sich Ärzteinteressen und Patienteninteressen nie gleichen können. Doch mit diesem Ansatz kommt man in der Gesundheitspolitik nicht weiter", argumentierte Reisner. Die Ärzekammer sollte seiner Auffassung nach einen Weg einschlagen, "der für alle sichtbar deutlich macht, dass Ärzteinteressen und Patienteninteressen identisch sind".

Kampagne in Wien deutlich verschärft
In Wien hingegen hatte die Ärztekammer ihre Kampagne sogar noch ausgeweitet und am Mittwoch auch noch Inserate in Tageszeitungen (siehe weitere Bilder) geschalten. In Form von Suchbildrätseln wurde darin mit Vorher-Nachher-Bildern behauptet, dass es nach der Reform vieles in den Bereichen Diagnose, Therapie, Pflege und Versorgung nicht mehr geben werde. Konkret wurde etwa ein Verschwinden des Wiener AKH, das Einsparen von Rettungsautos, von Röntgengeräten oder von Infusionen suggeriert.

Der Vizepräsident der Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart, hatte bei einer Verteilaktion in Wien die Maßnahmen verteidigt. Dass die genannten Beispiele zu drastisch sind, findet er nicht. Da die Versorgung durch die Reform gefährdet werde, seien diese Formulierungen zulässig. Um gehört zu werden, seien deutliche Signale und eine plakative Darstellung nötig.

Auch dass die Ärzte nur ihre eigenen Interessen und nicht jene der Patienten vertreten, hatte Steinhart zurückgewiesen. Die Verteidigung einer guten Gesundheitsversorgung sei auch im Interesse der Patienten, ebenso die Forderung nach 1.000 zusätzlichen Kassenstellen. Den Boykott der niederösterreichischen Ärzte bedauerte Steinhart. Eine Spaltung der Ärztekammer kann der Vizepräsident deshalb aber nicht erkennen. Er führte die Nichtbeteiligung eher auf kammerpolitische Probleme zurück. Die Ärzte seien zudem immer schon ein individualistischer Berufsstand gewesen.

Kein Kopfzerbrechen wegen Kritik - Gespräche mit Politik
Auch die praktisch von allen Seiten auf die Ärztekammer einprasselnde Kritik nahm der Vizepräsident "gelassen entgegen". Er erwarte keine emotionale Verstimmung, sondern Gespräche, meinte Steinhart.

Und Gespräche mit der Politik hat es am Mittwoch auch bereits gegeben. Nach Angaben Steinharts wurde die Spitze der Ärztekammer von Vizekanzler Michael Spindelegger und Finanzministerin Maria Fekter sowie von Staatssekretär Josef Ostermayer zu Unterredungen empfangen. Steinhart ging zwar nicht auf den Inhalt der Gespräche ein, er habe aber "eine gewisse Hoffnung", dass man auf die Argumente der Ärzte hört.

Ordinationsschließungen stehen immer noch im Raum
In der nächsten Woche droht allerdings schon eine weitere Verschärfung der Gangart. Am 13. und 14. Dezember hält die Ärztekammer ihren Kammertag und ihre ordentliche Vollversammlung ab. Dabei soll über weitere Protestmaßnahmen entschieden werden, nachdem bei der außerordentlichen Vollversammlung vor rund zwei Wochen noch kein Beschluss gefasst worden war. Zur Diskussion stehen nach wie vor Ordinationsschließungen am 16. Jänner sowie Großdemonstrationen und Kundgebungen im Jänner und Februar.

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