Wegen Familienfehde

“Zeugin” erfand Raubüberfall: Mann freigesprochen

Österreich
17.02.2015 14:14
Ein 30-Jähriger, dem ein bewaffneter Raubüberfall auf eine Bäckerei in Wien-Favoriten vorgeworfen worden war, ist am Dienstag im Straflandesgericht rechtskräftig freigesprochen worden. Dabei betonte Richterin Petra Poschalko, der Freispruch erfolge nicht im Zweifel. Das Gericht sei vielmehr überzeugt, dass der Mann zu Unrecht belastet worden sei.

Die angeblich überfallene Geschäftsfrau habe im Zeugenstand "höchst unglaubwürdig gewirkt", stellte die Vorsitzende des dreiköpfigen Schöffensenats fest. "Es war für uns klar, dass sie gelogen hat", sagte Poschalko.

Selbst Staatsanwältin Susanne Schneider hatte am Ende des Beweisverfahrens in ihrem Schlusswort ausdrücklich einen Freispruch verlangt und sich damit von der Anklage distanziert. Die Staatsanwältin ersuchte außerdem um eine Protokollabschrift, um die Belastungszeugin wegen Verleumdung und falscher Zeugenaussage verfolgen zu können. Auf Basis derer Angaben war der bisher unbescholtene 30-Jährige nicht weniger als sechs Wochen in U-Haft gesessen. "Wir werden auf jeden Fall Haftentschädigung geltend machen", kündigte Verteidiger Martin Dohnal nach der Verhandlung an.

Familiendrama als Hintergrund
Hinter der Geschichte dürfte eine Familienfehde stehen, die den Verteidiger an das Shakespeare-Drama um Romeo und Julia erinnerte. Der 30-Jährige stammt aus Bangladesh und ist mit einer Frau liiert, bei der es sich um die Tochter eines ranghohen Vertreters der Bengalen in Wien handeln soll. Der Schwiegervater soll verlangt haben, dass das junge Paar im Sinne der traditionellen Regeln weiter bei ihm im Familienverband wohnen bleibt und ihm auch sämtliche beruflichen Einkünfte abführt. "Der Schwiegersohn wollte das nicht. Er wollte seine eigene kleine Familie haben und hat sich eine eigene Wohnung gesucht", erklärte Dohnal. Infolgedessen kam es zum Bruch mit dem in der bengalischen Community einflussreichen Schwiegervater.

Die Geschäftsfrau, die den 30-Jährigen des schweren Raubes bezichtigt hatte, ist seit Längerem mit dessen Schwiegervater befreundet. Die 37 Jahre alte Frau hatte sogar die Ehe zwischen der Tochter dieses Mannes und dem Angeklagten vermittelt, der in der Vergangenheit immer wieder bei ihr einkaufen war und ihr von daher bekannt war.

"Ich brauch' Geld! Gib mir Geld!"
Wortreich schilderte sie nun im Zeugenstand, wie der 30-Jährige sie am 27. November 2014 ausgeraubt habe. Er sei in ihr Geschäft gekommen und habe "Ich brauch' Geld! Gib mir Geld!" gerufen. Dabei habe er ein Taschenmesser gezückt und gedroht, damit ihr in der Bäckerei anwesendes Kind zu schneiden. Aus der Kassenlade habe der 30-Jährige zunächst 185 Euro entnommen, dann noch einen Safe geöffnet und sich weitere 2.000 Euro angeeignet, nachdem er einige Gegenstände - darunter einen Kühlschrank - beschädigt bzw. zerstört gehabt habe.

Der 30-Jährige war noch am selben Tag festgenommen worden. Die Polizei erreichte ihn an seinem Arbeitsplatz, einer Pizzeria, und bat ihn, aufs Kommissariat zu kommen. Dort klickten dann die Handschellen. Obwohl der Vater eines damals erst vier Monate alten Mädchens versicherte, schuldlos zu sein, wanderte er in U-Haft.

Der vermeintliche Räuber betonte in seinen ersten Einvernahmen, er sei im Tatzeitraum zu Hause gewesen und habe auf die kleine Tochter aufgepasst. Aber erst das Einlangen eines DNA-Gutachtens führte dazu, dass der Pizzeria-Angestellte am 7. Jänner enthaftet wurde. Die Expertise ergab, dass sich am Griff des Safes, der geleert worden sein soll, eine männliche Abriebspur fand, die zweifelsfrei nicht mit den genetischen Merkmalen des Verdächtigen übereinstimmte. Richterin Poschalko, die den Akt auf ihren Schreibtisch bekommen und das Gutachten auch wiederholt urgiert hatte, ordnete unverzüglich die Enthaftung des Mannes an.

Vermeintliche Zeugin blieb stur
Selbst als Poschalko nun die Belastungszeugin mit den Ergebnissen der DNA-Untersuchung konfrontierte und sie darauf hinwies, dass der Angeklagte im Fall eines Schuldspruchs eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und 15 Jahren zu gewärtigen habe, hielt diese ihre bisherigen Angaben aufrecht: "Ich habe nie ein falsches Wort gesagt." Der Mann habe Handschuhe getragen, behauptete sie. "Das haben Sie bisher aber noch nie gesagt", gab die Richterin zu bedenken. "Die Polizei hat mich nicht danach gefragt", erwiderte die Zeugin.

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