Antrag hinfällig

Wiener Wahlrecht: SPÖ trickst Grüne aus

Österreich
27.03.2015 09:08
Vor der entscheidenden Landtagssitzung zum Wiener Wahlrecht hat die SPÖ ihren grünen Koalitionspartner mit einem personellen Schachzug mattgesetzt. Wie die Wiener Sozialdemokraten am Freitagmorgen bekannt gaben, wechselt Grün-Mandatar Senol Akkilic zur SPÖ. Damit verlieren die Grünen die Möglichkeit, gemeinsam mit der ÖVP im Wiener Landtag einen Antrag zur Änderung des Wahlrechts einzubringen. Die "Krone" war vor Ort und hat live berichtet. Stadtchef Michael Häupl bot den Grünen dennoch die Wiederaufnahme der Gespräche zum Wahlrecht an - nach einer "Cool-down-Phase".

Durch den Wechsel von Akkilic haben die Grünen selbst mit Beteiligung der ÖVP keine Mehrheit im Wiener Landtag. Nun haben die Roten 50 von 100 Stimmen und können die Wahlrechtsreform doch noch verhindern. Die vorgesehene Änderung der Geschäftsordnung und der damit verbundene Antrag der Grünen auf eine Reparatur des Wiener Wahlrechts sind nicht mehr möglich.

Das Pressegespräch im Live-Überblick:

  • 8.32 Uhr: Das Pressegespräch ist beendet. SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler zeigt sich "außerordentlich erfreut" über den Wechsel von Akkilic: "Das ist ein Freudentag für uns. Ich verstehe zwar nicht, dass die Grünen auf seine Expertise und Erfahrung verzichten können, freue mich aber umso mehr, mit Senol Akkilic einen absoluten Integrationsexperten für uns gewonnen zu haben."
  • 8.23 Uhr: Senol Akkilic, der seit 1994 bei den Grünen war, verschafft mit seinem Wechsel zur Wiener SPÖ, der ihm übrigens auch einen fixen Listenplatz bei der nächsten Landtagswahl einbringt, den Sozialdemokraten einen Sieg im Streit um das Wiener Wahlrecht.
  • 8.19 Uhr: Dem Antrag der Grünen werden zudem keine Chancen eingeräumt, da die SPÖ mit 50 Abgeordneten dagegen stimmen wird. Bei einer derartigen Pattstellung wird der Antrag abgelehnt. Die Gefahr eines Koalitionsbruch sehen die Abgeordneten dabei nicht.
  • 8.15 Uhr: Zum Einstieg wird betont, wie gut man mit dem Koalitionspartner zusammenarbeite. Akkilic erklärt, er wird dem Antrag der Grünen auf einen Änderung des Wahlrechts nicht zustimmen. Er hoffe, dass man den Antrag gar nicht erst einbringen werde.
  • 8.11 Uhr: Der Wiener Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler, SP-Landtagsabgeordnete Tanja Wehsely und der türkischstämmige Grüne Senol Akkilic betreten das Podium.

In einer Aussendung begründete Akkilic seinen Wechsel wie folgt: "Durch die SPÖ habe ich die Möglichkeit erhalten, die so wichtige Integrationsarbeit fortzuführen und weiter für jene Menschen zu arbeiten, die neu in diese Stadt kommen." Er betonte aber auch, dass ihm die Vorgehensweise der Grünen zur Änderung der Geschäftsordnung bei seiner Entscheidungsfindung geholfen habe: "Ich kann nicht mitvollziehen, dass es keine gemeinsamen Spielregeln mehr im Landtag und Gemeinderat geben soll, nur weil es beim Wahlrecht keine Einigung gibt. Es ist für mich ein elementarer demokratischer Grundsatz, dass alle den Regeln zustimmen, nach denen Politik gemacht wird. Da die Grünen diesen Grundsatz verlassen, muss ich mich von den Grünen trennen."

Häupl bietet Grünen neue Gespräche an
Häupl bot den Grünen dennoch die Wiederaufnahme der Gespräche zu einer Reform des Wahlrechts an. "Schauen wir, dass wir einen Kompromiss erzielen." Er hoffe auf eine "Cool-down-Phase" in den kommenden Tagen, danach könne man erneut über eine Änderung des mehrheitsfördernden Wahlrechts reden.

Den Wechsel des Grün-Mandatars kommentierte Häupl knapp: "Es ist, wie es ist." Ob nun das Klima in der Koalition massiv beeinträchtigt sei? "Das war schon belastet genug", verwies der SPÖ-Chef auf die von den Grünen begehrte Änderung der Geschäftsordnung, mit der die Wahlrechtsreform durchgebracht hätte werden sollen. Zusatz: "Die Grünen haben geglaubt, wir lassen uns das einfach so gefallen."

SP-Landesparteisekretär Niedermühlbichler erklärte dazu: "Die Grünen wollten einen Tabubruch begehen: Die SPÖ hat immer, auch zu Zeiten der absoluten Mehrheit, darauf geachtet, dass die Spielregeln, also die Geschäftsordnung, von allen Parteien gemeinsam beschlossen werden. Das war stets unausgesprochener demokratiepolitischer Konsens."

FPÖ: "Posten-Feilscherei wie am türkischen Basar"
Durch den Wechsel von Akkilic zur SPÖ entstehe nicht nur eine schiefe Optik sondern auch der Verdacht, dass die Roten und die Grünen ihre Koalitionsverhandlungen bereits jetzt abgeschlossen haben, kritisierte der freitheitliche Klubobmann im Rathaus, Johann Gudenus, das Vorgehen des grünen Mandatars: "Herr Akkilic, Ihr Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen kommt einem Feilschen, wie man es von türkischen Basaren kennt, gleich. Schämen Sie sich."

Grüne: "Tiefste Stunde des Wiener Landtages"
Die Grünen teilten mit, dass sie den überraschenden Überlauf von Akkilic zur Kenntnis nehmen würden. Diesen Schritt müsse er "mit seinem Gewissen ausmachen", hieß es in einer Mitteilung vom Klubobmann der Wiener Grünen, David Ellensohn: "Heute erleben wir die tiefste Stunde des Wiener Landtages. Wir werden Zeugen des zweifelhaften Demokratieverständnisses der SPÖ. Sie darf ihre alten Privilegien weiterhin behalten, weil es heute kein neues, faires Wahlrecht für Wien geben wird." Die Grünen erklärten weiter, sie würden ihre Anträge auf Änderung der Geschäftsordnung und für ein neues, faires Wahlrecht wie angekündigt einbringen.

NEOS: "Schmierentheater und schwerer Schaden"
Beate Meinl-Reisinger, Spitzenkandidatin von NEOS Wien, zeigte sich über den politischen Stil der Wiener Stadtregierung enttäuscht: "Nach diesem Schmierentheater brauchen sich Häupl und Vassilakou überhaupt nicht mehr wundern, wenn sich noch mehr Menschen von der Politik abwenden und in Resignation verfallen. Das ist traurig und ein schwerer Schaden für die Wiener Stadtpolitik."

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