"Krone" embedded

Wie Van der Bellen gegen böse Gerüchte anwandert

Österreich
06.08.2016 08:00

Vor dem dritten Durchgang der Bundespräsidentenwahl marschierte Alexander Van der Bellen für den Medientross gegen die bösen Gerüchte durch seine Tiroler Bergheimat. Die "Krone" war embedded.

Dem Staatsorgan "Wiener Zeitung" war die Bergtour des Präsidentschaftskandidaten ein Foto auf der Titelseite wert. Unter der Schlagzeile "Wanderbellen" spendierte ein Gratisboulevardblatt dem Ausflug in die Ötztaler Alpen eine üppig bebilderte Story. Das Großbürgerblatt "Die Presse" schenkte der Almshow des Hofburgbewerbers mit aristokratischem Hintergrund prominent platzierte 149 Zeilen.

Hingegen versenkte "Der Standard" den alpinen Wahlkampfwiederholungsauftakt des ehemaligen Grünen-Chefs als kleinen Bildtext weiter hinten im Blatt. Dafür klotzte die "Kleine Zeitung" mit einer doppelseitigen Reportage über eine "beinahe sentimentale Wanderung durch Tirols Bergwelt".

Zwei ORF-Teams für rustikale Wahlshow
Und der ORF war zum rustikalen Politikevent im Kaunertal gleich mit zwei Kamerateams aufgekreuzt - einmal für das Landesstudio Tirol, einmal für die "Zeit im Bild" vom Küniglberg in Wien entsandt.

Werbetechnisch ein voller Erfolg für Van der Bellens Kampagnentrupp. Das Ziel: die sich seit Monaten hartnäckig haltenden Gerüchte über Gesundheitsprobleme des 72-Jährigen zu zerstreuen, wurde erreicht. Immerhin kann sich der Mann auf 2000 Metern Seehöhe eine Chesterfield reinziehen, ohne danach ins Schnaufen zu kommen. Das können nicht einmal viele Nichtraucher von sich behaupten.

"Wir hatten damals nichts"
Dazu gibt es die mehr oder weniger subtile Geschichte vom glücklichen Flüchtling, der 1944 in Wien zur Welt kam, nachdem seine Eltern 1941 aus Estland ausgewandert waren, bei Bedarf auch heute noch Kaunertalerisch spricht und für den Medientross perfekt abgestimmte Sachen sagt wie: "Ich, das Flüchtlingskind, habe hier in den Tiroler Bergen eine Heimat geschenkt bekommen." Um das Klischee abzurunden, werden noch Erzählungen wie "wir hatten damals nichts" oder "die Mama musste für ein paar Zwetschken stundenlang in einen anderen Ort gehen" nachgeliefert. Sätze, die in vielen Familien von den milde gewordenen Großeltern zu hören sind.

Später dann, als junger Erwachsener, musste Alexander Van der Bellen dennoch immer den inneren Drang gespürt haben, irgendwo und irgendwie dazugehören zu müssen. Kurze Zeit nur bei den Freimaurern (beliebt bei allen Verschwörungstheoretikern), bei der SPÖ, schließlich bei den Grünen. Was er da suchte, kann er selbst nicht schlüssig beantworten.

Aber "jedermann erfindet sich früher oder später eine Geschichte, die er für sein Leben hält", schrieb Max Frisch. Und Van der Bellen, der schon fast Bundespräsident war, zählt jedenfalls nicht zu den vielen eher uninteressanten Zeitgenossen, die auf der politischen Bühne alimentiert werden.

Van der Bellen bleibt immer auf Abstand
Richtig nahe kommt man Van der Bellen ohnehin schwer. Er ist kein Haberer. Von niemandem. Selbst bei einem seiner langjährigsten Freunde aus dem Kaunertal, "dem Hans", bleibt eine gewisse Restdistanz zu spüren. Das ist gar nicht unangenehm. Vor allem in Wahlkampfzeiten. Da wird rasch jeder Politiker zum besten Freund des Journalisten. Alexander Van der Bellen bleibt immer auf Abstand. Ausnahme sind nur seine Frau, seine Kinder, seine beiden Hunde.

Der Single Trail, also ein Pfad, der so schmal ist, dass man nicht nebeneinander gehen kann, sondern nur hintereinander, kommt Van der Bellens Charakter bei der Bergtour mit dem Medientross im Schlepptau daher durchaus entgegen. Vor allem seinem Hang zum Schweigen. Im dritten Durchgang der Präsidentenwahl sind allerdings auch kaum noch neue Erkenntnisse zu erwarten. Es ist bereits alles gesagt.

Nun werden nur die Positionen den aktuellen Entwicklungen angepasst. Also dass es falsch wäre, "vor Erdogan in die Knie zu gehen". Österreich dürfe jedoch an der "Entwicklung der Türkei nicht desinteressiert" sein. Angela Merkel findet Van der Bellen auch noch immer gut. Ihm gefällt, dass die deutsche Kanzlerin "nicht hysterisch agiert". Und den Brexit, Englands EU-Austritt, sieht er als möglichen Turbo für seine Wahlwerbekampagne. Denn jetzt zeigen sich die "schwerwiegenden Folgen für die Menschen in Großbritannien auf dem Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft".

Kein Wort zu den Grünen
Kein Wort wert ist Van der Bellens politische Heimat, die Grünen. Sein Wahlkampfteam wirkt, als wäre es vor Parteichefin Eva Glawischnig geflüchtet, um deren Idol, "dem Sascha", zum Sieg zu verhelfen. Mit dabei auch eine Mitarbeiterin der grünen Wiener Vizebürgermeisterin. Sie geht lieber ein Stück des Weges mit Van der Bellen, statt im Rathaus auf bessere Zeiten zu warten. Das Etikett "unabhängig" auf der Präsidentschaftskampagne wirkt auf einmal fast glaubwürdig. Zu Bemerkungen dazu lässt sich Van der Bellen nicht provozieren. Er bevorzugt seine Lieblingsdisziplin: Schweigen.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele