Asyl, Soziales, FPÖ:

Was jetzt auf den neuen Bundeskanzler zukommt

Österreich
12.05.2016 06:44

Der nächste Bundeskanzler und SPÖ-Chef muss tiefe Gräben in seiner Partei und in der Koalition mit der ÖVP überwinden. Der neue Regierungschef steht vor einer unvermeidbaren Umbildung des Regierungsteams. Auch offene Fragen im Asylkurs, in der Sozialpolitik und in der Positionierung zu den Freiheitlichen müssen rasch geklärt werden.

Wenn ÖBB-Generaldirektor Christian Kern den Kanzlerposten übernimmt - und danach sieht es derzeit aus -, ist es jetzt schon klar, wie er den Job anlegt. "Eine Mischung aus Franz Vranitzky und Brigitte Ederer, also pragmatisch und realistisch", sagt ein langjähriger Wegbegleiter des 50-jährigen Wieners.

Asylpolitik: Harter Faymann-Kurs wird wohl beibehalten
In der umstrittenen Asylpolitik ist davon auszugehen, dass auch der neue Bundeskanzler auf dem von Werner Faymann eingeschlagenen Kurs einer harten Linie bleibt. Lediglich die Tonalität könnte um eine Nuance sanfter ausfallen, damit die rebellische Partei-Linke so tun kann, als wäre jetzt alles anders. Allerdings steht der nächste Regierungschef weiter vor einer großen Herausforderung, weil alles darauf hindeutet, dass der europäische Türkei-Deal nicht hält und mit einem erneuten massiven Zustrom an Flüchtlingen zu rechnen ist.

Doskozil als Motor des SPÖ-Regierungsteams
Damit ist jedenfalls mehr oder weniger fix, dass Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil dem Regierungsteam erhalten bleibt. Doskozil wird von allen Seiten hervorragende Arbeit bescheinigt. Erst am Mittwoch hat er nicht nur den Fortbestand mehrerer Kasernen gesichert, sondern auch den Erhalt der Militärmusik in den Bundesländern.

Für die tägliche Koalitionsarbeit kann auch auf Kanzleramtsminister Josef Ostermayer schwer verzichtet werden. Allerdings gilt Ostermayer als enger Vertrauter des zurückgetretenen Kanzlers Faymann.

Heinisch-Hosek und Klug auf Abschussliste
Als überfällige Austauschkandidatin gilt Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek. Allerdings ist sie durch ihre Funktion in der Frauenorganisation sehr gut abgesichert. Verbleiben könnte auch Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, die ihre Gewerkschaft hinter sich weiß. Der angeschlagene Infrastrukturminister Gerald Klug könnte jedoch durch einen anderen Steirer ersetzt werden. Und Sozialminister Alois Stöger gilt zwar nicht unbedingt als große Nummer in den Medien, brächte dem neuen Kanzler auch keine Stimmen, aber er macht passable Arbeit und hat das mächtige Oberösterreich hinter sich. Staatssekretärin Sonja Steßl hat hingegen wenig Rückhalt.

SPÖ tief gespalten wegen Position zur FPÖ
Schwieriger wird es für den neuen SPÖ-Chef schon, wie er sich zur FPÖ positioniert. In dieser Frage ist die Partei tief gespalten. Mit einer schwammigen Kompromissformel wird der neue Kanzler nur kurze Zeit durchkommen. Mit den Themen Mindestsicherung (wer bekommt sie, wer nicht) und einer Pensionsreform wird der neue Kanzler am meisten zu kämpfen haben.

Kern: Smarter ÖBB-Sanierer und Hoffnungsträger der SPÖ
Wird Christian Kern neuer SPÖ-Chef, wäre das ein Favoritensieg. Dem smarten ÖBB-Sanierer und langjährigen Hoffnungsträger der Partei wird seit Längerem nachgesagt, sowohl Interesse an diesem Amt als auch an jenem des Kanzlers zu haben. Nicht nur er selbst traut sich diese Doppelrolle durchaus zu.

Kern, als Sohn einer Sekretärin und eines Elektroinstallateurs in Wien-Simmering aufgewachsen, gilt als ehrgeizig und zielstrebig. Auf den ersten Blick mag der stets akkurat gekleidete 50-Jährige ein wenig arrogant wirken, im persönlichen Umgang ist er aber gewinnend. Das mag auch nötig sein, denn nicht alle in der Partei sind überzeugt, ob der in zweiter Ehe verheiratete Vater von drei Söhnen und einer Tochter jener Mann ist, der die Sozialdemokratie aus der Krise ziehen kann.

Dass Politik "nicht seine Stärke" sei, wie Nationalratspräsidentin Doris Bures in einem viel beachteten Interview 2014 meinte, glaubt aber außer ihr dann auch wieder niemand. Und selbst bei der engen Vertrauten von Werner Faymann kann man davon ausgehen, dass sie diese Aussage nicht wirklich ernst gemeint hat. Denn Kern bringt durchaus Rüstzeug mit. Er ist in der (Partei-)Politik groß geworden, hat über viele Jahre erfolgreich im staatsnahen Wirtschaftsbereich gewirkt, ist telegen und eloquent.

ÖBB-Chef wurde bei Kostelka politisch groß
Nach einem kurzen Ausflug in den Journalismus dockte der damalige Publizistikstudent Kern, der später auch eine postgraduale Ausbildung am Management-Zentrum St. Gallen absolvierte, schon früh in der SPÖ an. Bereits mit 25 wurde er Assistent von Staatssekretär Peter Kostelka, drei Jahre später wechselte er mit seinem Chef ins Parlament und wurde Büroleiter und Pressesprecher des damals neuen Klubobmanns.

1997 folgte der zwischenzeitliche Ausstieg aus der Politik. Kern wechselte in den Verbund, wo er diverse Funktionen ausfüllte, ehe er 2007 in den Vorstand aufstieg. Pikanterweise war es gerade Bures, die ihn als Infrastrukturministerin 2010 zum Nachfolger von Peter Klugar als ÖBB-Chef machte.

Kern wickelte Flüchtlingsstrom unbürokratisch ab
Galten die Bundesbahnen davor über Jahre als Krisenzone, hat Kern diese Ära beendet. Die Zahlen passen wieder, die Massenfrühpensionierungen sind eingestellt, der Zentralbahnhof wurde rechtzeitig und innerhalb des Kostenrahmens fertig und auch Konflikte mit der streitbaren Eisenbahner-Gewerkschaft sind zumindest nach außen hin nicht sichtbar. Gefallen auch beim linken Flügel der SPÖ, dem Kern eher nicht zuzuordnen ist, erlangte er mit der unbürokratischen Abwicklung des Flüchtlingsstroms im vergangenen Jahr.

Bereits sieben Bundesländer für Kern
Dass Kern, der inzwischen die Unterstützung von sieben SPÖ-Landesparteien (Vorarlberg, Tirol, Salzburg, Steiermark, Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich) genießt, Höheres vorhatte, war schon länger absehbar. Gerne nahm der fleißige Manager Einladungen zu allerlei Diskussionen an, in denen er weit über die Bahn-Gleise hinausblickte. Welche Agenda er als Partei- und Regierungschef fahren würde, ist vorerst nicht wirklich klar, hat sich Kern doch nie in eines der roten Lager hineintreiben lassen - möglicherweise derzeit ein Vorteil in der zerstrittenen Partei.

Ausdauer für Überzeugungsarbeit jedweder Art sollte er mitbringen. Kern ist begeisterter Läufer und Mountainbiker. Seine fußballerische Leidenschaft ist die Wiener Austria, in deren Kuratorium er auch sitzt - nicht die schlechteste Präferenz für ein wohliges Leben an der SPÖ-Spitze, sind doch die roten Königsmacher Michael Häupl und Wolfgang Katzian echte violette Schwergewichte.

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