Politik reagiert

Was der “Trump-Effekt” in Österreich verändert

Österreich
10.11.2016 16:40

Wenn die Weltmacht USA einen Mann wie Donald Trump zu ihrem Präsidenten wählt, dann kann man nicht einmal in Österreich so tun, als hätte das nichts mit uns zu tun. Heimische Regierungspolitiker reagierten zuerst verdattert. In SPÖ und ÖVP erkannten einige aber rasch: Mit der gewohnten Routine ist es vorbei. Der Trump-Effekt wirkt sich auf viele Bereiche aus.

1. Welche Veränderungen sind in der heimischen Politik nach dem Sieg von Donald Trump zu erwarten?

Die ersten öffentlichen Stellungnahmen der Regierungsspitze nach Bekanntwerden des US-Wahlergebnisses waren vorsichtig und diplomatisch formuliert. Aber Bundeskanzler Christian Kern sprach gleich davon, dass er nun bei den kommenden Wahlkämpfen in Europa "heftige Auseinandersetzungen um die Mittelschicht" erwarte. Das hat der Kanzler etwas kompliziert ausgedrückt, es bedeutet aber: Es wird in Zukunft noch viel mehr um die Ängste der sogenannten kleinen Leute gehen. Wohlwollend verstanden heißt das auch, dass die Regierungsparteien ihren politischen Kurs wieder mehr an den tatsächlichen Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren müssten. Das reicht vom Einkommen (Steuerentlastung auf Arbeit) bis zu den Pensionen und natürlich schließt das auch die Flüchtlingspolitik ein. Aber dazu später.

2. Wann werden die Österreicher die ersten Auswirkungen eines veränderten Politikstils spüren?

Konkrete Veränderungen werden wohl nicht blitzartig eintreten. Für wirkliche Reformen ist die SPÖ/ÖVP-Koalition bereits viel zu zerstritten. Äußerlich könnte man aber schon rasch etwas bemerken. Seit der Nacht auf Mittwoch denken die Berater in einigen - nicht allen - Ministerkabinetten darüber nach, wie man sich der Bevölkerung gegenüber verständlicher ausdrücken könnte. Als Vorbilder einer klaren Sprache gelten vor allem Außenminister Sebastian Kurz, Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil und Innenminister Wolfgang Sobotka. Zwar sprechen die drei Minister nicht so direkt und derb wie der amerikanische Super-Lugner Donald Trump, aber auch Trump wird, wenn er einmal US-Präsident ist, bei seiner Wortwahl voraussichtlich dezenter werden.

3. Die erste Wahl in Österreich nach der US-Wahl ist die Entscheidung um die Hofburg am 4. Dezember - wird sich da bereits etwas tun?

Ganz sicher. Der unabhängig-grüne Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen und der Freiheitliche Norbert Hofer werden jetzt ihre Strategien deutlich zuspitzen. Berater aus beiden Lagern haben bereits unmittelbar nach dem Trump-Sieg ihre Fühler ausgestreckt, mit welcher stimmungsmäßigen Veränderung sie nun in Österreich rechnen können. Das Team hinter Van der Bellen glaubt, man müsse jetzt noch deutlicher den gesetzten und ruhigen Staatsmann in den Vordergrund spielen. Van der Bellen hat in seinen ersten Wortmeldungen diesen Weg eingeschlagen. "Ich möchte nicht, dass Österreich das erste westeuropäische Land ist, in dem Rechtsdemagogen die Macht übernehmen", sagte er am Donnerstag. Damit positioniert sich Van der Bellen klar in der Rolle früherer Amtsinhaber wie etwa Heinz Fischer, die es seelenruhig auf dem "Es muss alles bleiben wie es ist"-Stil dahinplätschern ließen.

Hofer steht hingegen für eine grundlegende Änderung. Geschickt spielt der FPÖ-Kandidat dabei mögliche Ängste vor Veränderungen herunter. So sagte Hofer am Donnerstag, dass er die Aufregung um die Wahl von Donald Trump nicht verstehe. Die USA seien eine gewachsene Demokratie, die Wähler hätten entschieden. Und Trump habe gewonnen, weil er authentisch gewesen sei. Als künftiger Präsident dürfe der Mann jedenfalls nicht unterschätzt werden.

Diese beiden Richtungen - bewahren gegen verändern - werden dem weiteren Wahlkampfverlauf bis zum 4. Dezember eine deutlich rauere Noten geben.

4. Wird sich durch die Wahl von Donald Trump auch etwas in der heimischen Flüchtlingspolitik ändern?

An einer weiteren Verschärfung wird kein Weg vorbeiführen. Trump hatte in seinem Wahlkampf in dieser Frage eine deutlich schärfere Gangart gegen Einwanderer aus Mexiko versprochen. Das hat jetzt zwar keine direkten Auswirkungen auf Europa, zumal die USA auch keine große Aufnahmebereitschaft gegenüber syrischen Flüchtlingen gezeigt haben, aber psychologisch kann ein härterer Kurs Amerikas in der Migrationsfrage gar nicht ohne Folgen in Europa bleiben. Wenn die EU ihre Grenzen nicht rasch besser bewacht, wird das Gefühl, alleine die Flüchtlinge der ganzen Welt aufnehmen zu müssen, recht schnell durch dramatische Fakten belegt werden.

5. Welche wirtschaftlichen Auswirkungen hat die US-Wahl auf Österreich?

Vorerst einmal keine. Aber als kleine Exportnation haben es die österreichischen Firmen immer wieder geschafft, sich auch in einem schwierigen Umfeld zu behaupten. Insgesamt sind die Märkte sehr flexibel. Das war schon in der Wahlnacht zu bemerken. Nach einer kurzen und heftigen Aufregung kehrte bald wieder Beruhigung und Normalität an den Börsen ein. Ähnlich verhält es sich bei den heimischen Managern. Sie hoffen darauf, dass Donald Trump als ehemaliger Bauunternehmer weiß, wie und mit wem man Geschäfte macht. Klar, seine Parole lautet: Amerika zuerst. Aber einem guten Deal wird sich Donald Trump bei allem Patriotismus nicht abgeneigt zeigen. Der Wettlauf um die besten Verträge hat schon begonnen.

6. Müssen wir uns jetzt sicherheitspolitisch fürchten?

Nein. Trump mag die NATO nicht besonders. Aber das kann uns egal sein. Österreich ist nicht bei der NATO, sondern neutral. Unsinnige Ideen wie eine gemeinsame europäische Armee wird in der Regierung keiner verfolgen, der politisch noch einen Fuß auf die Erde bringen will. Abgesehen davon hat sich Österreich, von den Sanktionen einmal abgesehen, immer wieder mit Moskau genauso wie mit Washington arrangieren können. Und für ein echtes Powerplay ist Österreich viel zu unwichtig.

7. Welche Folgen hat die US-Wahl auf die heimische Umwelt?

Kurzfristig keine. Längerfristig ist Donald Trump aber hier eher "Old School". Er glaubt, dass die globale Erderwärmung eine Erfindung der Chinesen ist, um die westliche Industrieproduktion zu bremsen. Aber über kurz oder lang wollen auch die Amerikaner eine gesunde Umwelt.

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