"Krone"-Interview

Waren Sie immer schon ein Roter, Herr Freund?

Österreich
17.01.2014 16:46
Faymanns neuer Freund ist das Zugpferd der SPÖ bei der EU-Wahl im Mai: Mit Conny Bischofberger spricht der ehemalige ORF-Star über Politik und Gefühle, Europa und die Welt und warum er unterm Anzug immer Westen trägt.

In der historischen Markthalle des "Hansen" im Souterrain der Wiener Börse hat Eugen Freund immer schon gerne gefrühstückt. Reiner Zufall, dass das Gebäude der Europäischen Union gleich vis-à-vis liegt. Es ist Donnerstagnachmittag; der vom SPÖ-Vorstand einstimmig gewählte Spitzenkandidat für die Europawahl im Mai nimmt an einem der kleinen Tische Platz, bestellt Früchtetee und süßt ihn bedächtig mit braunem Zucker.

Hörproben vom "Krone"-Interview mit Eugen Freund: Clip 1, Clip 2 und Clip 3

Hier gibt der frische 62-Jährige an diesem Tag bis zu seinem Auftritt in der "ZiB 2" Interviews. Pausen sind dabei nicht vorgesehen. "Ein paar Minuten Powernapping wären jetzt schön", findet er. Gekleidet ist er wie ein Sir. Dunkelblaues Jackett, britische Krawatte, eine alte Uhr mit Stellschraube links, weil er sie am rechten Handgelenk trägt. Eugen Freund ist kein Allerweltstyp, das unterstreicht er auch gerne mit Anekdoten aus seinem schillernden Berufsleben.

"Krone": Herr Freund, was genau ist anders, seit Sie den ORF verlassen haben und Politiker geworden sind?
Eugen Freund: Alles ist anders... Ich dachte immer, der Stressfaktor bei der "ZiB" wäre hoch. Aber das hier hat eine neue Qualität.

"Krone": Mit dem Bundeskanzler gemeinsam vor den Journalisten zu stehen, was war das für ein Gefühl?
Freund: Ich hab' mir gedacht: Zwickt's mi, i glaab, i tram... Bin das wirklich ich? Und werde ich aus diesem Traum gleich aufwachen? Fest steht: Es macht mir ungeheuren Spaß, ich lebe richtig auf. Ich freu' mich auch auf die Auseinandersetzungen, denn ich weiß: Die Angriffe werden kommen, ich werde Fehler machen und in Fettnäpfchen treten, aber trotzdem nicht einen Millimeter von meiner Aufgabe abrücken.

"Krone": Die da wäre?
Freund: Das doch sehr komplexe Thema Europa den Menschen so zu erklären, dass sie es auch verstehen. Vor allem die Stärken, aber man darf auch die Schwächen nicht übersehen.

"Krone": Ist da bei Ihnen auch was Missionarisches dabei?
Freund: Eher was Narrisches! (lacht) Missionarisch würde ich nicht sagen, aber es ist schon großartig, dass Deutschland und Frankreich heute Verbündete sind. Die EU ist vor allem ein großes Friedensprojekt, das über allen kleinkarierten Auseinandersetzungen stehen sollte.

"Krone": Ihr Abschied vom ORF war am 31.12., wussten Sie da schon, dass Sie in die Politik gehen?
Freund: Nein, Werner Faymann hat mich am 7. Jänner gefragt. Wir hatten dann ein ausführliches Gespräch, denn wie die meisten Menschen kannte er mich nur aus dem Fernsehen. Je länger wir geredet haben, desto deutlicher wurde unsere Übereinstimmung - in der Sozial- und Friedenspolitik, bei der Finanztransaktionssteuer und bei der Bankenregulierung.

"Krone": Werden Sie in Zukunft mit "Freundschaft" grüßen?
Freund: Nein. Ich habe mich auch im ORF immer dagegen gewehrt, dass man um 10.30 Uhr schon mit "Mahlzeit!" gegrüßt wird. Ich sage weder "Mahlzeit" noch "Freundschaft", ich sage "Grüß Gott" und "Auf Wiederschaun!"

"Krone": Wie verzweifelt muss die SPÖ gewesen sein, dass sie erst im Jänner einen Spitzenkandidaten gefunden hat?
Freund: Ich sehe im Zeitpunkt nichts Diskussionswürdiges. Ein Wahlkampf tritt immer in den letzten Monaten in eine intensivere Phase.

"Krone": Und wie müssen sich Jörg Leichtfried und Evelyn Regner gefühlt haben, als man ihnen den Quereinsteiger Eugen Freund vor die Nase gesetzt hat?
Freund: Beide weisen die Darstellung zurück, sie hätten lange Gesichter gehabt. Tatsache ist, dass ich mit beiden ein konstruktives, freundschaftliches Gespräch geführt habe. Und Jörg Leichtfried wird ja auf meinen Wunsch auch Delegationsleiter in Brüssel bleiben. Ich kann Ihnen versichern, dass alle hinter mir stehen - sonst hätten mich nicht von den ganz Jungen bis hin zum Charly Blecha alle gewählt. Wir haben auch alle das gleiche Ziel vor Augen: nämlich mehr Leute dazu zu bringen, zu den Wahlen zu gehen.

"Krone": Gewinnen wollen Sie nicht?
Freund: Wenn wir erreichen, dass die Wahlbeteiligung steigt, haben wir schon ein großes Stück vorwärts geschafft. Wenn sie zugunsten der SPÖ steigt, umso besser.

"Krone": Die SPÖ hatte bei der letzten EU-Wahl magere 23,7 Prozent, ein Minus von 9,6 Prozent ...
Freund: ... und jedes Prozent mehr ist schon ein großer Erfolg.

"Krone": Waren Sie eigentlich immer schon ein Roter?
Freund: Die Frage wird mir nicht ganz gerecht... Ich war nie SPÖ-Mitglied und habe auch nicht vor, es zu werden. Aber mein Herz hat schon immer für die Politik geschlagen. Als ich 15 war, habe ich mit meinem besten Freund gestritten, wer besser sei: Klaus oder Pittermann. Damals war ich für Klaus. Sozialisiert und politisiert worden bin ich aber in der Kreisky-Ära. Ich erinnere mich noch heute an seine Einladung an die Österreicher: "Gehen Sie doch ein Stück des Weges mit uns!" Damals war ich Journalist beim Radio und wollte meine Unabhängigkeit nicht aufgeben. Interessanterweise hat mich das, 40 Jahre später, jetzt Werner Faymann gefragt und ich konnte leichten Herzens Ja sagen.

"Krone": Hätten Sie auch Ja gesagt, wenn Michael Spindelegger angerufen hätte?
Freund: Das ist eine rein theoretische Frage.

"Krone": Warum?
Freund: Erstens hat er nicht angerufen. Es stimmt auch nicht, dass ich früher schon einmal ein Angebot der ÖVP hatte. Und zweitens, weil ich im Fernsehen immer mit "rotes Gfries" punziert wurde.

"Krone": Sie haben jedenfalls ein bekanntes Gesicht: Haben Sie keine Angst, dass die SPÖ das ausnützt?
Freund: Nein... Es gibt schönere Gesichter im ORF.

"Krone": An wen denken Sie da?
Freund: An männliche und weibliche... An viele bekannte Gesichter. Nein, ich glaube, sie wollen schon auch den Kopf zu meinem Gesicht. Ich war 32 Jahre lang politischer Journalist, 1978 auch Pressesprecher des damaligen Außenministers, mit dem ich durch alle europäischen Städte gereist bin. Ich habe viele Jahre in Amerika verbracht... Es ist ja nicht so, dass ich auf der Nudelsupp'n daherg'schwommen bin. Jetzt kann ich meine außenpolitische Erfahrung einbringen.

"Krone": Würden Sie sich selber als Weltbürger bezeichnen?
Freund: Nein, weil ich zu bescheiden bin, als dass ich mich selbst so bezeichnen würde. Aber wenn andere mir dieses Attribut verleihen, dann nehme ich es gerne an. Kleinbürger wäre zum Beispiel kein Kompliment.

"Krone": Ist Ihre Seele eigentlich noch beleidigt, nachdem der ORF Sie mit Ende des Jahres in Pension schicken wollte?
Freund: No bad feelings! Das ist abgeschlossen und ich will da nichts Böses mehr sagen.

"Krone": Verstehen Sie, warum man Sie nicht länger als Moderator behalten wollte?
Freund: Nein... Vielleicht wollten sie sich ein bisserl Geld ersparen. (lacht)

"Krone": Politik statt Pension: Was sagt denn Ihre Frau dazu?
Freund: Eh eine gute Frage. Sie meinte: Wenn dir das nicht zu mühsam ist, dann mach' es. Aber überleg es dir gut, denn die Angriffe werden heftig sein...

"Krone": Könnte es sein, dass Sie das unterschätzen?
Freund: Wir werden sehen, ich weiß es nicht.

"KIch bin schon sensibel... Wenn die Marlies Schild im Slalom gewinnt, dann weine ich vor lauter Rührung und Freude. Auch wenn Anna Netrebko eine Arie bravourös rüberbringt, muss ich mir die Augen trocknen. Ich denke aber, ich bin Realist genug, gewisse Dinge auch zu verdauen. Im Moment schütze ich mich, indem ich nicht alles lese, was so geschrieben wird.

"Krone": Stimmt es, dass Sie unter dem Anzug meistens eine Strickweste tragen?
Freund: Ja, das stimmt. Wie der amerikanische TV-Moderator Dan Rather. Ich besitze acht solcher Westen. Erstens wärmen sie und zweitens erinnern sie mich an meinen Vater. Er hat auch immer Westen getragen.

"Krone": Welches Bild taucht auf, wenn Sie an ihn denken?
Freund: Mein Vater war ein großartiger Arzt und Mensch. Einer, der um 4 Uhr morgens aufgestanden ist, um seinem Patienten Kopfwehtabletten zu bringen... Ich war erst 24, als er gestorben ist. Deshalb ist er in meiner Erinnerung eine verklärte Figur. Einmal hatte ich als Fünfjähriger Steine auf ein Auto geworfen. Der Mann, der dabei zu Schaden gekommen ist, hat sich dann bei meinem Vater beschwert, worauf dieser ihm einen langen Brief geschrieben hat, in dem er sich für mich entschuldigt hat. Diesen Brief hat die Tochter dieses Mannes vor Kurzem gefunden, ich kann ihn mir in Kärnten abholen. Ich finde das so süß.

Seine Karriere
Geboren als "Sandwich-Kind" zwischen zwei Schwestern am 15. April 1951 in Wien, aufgewachsen in Kärnten. Der Vater ist Landarzt, die Mutter Galeristin. Freund war seit 1972 Journalist, davon 32 Jahre lang beim ORF; unter anderem als USA-Korrespondent. Am 31.12. verabschiedete er sich als "ZiB"-Moderator vom Fernsehpublikum. Freund ist mit der Krankenpflege-Ausbildnerin Waltraud verheiratet und hat zwei Kinder (Carla ist 20, Matthias 25).

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