Hofburg-Wahl

“Ich hätte viel lieber den anderen gehabt”

Österreich
05.12.2016 18:12

Österreich hat gewählt. Zum dritten Mal. Nun ist es eindeutig: Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen hat die Wahl zum Bundespräsidenten mit deutlichem Vorsprung gewonnen. Die Niederlage von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer müssen aber auch knapp zwei Millionen Österreicherinnen und Österreicher noch verkraften. Wie stehen Passanten zum Wahlergebnis? krone.at hörte sich auf Wiens Straßen um.

Ex-Grünen-Chef Van der Bellen hat sich in der Stichwahl-Wiederholung zum Bundespräsidenten am Sonntag gegen den FPÖ-Kandidaten Hofer behauptet und ist mit 53,3 Prozent der Stimmen als Sieger des Abends nach Hause gegangen.

In Wien hätte die Wahl nicht klarer ausfallen können: In allen 23 Gemeindebezirken erhielt Van der Bellen die meisten Stimmen. Auffallend ist allerdings das Ergebnis im 11. Bezirk, Simmering: Dort heimste Van der Bellen lediglich 50,8 Prozent der Stimmen ein - verglichen mit dem 7. Bezirk, Neubau, wo er glatte 81 Prozent für sich gewinnen konnte, ein schlechtes Ergebnis. krone.at fragte Passanten in Simmering und in der Wiener Innenstadt (Video oben), was sie vom Wahlergebnis halten.

Es ist spürbar, dass hier die Hälfte für Van der Bellen und die andere Hälfte für Hofer gestimmt hat. "In Simmering sind schon viele enttäuscht", sagt ein Befragter, der darauf hinweist, dass Simmering ein Arbeiterbezirk ist. Mit der Hoffnung, dass sich für den "kleinen Mann" etwas ändern könnte, haben hier 49,2 Prozent für Hofer gestimmt.

Auch ein anderer Befragter habe den FPÖ-Kandidaten Hofer bereits zum dritten Mal gewählt. Um 7 Uhr morgens sei er am Wahltag in der Kälte gestanden und trotzdem habe Hofer nicht gewonnen: "Es ist ein Wahnsinn! I geh' nimmer wählen. I scheiß' drauf!", so der Befragte. "Obwohl der Bundespräsident nicht viel zu sagen hat, hätte ich dennoch gerne den anderen gehabt", erzählt eine junge Mutter, die die Fragen, die während des Wahlkampfes aufkamen, für sinnlos hielt, denn der Bundespräsident habe außer einer Repräsentationsfunktion kaum Handlungsmacht. Ihrer Meinung nach seien genau diese Anliegen für die Wahl 2018 wichtig.

Eine ältere Dame ist empört: "Na, das ist ein Ex-Grüner. Und was haben die Grünen bisher Gutes gemacht? Fast nix!" Obwohl ihr die Wahl eigentlich "wurscht" sei, habe das Wahlergebnis sie nicht überzeugt. "Der eine ist zu rechts und der andere heißt alle willkommen", so eine andere Frau. Sie ist unzufrieden mit dem Wahlergebnis. Als sie damals nach Österreich kam, habe sie hart arbeiten und für die Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung kämpfen müssen. Ihrer Meinung nach würden aber Neuankömmlinge alles geschenkt bekommen. Das fände sie nicht gut.

Für 50,8 Prozent der Simmeringer war Van der Bellen "das kleinere Übel". Für einen älteren Herrn gab es keine andere Möglichkeit, als Van der Bellen zu wählen. Er glaube zwar nicht, dass der Ex-Grünen Chef wirtschaftlich viel retten könne, trotzdem ist er froh über die Ruhe, die jetzt einkehre.

Für einen weiteren Befragten ist es die "richtige Entscheidung für Österreich, vor allem für das Ansehen im Ausland". Dennoch hätte er nach dem letzten TV-Duell am liebsten keinen der beiden mehr gewählt. "Der Richtige hat gewonnen", so ein älterer Herr. Er finde es zwar unnötig, Millionen für die Wahlwiederholung ausgegeben zu haben, "aber jetzt hat er zumindest überlegen gewonnen". Unter den Wahlverweigerern finden sich auch junge Simmeringer. "Es kommt sowieso, wie es kommt", so einer der jungen Befragten. "Die schenken sich nichts gegenseitig. Sind alles Trotteln", sagt ein anderer.

Wie bereits der erste Wahlgang und auch die erste Stichwahl im Mai zeigten, verdankt der Ex-Grünen-Chef seinen Sieg jungen Frauen. In der Altersgruppe der Bis-29-Jährigen haben 58 Prozent, davon 69 Prozent Frauen, für Van der Bellen gestimmt. In den Bezirken innerhalb des Wiener Gürtels stimmte die überwältigende Mehrheit der Einwohner für Van der Bellen. So erhielt der Ex-Grünen-Chef in den Bezirken 1 bis 9 mehr als 70 Prozent der Stimmen.

Im 7. Bezirk, Neubau, erzielte er mit 81 Prozent das beste Ergebnis. Bei der Umfrage auf der Wiener Landstraße wird Van der Bellens Erfolg schnell klar. Eine junge Frau sah "Herrn Van der Bellen schon immer als geeigneten Kandidaten" und ist froh, dass sein Sieg ein klares Zeichen in Europa und im Ausland setzen werde. Für eine andere Befragte ist Van der Bellens Sieg "für die nächsten sechs Jahre wie Weihnachten, Silvester und Ostern zusammen".

"Gott sei Dank wurde es nicht der Hofer", sagt ein Passant. Seiner Meinung nach stand zwar die Wahl "zwischen Pest und Cholera", dennoch sei er froh, dass nicht FPÖ-Kandidat Hofer gewonnen hat. Ein weiterer Befragter hat eine klare Meinung: "Ich habe eine radikale Einstellung gegenüber Hofer-Wählern und ähnlichen Rechts-Wählern in Europa." Er glaubt, man dürfe keine Rücksicht mehr auf diesen Teil der Bevölkerung nehmen und solle stattdessen auf die Probleme der anderen eingehen. "Diese rechte Richtung, die sich in Europa breitmacht, wurde von Österreich gestoppt", so ein älterer Herr. Er freue sich für die Zukunft seiner Enkel- und Urenkelkinder.

Der lange Wahlkampf für einen Posten, der mehr Repräsentation als wirkliche Exekutive darstellt, stand den meisten jedenfalls bis zum Hals. Ob nun zufrieden oder unzufrieden mit dem Wahlergebnis, sie sind vor allem froh, dass im Land wieder Ruhe einkehrt.

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