Strache zu Kern:

"Und dann kommt Doskozil - und es geht weiter ..."

Österreich
15.09.2017 16:51

Einen Monat vor der Nationalratswahl sind am Freitag Bundeskanzler und SPÖ-Chef Christian Kern, ÖVP-Spitzenkandidat Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache zur ersten Dreierkonfrontation aufeinandergetroffen. Es entwickelte sich ein launiger Dreikampf, in dem es oft um mögliche Koalitionen nach der Wahl ging. Inhaltlich dominierte erwartungsgemäß das Flüchtlingsthema.

Nach der Vorstellung und kurzen Gesprächen über die Werdegänge der drei Kandidaten ging die Fragestellung in die Tiefe. FPÖ-Chef Strache appellierte an die Wähler, "nicht immer nur auf Momentaufnahmen zu reagieren". Als Beispiel nennt er den Präsidentschaftswahlkampf von Norbert Hofer. "Da hat es geheißen, der Heinz-Christian. Strache präsentiert einen langweiligen Kandidaten, (...) zwei Monate später lag er bei 35 Prozent."

"Nach der Wahl sind Sie Geschichte"
Zur Sprache kam natürlich auch die Aussage von Kern, wonach er als Zweiter oder Dritter in die Opposition gehen würde. Strache schenkte dem keinen Glauben: "Ich glaub', er wird Geschichte sein, wenn das der Fall ist - und dann kommt halt der Doskozil und dann wird man halt versuchen, diese Kombination auf einer anderen Ebene wieder fortzusetzen." Auch für die Plakatserie der Sozialdemokraten hatte er einen Seitenhieb parat: "Wir lesen 'Holt euch das, was euch zusteht', da muss man fragen: 'Wer hat's euch denn weggenommen?' Das war die Regierung!"

Wieder "große" Koalition?
Der am längsten dienende Parteichef in der Runde wollte von den anderen eine Zusage, dass es nach der Wahl keine Koalition von SPÖ und ÖVP mehr geben wird. "Ich habe sogar einen Notariatsakt mitgenommen, um das gleich zu fixieren." Dieser Forderung wurde natürlich nicht Folge geleistet. Anschließend richtete Strache einen erneuten Appell an die Wähler: Wenn die aktuellen Regierungsparteien keine Mehrheit mehr hätten, wäre es seiner Meinung nach auch möglich, "in eine andere Richtung zu gehen".

"Massiver Programmierermangel"
Sebastian Kurz stellte einen "massiven Programmierermangel" fest. Nicht nur im Silicon Valley oder in Asien, sondern auch bei unseren osteuropäischen Nachbarn gebe es viel mehr junge Programmierer als bei uns, beklagte er.

Kurz und Doskozil neue Regierungsspitze?
Den Eindruck, dass er mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil von der SPÖ besser könne als mit Kern, kommentierte Kurz folgendermaßen: "Es wäre uncharmant, das zu sagen. Was stimmt ist, dass ich mit Herrn Doskozil in der Frage der Migration besser zusammengearbeitet habe." In der Frage der Schließung der Mittelmeerroute - Stichwort "Vollholler"-Sager von Kern - fühlte sich Kurz vom eigenen Regierungschef nämlich zurückgezogen und behindert. Kerns Replik: "Ich habe gegen niemanden etwas, der die Mittelmeerroute schließen möchte. Macht's es einfach."

Kern: "Das ist wirklich verrückt"
Christian Kern zeigte sich von den bisherigen Verhältnissen im Bildungssystem überrascht. "Das ist wirklich verrückt: Mit der Bildungsreform gab es das erste Mal die Situation, dass die Bildungsministerin weiß, wie viele Lehrer in den Schulen sind. Der Bund hat bezahlt und die Länder haben sich nicht in die Karten schauen lassen."

"Grundversäumnis", das 2015 nicht zu erkennen
In Sachen der Flüchtlingsfrage ortete der Bundeskanzler auch Fehler der Bundesregierung. Österreich hat großzügig geholfen. Ich bin dagegen, dass wir über die Grenzen des Möglichen gehen, weil wir sonst eine zerfallende Gesellschaft werden. Es ist klar, dass wir dafür zu sorgen haben, dass wir die illegale Migration auf null begrenzen. Es war ein Grundversäumnis, dass man 2015 nicht erkannt hat, dass sich Millionen von Menschen darauf vorbereiten, zu uns zu kommen.

Der Bundeskanzler betonte in seinen Wortmeldungen vor allem die Themen Verteilungsgerechtigkeit und forderte von Kurz, das Thema Bildung nicht nur unter dem Aspekt der Migration zu behandeln. Das Wirtschafts- und Steuerkonzept der SPÖ sei im Gegensatz zu jenen von ÖVP und FPÖ seriös, finanzierbar und entlaste darüber hinaus die unteren Einkommen.

Strache: "Sachleistungen statt Geldleistungen"
Der Chef der Freiheitlichen forderte, dass man Zuwanderern mit Sachleistungen unter die Arme greift, um den "Ansturm von Wirtschaftsflüchtlingen" einzudämmen. "Es ist nicht fair, dass jemand, der noch nie ins System einbezahlt hat, 840 Euro Mindestsicherung bekommt. Wenn wir Sachleistungen statt Geldleistungen erbringen, werden sicher weniger Wirtschaftsflüchtlinge zu uns kommen."

"Hilfe in Herkunftsländern löst die Flüchtlingsfrage nicht"
Kurz ist klar für Hilfe in den Herkunftsländern, das Problem werde so aber nicht gelöst: "Die These, dass die Flüchtlingsfrage durch Hilfe in den Herkunftsländern zu lösen ist, ist schlicht und einfach falsch. Es ist unsere christliche Verpflichtung zu helfen, aber das allein löst nicht die Migrationsfrage. Viele Staaten in Afrika haben ein wirklich beeindruckendes Wirtschaftswachstum, aber die Bevölkerung wächst noch schneller. Wichtig wird sein, dieses Bevölkerungswachstum einzudämmen. Die Masse der Zuwanderer kommt oftmals aus etwas stärker entwickelten Ländern, weil sich die erst den Schlepper leisten können. Der Zustrom wird nur weniger, wenn wir unsere Grenzen schützen und uns die Frage stellen, wie attraktiv wir sind."

1000 Besucher und zahlreiche Medienvertreter
Rund 1000 Besucher sowie zahlreiche Medienvertreter aus dem In- und Ausland sind zu der von den Bundesländerzeitungen organisierten Diskussionsrunde im Linzer Design Center angereist. Für die Debatte wurden eigens alte Abgeordnetensessel aus dem jüngst geräumten Nationalratssitzungssaal im Parlament herangekarrt, in denen die Spitzenkandidaten von SPÖ, ÖVP und FPÖ Platz nahmen.

Bereits am Vormittag hatte Kern im Linzer Brucknerhaus unter dem Titel "Österreich entlasten - aber gerecht" gemeinsam mit Experten das Steuerkonzept der SPÖ präsentiert. Die ÖVP hält nach der Dreier-Konfrontation in Linz auf dem Welser Messegelände mit Kurz ihren oberösterreichischen Wahlkampfauftakt ab.

Thomas Zeitelberger
Thomas Zeitelberger
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