Jobs, Bildung etc.

Trotz Trennung: Das wollen SPÖ & ÖVP noch umsetzen

Österreich
18.05.2017 09:06

Die Scheidung ist zwar eingereicht und der Neuwahltermin fixiert, doch SPÖ und ÖVP wollen trotzdem bis zum Sommer noch eine Reihe von Projekten abarbeiten. Auf der Liste finden sich zehn rote und sieben schwarze Prioritäten. Dass die Koalitionsparteien trotz großer Skepsis der Opposition noch miteinander arbeiten können, signalisierten sie, indem sie sich am Mittwoch auf vier gemeinsame Anträge im Nationalrat verständigten. Ob dies ein gutes Omen für die Umsetzung der restlichen Vorhaben ist, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen.

Die vier Gesetzesvorschläge, die von der SPÖ und der ÖVP gemeinsam eingebracht wurden, könnten nach Behandlung in den zuständigen Ausschüssen noch vor dem Sommer vom Nationalrat beschlossen werden. Dabei handelt es sich um die "Aktion 20.000", die vielen älteren Langzeitarbeitslosen geförderte Jobs bringen soll, die Anhebung der Forschungsprämie von zwölf auf 14 Prozent, eine Erhöhung der Studienbeihilfe um 60 Millionen Euro sowie eine Staatszielbestimmung zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts. Getrübt wurde diese Fleiß-Zurschaustellung der Koalition allerdings vom überraschenden Scheitern der Novelle der Gewerbeordnung.

Vizekanzler Brandstetter optimistisch
Der neue Vizekanzler Wolfgang Brandstetter (ÖVP) zeigte sich jedenfalls erfreut über die vier gemeinsamen Anträge. Er habe am Mittwoch im Parlament ein "sehr konstruktives Gespräch" mit Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) geführt. Nun soll geklärt werden, welche Projekte noch gemeinsam umgesetzt und rasch realisiert werden können, so Brandstetter. Er räumte aber ein, dass es sich bei manchen Themen, etwa der Bildungsreform, um eine wesentlich komplexere Materie handle als etwa bei der Erhöhung der Studienbeihilfe. Was die vorerst gescheiterte Gewerbeordnung betrifft, meinte der Vizekanzler, dass nun besprochen werde, was hier noch möglich ist.

Es gebe jetzt vor den Neuwahlen am 15. Oktober jedenfalls eine neue Situation, in der die Regierungsarbeit "abgewickelt" werden soll - eine Art "Kassasturz", bei dem es ausschließlich um die sachpolitische Umsetzung gehe. Daran sei auch Bundeskanzler Kern gelegen, sagte Brandstetter. Nächste Woche soll ein weiteres Gespräch der beiden stattfinden, zumal noch nicht alle Themen besprochen worden seien, so etwa der Mindestlohn und die Arbeitszeitflexibilisierung. Grundsätzlich sieht Brandstetter aber "gute Chancen" zur Umsetzung, wie er betonte.

Zehn rote und sieben schwarze Punkte
Insgesamt finden sich bei den Vorhaben der Koalition, die nun noch bis zum Sommer umgesetzt werden sollen, zehn rote und sieben schwarze Prioritäten, die im Folgenden angeführt sind.

Die Liste der SPÖ

"Aktion 20.000": In die Förderung gemeinnütziger Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose über 50 sollen laut Regierungsprogramm ab Juli 200 Millionen Euro fließen. Von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) gab es bisher kein grünes Licht: Er machte offene Finanzierungsfragen geltend. Die SPÖ warf Schelling vor, dem Koalitionspartner keinen Erfolg gönnen zu wollen.

Forschungsprämie: Die Anhebung der Forschungsprämie von zwölf auf 14 Prozent ab 2018 ist Teil des Regierungsprogramms. Zuletzt wurden damit die Forschungsaktivitäten von 2262 Unternehmen mit 502 Millionen Euro subventioniert (Stand 2015).

Frauenquote: Für börsenotierte Unternehmen mit mehr als 1000 Mitarbeitern soll ab 1. Jänner eine verpflichtende Frauenquote von 30 Prozent gelten. Das würde sich aber nur auf Aufsichtsräte (also die Kontrollgremien) beziehen, nicht aber auf die operative Führung der Firmen.

Stipendien: Der zurückgetretene Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wollte die Studienbeihilfe um 25 Millionen Euro aufstocken - auf insgesamt 225 Millionen Euro pro Jahr. Der SPÖ war das bisher zu wenig. Sie will eine höhere Aufstockung sowie die laufende Valorisierung der Stipendien, sobald die Inflation einen Schwellenwert von fünf Prozent übersteigt.

Bildungsreform: Geplant sind "Schulcluster", in denen ein Direktor bis zu acht Schulen leiten soll, sowie mehr Schulautonomie - konkret mehr Spielraum der Direktoren bei der Auswahl der Lehrer und die Abschaffung der Klassenschülerhöchstzahl.

Bundesstaatsreform: In der Debatte um die dritte Start- und Landebahn am Flughafen Wien hat Kanzler Kern im April vorgeschlagen, die Zuständigkeit für die Genehmigung von Betriebsanlagen beim Bund zu bündeln. Zwar wird das gewerbliche Betriebsanlagenrecht schon jetzt vom Bund geregelt, Bereiche wie Baurecht, Feuerpolizei oder Naturschutz sind aber Ländersache. Außerdem unterstützt die SPÖ die noch von Mitterlehner vorgeschlagene Staatszielbestimmung zur Förderung des Wirtschaftsstandortes.

Gesundheit: Der Ausbau der Primärversorgung ist noch bis 21. Mai in Begutachtung. Künftig sollen Hausärzte gemeinsam mit einem Team aus anderen Gesundheitsberufen (wie Pfleger und Therapeuten) zusammenarbeiten. Das soll die Spitalsambulanzen entlasten.

Selbstständige: Für Kleinunternehmer und Selbstständige soll es Erleichterungen geben: Wird ein Mitarbeiter krank, soll Firmen mit maximal zehn Angestellten künftig 75 Prozent (statt die Hälfte) der Entgeltfortzahlung ersetzt werden. Außerdem sollen Unternehmer, die selbst länger als 43 Tage krank sind, rückwirkend ab dem vierten Tag 30 Euro Krankengeld bekommen.

Kinderbetreuung: Die SPÖ tritt für ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr ein. Außerdem stehen Verhandlungen mit den Ländern an, weil der Bund-Länder-Vertrag (15a-Vereinbarung) zur Kinderbetreuung mit Jahresende ausläuft.

Steuervermeidung: Zur Vermeidung von Gewinnverschiebungen ins Ausland hat die SPÖ zuletzt ein Paket vorgelegt. Neben der auch im Regierungsprogramm verankerten Ausdehnung der Werbeabgabe auf den Online-Bereich will die Partei auch eine Steuer auf "tauschähnliche Umsätze" - das würde Unternehmen wie Google und Facebook treffen, die Daten ihrer Benutzer sammeln und damit in weiterer Folge Geld verdienen.

Die Liste der ÖVP

Sicherheitspolizeigesetz: Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) will die Videoüberwachung deutlich ausdehnen und hat dazu einen - mit der SPÖ nicht akkordierten - Entwurf vorgelegt: ÖBB und Asfinag sollen Videomaterial herausgeben müssen, außerdem sollen Autokennzeichen sowie Farbe und Marke der Autos für 48 Stunden gespeichert werden. Auch Private sollen ihre Aufzeichnungen zugänglich machen dürfen.

Kalte Progression: Im Regierungsprogramm hat die Koalition einen regelmäßigen Inflationsausgleich bei der Lohnsteuer vereinbart. Für die unteren beiden Tarifstufen sollte diese Steuerreform automatisch erfolgen, sobald die Inflation den Schwellenwert von fünf Prozent überschreitet. Finanzminister Schelling bestand zuletzt aber auf einer Abgeltung der kalten Progression auch für Besserverdiener. Die SPÖ will im Gegenzug auch die Negativsteuer regelmäßig erhöhen.

Familienbeihilfe: Die ÖVP will die Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder an die dortige Kaufkraft anpassen. De facto würde das auf eine Kürzung für die Familien osteuropäischer Arbeitnehmer hinauslaufen. Im Regierungsprogramm war dafür eine europäische Lösung angedacht, die ÖVP drängt allerdings auf eine gesetzliche Regelung auf nationaler Ebene.

Mobilität am Arbeitsmarkt: Um Arbeitslosen die Übersiedlung an einen neuen Arbeitsort schmackhaft zu machen, ist im Regierungsprogramm die Ausdehnung der einschlägigen Förderungen vorgesehen. Fahrtkosten sollen weiterhin mit 203 Euro monatlich subventioniert, die Förderung der Wohnkosten von 203 auf 400 Euro nahezu verdoppelt werden (maximal zwei Jahre).

Kumulationsprinzip: Mehrfachstrafen ferwaltungsverfahren eine Sozialpartnerlösung bis 30. Juni vorgesehen - oder, wenn das nicht gelingt, ein Vorschlag der Regierung.

Fremdenrecht: Beim Fremdenrecht haben sich SPÖ und ÖVP bereits im April geeinigt. Demnach soll es höhere Strafen für abgewiesene Flüchtlinge geben, die das Land nicht verlassen, sowie Beugehaft, wenn die Betroffenen die Mitwirkung an der Ausreise verweigern. Schubhaft soll bis zu 18 Monate in Serie möglich sein. Weiters geplant: eine Wohnsitzauflage für Asylwerber, um Wien zu entlasten.

Studienplatzfinanzierung: Die Umstellung der Universitätsfinanzierung soll ab 2019 mehr Geld (zusätzlich 1,35 Milliarden Euro über drei Jahre), aber auch neue Zugangsbeschränkungen bringen. Verteilt werden sollen die Mittel unter anderem abhängig von der Zahl der Studienanfänger, der prüfungsaktiven Studenten und der Absolventen.

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