Hofburg-Wahlfarce

Sobotka: “Maßlos enttäuscht über Schlampereien”

Österreich
21.06.2016 20:11

Innenminister Wolfgang Sobtoka hat sich am Dienstag "maßlos enttäuscht" über die bisherigen Erkenntnisse der Anfechtung der Bundespräsidenten-Stichwahl gezeigt. Das Ausmaß an "Schlampereien", das am ersten Tag der VfGH-Verhandlung zutage trat, sei "untragbar", sagte er vor dem Ministerrat. Eine Reform der Briefwahl müsse unbedingt eine für Wahlkommissionen und -behörden "praktikable" Lösung bringen. Auch am zweiten Verhandlungstag ortete der Verfassungsgerichtshof neue Unregelmäßigkeiten bei der Wahl.

Sobotka bezeichnete es als "mehr als beschämend, dass Juristen sich Blanko-Unterschriften holen". Die Aussagen der Zeugen am Verfassungsgerichtshof hätten ergeben, dass oft ein "schlampiger Weg" bei der Auszählung beschritten worden sei. Das sei "unhaltbar".

Sobotka sieht "Bringschuld" der Behörden
Wenn das Gesetz schwer oder gar nicht zu exekutieren sei, wäre es "der korrekte Weg gewesen, schon früher aufzuzeigen, dass das Gesetz nicht zu vollziehen ist", sieht Sobotka auch eine Bringschuld bei den Behörden. Für die Gesetzgebung sei das Parlament zuständig und bei der ersten Gesprächsrunde über allfällige Reformen habe er die Parteienvertreter bereits ersucht, sich über "praktikable" Lösungen Gedanken zu machen. Das Ministerium könne nur "schauen, dass das Gesetz eingehalten wird - und das haben wir auch getan", nicht zuletzt mit entsprechenden Anzeigen, hielt Sobotka fest.

Wahlleiter zum rascheren Auszählen gezwungen?
Der VfGH ging am Tag zwei seiner öffentlichen Sitzung zur Wahlanfechtung weiteren Unregelmäßigkeiten in den betroffenen Stimmbezirken nach. Das Bild des ersten Tages - ein lockerer Umgang mit Vorschriften - wurde dabei bestätigt. In Wien-Umgebung etwa wurde offenbar Druck ausgeübt, die Briefwahlstimmen rasch auszuzählen. Im ersten Wahldurchgang habe man für rund 6500 Briefwahlstimmen von 9 bis 18.30 Uhr gebraucht. Anscheinend war Wien-Umgebung in ganz Niederösterreich am langsamsten, schilderte der stellvertretende Bezirkswahlleiter, der dann die Auszählung der Stichwahl leitete. Der für die Auszählung verantwortliche Bezirkshauptmann sei danach gefragt worden, warum das Prozedere im ersten Durchgang so lange gedauert habe. Es habe "den Wunsch seitens der Landeswahlbehörde" gegeben, dieses Mal schneller zu sein.

Allerdings seien im zweiten Wahlgang 11.000 Stimmen auszuzählen gewesen. Man habe daher schon am Sonntag "Vorarbeiten" geleistet, etwa Listen erstellt und Wahlkarten ausgewertet, so der Zeuge. Die Wahlbeisitzer hätten von diesen Arbeiten am Wahlsonntag nichts gewusst und daher auch keine Möglichkeit gehabt, daran teilzunehmen.

FP-Beisitzerin: "Manipulationen Tür und Tor geöffnet"
Die FPÖ-Beisitzerin, die die Vorwürfe in Wien-Umgebung in einer eidesstattlichen Erklärung erhoben hatte, sagte aus, nicht den Eindruck gehabt zu haben, dass es einen Missbrauch gab. Aber: Durch das Vorsortieren und Öffnen der Wahlkartenkuverts sei "Manipulationen Tür und Tor geöffnet" worden. Das habe sie damals nicht so realisiert, "ich war zu gutgläubig", begründete sie, weshalb sie das Sitzungsprotokoll ungelesen und "im Vertrauen" unterschrieben hatte, obwohl die Zeitangaben nicht stimmten und wegen einer Differenz von drei Stimmen auch drei leere Kuverts einfach weggeworfen wurden.

Der grüne Beisitzer Wolfgang Essl erklärte nach seiner Zeugenaussage in Interviews, Verständnis für die Anfechtung der FPÖ zu haben. Es sei demokratiepolitisch wichtig, Unregelmäßigkeiten aufzuklären. Es sei auch eine Frage des Prozederes, das derzeitige System sei nicht optimal. Der enorme Andrang auf Wahlkarten in einem großen Bezirk wie Wien-Umgebung habe die Bezirkshauptmannschaft herausgefordert. Er habe dem Wahlleiter vertraut, dass alles rechtskonform war.

Bezirkshauptmann von Hermagor: "Nicht schlampig gearbeitet"
Der Leiter der Bezirkswahlbehörde von Hermagor, ein Jurist, wurde mehrmals gefragt, wie er annehmen konnte, dass sein Handeln rechtskonform sei. Auch zum ungenauen Umgang mit Niederschriften, Protokollen und Ladungen sowie bei Blanko-Unterschriften wurden kritisch nachgefragt. Dass "schlampig" gearbeitet worden sei, ließ der Bezirkshauptmann nicht gelten.

Freistadt: Wahlbehördenleiter verweigert Aussage
Der Wahlbehördenleiter des Bezirks Freistadt war dann der erste Zeuge, der sich der Aussage entschlug. Er fürchte strafgesetzliche Folgen und wolle sich nicht selbst belasten, sagte der in Begleitung seines Anwalts erschienene Jurist. Zuvor hatte ein FPÖ-Beisitzer berichtet, dass die Wahlkarten in Freistadt vorzeitig ausgezählt worden seien.

Urteil am 6. Juli eher unwahrscheinlich
Ob die Wahl tatsächlich wiederholt werden muss, entscheidet der VfGH - und der hat nicht nur bis Donnerstag öffentliche Verhandlungen mit rund 90 Zeugen angesetzt, sondern muss sich mit der Causa auch noch nächste Woche auseinandersetzen: Mindestens ein weiterer Verhandlungstag ist für Mittwoch, den 29. Juni, vorgesehen. Ein Urteil am 6. Juli - wie ursprünglich angedacht - scheint fraglich.

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