Conny Bischofberger:

So waren meine acht Stunden mit Niki Lauda

Wirtschaft
10.10.2015 16:03
Wenn ein dreifacher Formel-1-Weltmeister das Tempo für ein Buch vorgibt, wird das eine intensive Sache. Conny Bischofberger über den Menschen Niki Lauda.

Der Frühling 2015 wird mir ewig als Lauda-Frühling in Erinnerung bleiben. Er begann an einem Mittwochmorgen im April. Ich traf Niki Lauda im Wiener Café Imperial, um unser Buchprojekt zu besprechen. Sein rotes Kapperl leuchtete schon von Weitem, er ließ sich gerade den letzten Gang seines Frühstücks - gerissener Apfel mit Joghurt - servieren. Es war 7.50 Uhr, ich wusste bereits von vielen Terminen der vergangenen 20 Jahre, dass er Zufrühkommen schätzt.

Geld-Buch? Fangen wir gleich an!
In allen Interviews, nicht nur in meinen, hatte Lauda auf Geldfragen immer geantwortet: "Über Geld spreche ich nicht." Und jetzt wollte ich mit ihm ein Buch über das große Tabu schreiben. Ich rechnete damit, dass er mir spontan den Vogel zeigen würde. Ich malte mir aus, dass er mich fragen würde: "Bist du verrückt?" Dann würden wir beide lachen, und das Thema wäre erledigt.

Aber Lauda gefiel die Idee. "Warum fangen wir nicht gleich an?", meinte er. Gott sei Dank habe ich immer mein Sony-Aufnahmegerät dabei. Es war das erste von insgesamt acht Gesprächen über Traumdeals und Risikogeschäfte, Spekulationen und Emotionen, Geiz und Gier. Achtmal 60 Minuten.

So viele Brüche in seiner Biografie
Als Journalistin suche ich in Biografien immer die Brüche. Nicht die stromlinienförmige Chronologie, sondern die Abweichungen machen den Menschen aus. In keiner anderen Biografie fand ich so viele Brüche wie in der von Niki Lauda. Fast immer haben diese Brüche bei ihm auch mit Geld zu tun. Der Feuerunfall am Nürburgring kickte ihn aus dem Millionengeschäft des Rennsports, der Flugzeugabsturz der Lauda Air brachte ihn an seine persönlichen und finanziellen Grenzen. Mir ist noch immer ein Rätsel, wie sich so viel Geld und Leben in acht Stunden ausgegangen ist.

Null Kränkung, null Wehmut, null Schmerz
Die Antwort liegt in Laudas Persönlichkeit. Er ist der zeitökonomischste, präziseste und unkomplizierteste Interviewpartner, den ich in mehr als dreißig Jahren meiner Tätigkeit als Journalistin kennengelernt habe - und einer der ganz wenigen, mit dem ich per Du bin.

Stichwort Zeitökonomie: Nach unserer ersten Sitzung fragte er mich: "Wie lange wird das noch dauern?" Nach unserer zweiten Sitzung wollte er wissen, ob es denn schon ein geschriebenes Kapitel gebe.

Stichwort präzise: Während vergleichbare Gespräche oft bis zu dreißig DIN-A4-Seiten füllen, passt ein Lauda-Dialog locker auf zehn bis zwölf Blätter. Seine knappe Sprache ist für eine Autorin eine echte Herausforderung. Vor allem wenn es um Emotionen geht, antwortet er gerne mit "Null!". Null Kränkung, null Wehmut, null Schmerz.

Sein meistverwendetes Eigenschaftswort ist "logisch". Darauf folgen immer einleuchtende, meist technische Erklärungen - etwa über die Ursachen eines Flugzeugabsturzes oder einen Sieg in der Formel 1. Sein liebster Satz ist "Langer Rede kurzer Sinn". Immer wenn er etwas erzählen sollte und es dann ins Detail ging, wurde es ihm zu blöd, und er sagte: "Langer Rede kurzer Sinn, du kennst die Geschichte eh." Vorsichtshalber solle ich die Einzelheiten in seiner einzigen autorisierten Biografie noch einmal nachlesen. Danke, Herbert Völker, dass wir in diesem Buch so oft darauf Bezug nehmen durften.

Niki ist geradezu irrwitzig konsequent
Stichwort unkompliziert: Wenn ich Niki Lauda fertige Kapitel mailte, dauerte es keine zwei Stunden, bis seine Antwort aufpoppte. Es gab drei Versionen davon: "Okay, Niki", "Danke, Niki" und "Super, Niki". Wenn er Kleinigkeiten ändern wollte, rief er mich an, das ging alles ruckzuck. Er zählt nicht zu jenen Menschen, die sich alles zweimal überlegen.

So gab Niki Lauda das Tempo für dieses Buch vor, und es wurde ein ziemlich intensiver Frühling. Ich habe in diesen Monaten das Café Imperial mit seinen rot gepolsterten Bänken, den frischen Rosen auf dem Tisch, den Spiegeln, in denen das Licht der Kristallluster glitzert, lieb gewonnen. An acht Mittwochen durfte ich am ersten Tisch links im hintersten Zimmer frühmorgens den Menschen Lauda aus nächster Nähe studieren. Seine ungeheure Präsenz. Wie er, ohne den Faden zu verlieren, für Fans, die an seinen Tisch kamen, Autogramme schrieb. Wie er während meiner Fragen - sichtlich amüsiert - Ehedramen, die sich am Nebentisch abspielten, registrierte. 60 Minuten Lauda exklusiv. Nur zur Lüftung des Kapperls oder zum Nachdenken hielt er während des Redens manchmal kurz inne und strich sich über den nackten Schädel. Das verbrannte Ohr, das verbeulte Gesicht: Zeichen seines unzerstörbaren Willens zu überleben.

Laudas Schlüsselsätze zum Erfolg markieren den Beginn der Kapitel in diesem Buch. Es sind persönliche Bekenntnisse einer irrwitzigen Konsequenz. So viel Lust, mit Geld zu arbeiten. So wenig Lust, es auszugeben.

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