27. August 1944. Otto Rauch sitzt in einem Schleppkahn, der sich auf der Donau durch Rumänien langsam flussaufwärts bewegt - Schulter an Schulter zusammengekauert mit seinen Kameraden.
In seiner Hand hält der 34-Jährige eine kleine Ansichtskarte - mit zittrigen Fingern schreibt er seiner Ehefrau, die zu Hause in Niederösterreich zusammen mit der kleinen Tochter sehnlichst auf Nachricht von ihrem Mann wartet. "Hoffentlich wird der Brief so halbwegs leserlich, Tinte habe ich keine mehr und auch nicht viel Platz zum Schreiben", so der Niederösterreicher.
"Ich komme schon durch und wieder zu euch"
Rauch wählt seine Worte mit Bedacht, in nur wenigen Zeilen beschreibt er vage, was er tagtäglich zu Gesicht bekommt. "Hier herrscht heute schon seit dem Morgen Fliegeralarm, aber das ist nicht so tragisch. Die Amerikaner flogen heute fortlaufend nach Rumänien ein, gerade über uns hinweg, ich glaube, die bekämpfen unsere Front drüben."
Immer und immer wieder betont der Mann, seine Familie zu vermissen. "Ich will nur hoffen, dass meine beiden Guckerln wohlauf sind, das ist meine größte Sorge." Um ihn selbst brauche seine Frau aber nicht zu bangen: "Ich komme schon durch und wieder zu euch."
Verwundung rettete Soldat das Leben
Dass sich Rosa aber völlig zu recht Sorgen machte, wird durch einen der Briefe deutlich. So erzählt der Niederösterreicher - beinahe beiläufig -, verwundet worden zu sein: "Ich kam gerade von unserem Bunker, da hörte ich es so sausen und bückte mich, im gleichen Augenblick spürte ich einen Schlag an der rechten Schläfenseite. Ich fuhr mit der Hand hinauf, die war voller Blut."
Rauch kam glücklicherweise mit einer leichten Verletzung davon - dennoch wurde er daraufhin von seinem Trupp abgezogen. Das dürfte dem Familienvater das Leben gerettet haben, wie er schreibt: "Ob meine Einheit überhaupt noch existiert, ich glaube fast, die sind nicht mehr herausgekommen."
"Hoffentlich haben euch die Flieger verschont"
Rauch kehrte 1945 aus dem Krieg zurück. Er verlor gegenüber seiner Familie - insgesamt zog er mit Rosa drei Kinder groß - nie ein Wort über das Erlebte. 1999 verstarb der Mann im 89. Lebensjahr, seine Frau folgte ihm 2010.
Erst das Studium der nun aufgetauchten Feldpostkarten und der seitenlangen Briefe - insgesamt bewahrte Rosa über all die Jahre rund 50 Nachrichten auf - gab den Hinterbliebenen einen kleinen Einblick in die andauernde Ungewissheit, die das Paar durchleben musste: "Wie wird es meinen beiden Menscherln gehen? Hoffentlich seid ihr gesund und die Flieger haben euch verschont. Wir wissen ja gar nicht, was sich überhaupt tut in der Welt. Kopf hoch, Guckilein, und nicht verzagen, es wird schon alles gut. Dein Darling."
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