"Krone"-Interview

Sind Sie noch der Königsmacher, Herr Pröll?

Österreich
29.08.2014 18:00
Drei Tage nach dem Polit-Beben in der ÖVP spricht Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (67) mit Conny Bischofberger über Grabenkämpfe in seiner Partei, den neuen Finanzminister Hans Jörg Schelling und seine Gespräche mit dem als ÖVP-Obmann zurückgetretenen Michael Spindelegger.

Es ist Freitagnachmittag, Erwin Pröll ist gerade einmal 17 Stunden aus seinem Urlaub zurück, und die ÖVP hat einen neuen Chef. Der Oberösterreicher Reinhold Mitterlehner (Wirtschaftsbund) folgt dem Niederösterreicher Michael Spindelegger (ÖAAB) nach. Prölls Sprecher ruft aus dem Dienst-Mercedes an und reicht das Handy weiter. Während in Wien gerade festgelegt wird, dass der Vorarlberger Hans Jörg Schelling neuer Finanzminister werden soll, spricht der ÖVP-Grande im "Krone"-Interview über das politische Erdbeben, das seine Partei erfasst hat. Wie stark greift er in die Aufräumarbeiten ein? Pröll betont neckisch, dass er nur der "Zuarbeiter" sei und dem neuen Chef freie Hand lasse.

"Krone": Herr Landeshauptmann, als Michael Spindelegger am Dienstag alles hingeworfen hat, waren Sie in Grado auf Urlaub. Hat er es Ihnen vorher gesagt?
Erwin Pröll: Ja... Ich hatte bereits vor einigen Wochen ein langes Gespräch mit ihm, da hat er angedeutet, dass er mit diesem Gedanken spielt, wenn der öffentliche Druck weiter anhält. Am letzten Samstag bin ich dann am Sarg seines Vaters gestanden und habe mich verabschiedet. Ich konnte spüren, wie nahe Michael Spindelegger das alles geht. Die Diskussion, die dann weiterhin geführt wurde, hat seine psychische Situation wohl noch verschärft. Ich habe damals schon befürchtet, dass er die Entscheidung so trifft, wie er sie getroffen hat. Am Dienstag um halb acht kam der Anruf: "Erwin, es ist so weit." Ich hatte ihm lange Zeit davon abgeraten, aber da konnte ich es nur noch zur Kenntnis nehmen.

"Krone": Tut Ihnen Michael Spindelegger leid?
Pröll: So was gönnt man niemandem, deshalb habe ich großen Respekt vor ihm. Ich weiß, wie sehr er sich eingebracht hat – bis an seine physischen und psychischen Grenzen. Denn seine Persönlichkeitsstruktur ist einfach zu skizzieren: Er ist ein grader Michl, keiner, der mit irgendwelchen Roßtäuschermethoden in der Politik arbeitet. Ein seriöser Makler im wahrsten Sinn des Wortes.

"Krone": War es nicht auch verantwortungslos von Spindelegger, einfach alles hinzuschmeißen? Er hätte ja auch die ÖVP-Obmannschaft zurücklegen und den Rest geordnet übergeben können.
Pröll: Schauen Sie, in der Theorie ist natürlich alles immer einfacher. Aber in Wahrheit ist das alles eine Frage der inneren Entscheidung, die jeder Einzelne für sich selber treffen muss. Er wusste sehr wohl, dass das eine Situation ist, die die Partei und das staatspolitische Gefüge durcheinanderbringen wird. Trotzdem hat er sie so getroffen.

"Krone": Wir haben das Wetter in Grado gegoogelt, dort hat es am Dienstag geregnet, trotzdem haben Sie Ihren Urlaub nicht abgebrochen. Warum?
Pröll: Jeder weiß, dass ich mich nicht schone. Und meine Familie hat auch das Recht, einige wenige Tage außerhalb des Jobs mit mir zu verbringen. Außerdem war erst am Dienstagvormittag klar, dass die Parteivorstandssitzung am Abend sein würde. Grado - Wien, da fährt man sechs Stunden, das wäre sich nicht mehr ausgegangen.

"Krone": Man könnte das auch anders deuten: Dass Sie jene, die Michael Spindelegger gegenüber nicht loyal waren, zappeln lassen wollten...
Pröll: Nein, das ist eine Fehlinterpretation. Keiner kann Missgunst zwischen die Verantwortungsträger der ÖVP bringen, in solchen Situationen ist die Partei immer zusammengerückt. Da soll man niemanden zappeln lassen, sondern sich konstruktiv einbringen. Eine Zeitung hat geschrieben, ich hätte vor Wut mein Handy abgeschaltet. Aber das ist absoluter Unsinn. Nach dem Rücktritt habe ich drei Akkus leertelefoniert.

"Krone": Sind Sie noch der Königsmacher in der ÖVP?
Pröll: Ich bin nicht der Königsmacher, nein, ich bin ein Teil des größeren Ganzen, der versucht, sich einzubringen, ein Zuarbeiter, wenn Sie so wollen.

"Krone": Jetzt sind Sie neckisch.
Pröll: Warum glauben Sie das? Fragen Sie nach. Ich habe schon vielen Bundeskanzlern zugearbeitet. (lacht)

"Krone": Haben Sie sich über den Tiroler Landeshauptmann und den ÖAAB-Obmann nicht sehr geärgert? Sie haben Spindelegger offen zum Rücktritt aufgefordert.
Pröll: Ich habe das registriert und mir gedacht, was jetzt wohl im Kopf von Michael Spindelegger vorgeht. Geärgert hab' ich mich nicht. Aber nach einigen Jahrzehnten, die ich in der Politik bin, weiß ich: In entscheidenden Situationen ist Coolness gefragt, professionelles Arbeiten. Emotionen sind da der falsche Begleiter.

"Krone": Erhard Busek meinte, Sie sollten die ÖVP interimistisch leiten. Hat Ihnen dieser Vorschlag gefallen?
Pröll: Busek hat es ehrlich gemeint, und deshalb ehrt mich das. Ich glaube aber, dass die Entscheidung, so wie sie jetzt gefallen ist, die richtige Entscheidung war.

"Krone": Warum sägt die ÖVP jeden Obmann ab?
Pröll: (denkt kurz nach, widerspricht aber nicht) Die ÖVP ist eben eine föderale Partei, mit allen Vor- und Nachteilen. Sie versucht, unterschiedlichste Interessen in dieser Partei auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Das ist sehr, sehr schwer, vor allem, wenn man Juniorpartner in einer Regierung ist. In der ÖVP sind auch die Bundesländer Herr in ihrem eigenen Haus. Da werden diese Interessen halt pointiert formuliert und dann kann es schon einmal zu einem Auseinanderdriften kommen.

"Krone": Worauf muss Reinhold "Django" Mitterlehner... Wie gefällt Ihnen eigentlich sein Spitzname?
Pröll: Wichtig ist, dass er ihm gefällt...

"Krone": Worauf muss Mitterlehner jetzt achten?
Pröll: Erstens: harte Arbeit für die Sache. Zweitens: klare Linien, nach innen und nach außen. Drittens: Nähe zum Bürger. Aufgrund der Erfahrung, die er mitbringt, traue ich ihm das zu.

"Krone": Aber er war nicht Ihr Kandidat... Wäre Ihnen Johanna Mikl-Leitner nicht lieber gewesen?
Pröll: Das stimmt nicht. Und die Frage hat sich nicht gestellt, weil Mikl-Leitner das von vornherein ausgeschlossen hat.

"Krone": Telefonieren Sie auch mit Mitterlehner?
Pröll: Ja, freilich.

"Krone": Ganzer oder halber Akku?
Pröll:(lacht)Das kann ich ehrlich nicht beantworten, aber es waren schon einige Telefonate.

"Krone": Die "Süddeutsche" hat über den Posten des ÖVP-Chefs geschrieben: "Wer sich traut, stirbt einen schnellen Tod." Ist Reinhold Mitterlehner ein Übergangskandidat, bis Sebastian Kurz antreten muss?
Pröll: Das hoffe ich nicht. Ich traue ihm aufgrund seines Standings zu, dass er kein Übergangskandidat sein wird. Im Übrigen ist bei jeder Spitzenfunktion in der Politik die Gefahr gegeben, einen schnellen politischen Tod zu sterben. Eine harte Herausforderung und riesige Anforderung an einen Menschen.

"Krone": Jetzt soll Hans Jörg Schelling Finanzminister werden. Angeblich sind Sie kein Freund von ihm.
Pröll: Mein Gott, was man alles so liest... Aber abgesehen davon ist die Besetzung des Finanzministeriums ja keine Brautschau, wo es um Liebe oder Freundschaft geht. Das ist eine Frage des Anforderungsprofils. Da sollen weder regionale noch bündische Interessen eine Rolle spielen.

"Krone": Ist Schelling ein guter Kandidat?
Pröll: Es gibt eine Reihe von guten Kandidaten. Schelling zählt zweifelsohne dazu. Ich lasse Reinhold Mitterlehner, was seine Personalvorstellungen betrifft, freie Hand. Denn die sind Chefsache. Und was ich für mich selbst in Niederösterreich in Anspruch nehme, das billige ich auch einem Reinhold Mitterlehner zu.

"Krone": War der Rücktritt von Michael Spindeleg an die eigene Partei, sondern auch eine Warnung an den Bundeskanzler, denn solche Irritationen tun auch einer Koalition nicht gut. Deshalb soll man sehr vorsichtig sein im Herbeiführen von Situationen, die solche Dinge auslösen. Auch der Regierungspartner muss darüber nachdenken, warum es so ist, wie es jetzt ist.

"Krone": Aber Werner Faymann ist nicht schuld, dass Spindelegger nicht mehr wollte, oder?
Pröll: Ich bin weit entfernt, das zu beurteilen. Nur eines: Es ist auch die Verantwortung des Regierungschefs, in größeren Zusammenhängen zu denken. Er ist auf die Republik vereidigt, nicht auf ein Parteistatut, und muss deshalb für Stabilität sorgen.

"Krone": Andrä Rupprechters Rezept für die ÖVP war: An apple a day keeps all Kummer away.
Pröll: Ja, Rupprechter ist für derartige Schmunzler immer gut genug.

"Krone": Und: Essen Sie derzeit vermehrt Äpfel?
Pröll: Na, freilich, noch dazu aus dem eigenen Garten.

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