Weitere Geschäfte

Salzburger Finanz-Pulverfass größer als befürchtet?

Österreich
13.12.2012 01:05
Das Finanz-Pulverfass, auf dem das Land Salzburg sitzt, ist offenbar weitaus größer als bislang angenommen. Laut Landeshauptmann-Stellvertreter Wilfried Haslauer soll das Land neben den offiziellen 50 Derivatgeschäften noch 253 weitere solcher teils hochriskanten Spekulationsgeschäfte laufen haben. Finanzlandesreferent David Brenner habe dies verschwiegen, so der ÖVP-Landeschef. Brenner erklärte wiederum, die Geschäfte seien bereits im Oktober aufgelöst worden. Landeshauptfrau Gabi Burgstaller enschuldigte sich indessen den Tränen nahe bei der Salzburger Bevölkerung.

In der Finanzabteilung des Landes wurde Anfang Oktober ein neuer Mitarbeiter engagiert, nachdem jener Referatsleiterin die Vollmachten entzogen worden waren, die offenbar nicht genehmigte Geschäfte abgeschlossen hatte - und damit nach derzeitigem Stand 340 Millionen Euro verspekuliert haben soll. Schon in der zweiten Woche habe der Beamte festgestellt, dass neben den - damals erst seit Kurzem bekannten - offiziellen Geschäften auch andere nebenher gelaufen seien, sagte Haslauer bei der Landtagsdebatte am Mittwoch.

Brenner bereits am 15. Oktober informiert
Am 15. Oktober gab es dann am Nachmittag bei Brenner eine Besprechung, an der auch der Leiter der Finanzabteilung, Eduard Paulus, teilnahm. Ein Aktenvermerk von Paulus über das Gespräch liegt der Austria Presse Agentur vor: Man habe Brenner informiert, dass mit Stichtag 15. Oktober der offizielle Portfolio-Report der Deutschen Bank, der regelmäßig dem Finanzbeirat des Landes übermittelt werde, 49 Derivatgeschäfte enthält.

"Eine zum Wochenende von (Name des Mitarbeiters) durchgeführte Erhebung bei allen Banken, mit denen das Land Salzburg in den letzten Jahren in Geschäftsverbindung stand, hat ergeben, dass zusätzliche 253 Derivatgeschäfte existieren, die von (Name) der Portfolio-Rechenstelle der Deutschen Bank in Frankfurt nicht gemeldet worden sind", heißt es in dem Report weiter.

Haslauer: "Krisenmanagement vollends versagt"
Die Parteien seien darüber nicht informiert worden, "und da wundern Sie sich, wenn das Vertrauen in den Finanzreferenten erschüttert ist", so Haslauer. Er selbst habe von den zusätzlichen Derivatgeschäften erst am Dienstag erfahren, sagte der Salzburger ÖVP-Chef. "Das Vertrauen in die Regierung Burgstaller ist in der Bevölkerung zutiefst erschüttert. Hier hat das Krisenmanagement und die Information vollends versagt."

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Land: Geschäfte bereits im Oktober aufgelöst
Brenners Büro reagierte umgehend auf die neuen Vorwürfe: Einem Sprecher zufolge habe der Finanzreferent bei der Besprechung am 15. Oktober den Auftrag erteilt, die 253 Derivatgeschäfte aufzulösen unter der Maßgabe, dass dem Land Salzburg kein Schaden dadurch entstehe. Dies sei inzwischen geschehen, alle Geschäfte seien aufgelöst worden. Daher seien in einer Anfragebeantwortung Brenners vom 16. November diese Geschäfte auch nicht mehr aufgeschienen, weil sie gar nicht mehr existiert hätten.

Brenner selbst ergänzte in einem Statement bei der Landtagssitzung, er sei bei dem Termin am 15. Oktober darüber informiert worden, dass es sich bei den 253 Deals um nach dem Vier-Augen-Prinzip abgeschlossene Geschäfte handle, die nicht nach Frankfurt gemeldet worden waren.

Das Hauptproblem sei, dass über Jahre Reporte vorgelegt worden seien, die immer im Plus gewesen seien, so der Finanzlandesreferent weiter. "Heute wissen wir, dass Teile dieser Geschäfte gar nicht in die Berechnung eingegangen sind, dass Berichte des Finanzbeirates nachträglich manipuliert wurden", sagte Brenner. "Wir haben keinen objektiven Blick auf das, was Realität ist, gehabt."

Verlust von bis zu 1,7 Milliarden Euro möglich?
Der Finanzlandesreferent hatte nach Auffliegen der Spekulationsaffäre von einem rechnerischen Minus von 340 Millionen Euro gesprochen. Sollte dieser Betrag voll schlagend werden, dann würde das den Schuldenstand des Landes um fast 40 Prozent erhöhen. Derzeit steht das Land nämlich mit 886,7 Millionen Euro in der Kreide. Allerdings soll der Schuldenstand laut aktueller Finanzplanung auch ohne zusätzliche Spekulationsverluste bis 2014 auf 1,05 Milliarden Euro ansteigen.

Das Risiko des Landes aus seinen Finanzgeschäften könnte allerdings noch deutlich höher als die erwähnten 340 Millionen Euro sein. Der Geschäftsführer des auf Gemeindefinanzen spezialisierten Beratungsunternehmens Collatio, Rainer Stich, warnte am Mittwoch davor, dass das Land nach wie vor auf einem regelrechten Pulverfass sitze - ohne dabei die neu bekannt gewordenen 253 Derivatgeschäfte berücksichtigt zu haben. Das Unternehmen hält laut einem Gutachten angesichts der bisher bekannten Informationen ein maximales Verlustrisiko des Landes durch Spekulationen von bis zu 1,7 Milliarden Euro für möglich.

Unverständlich ist für Stich, warum die Ermittlung der Dimensionen der Finanzgeschäfte Wochen oder Monate dauern sollte. Die notwendigen Informationen, um eine Übersicht hinsichtlich Nominale und Marktwert zu erhalten, kann tagesaktuell von den involvierten Banken dem Land Salzburg zur Verfügung gestellt werden. "Unabhängig vom Volumen und von der Anzahl der Geschäfte analysieren wir die von uns betreuten Fälle innerhalb einer Woche", erklärte der Experte. "Schon allein aufgrund der vorhandenen Informationsplattformen im Land ist ein aussagekräftiges Ergebnis innerhalb eines Tages möglich."

Burgstaller entschuldigt sich bei Bürgern
Landeshauptfrau Gabi Burgstaller bat indessen in der Landtagssitzung um Entschuldigung. "Ich möchte mein ehrliches und tiefes Bedauern ausdrücken und mich bei der Salzburger Bevölkerung dafür entschuldigen, dass der Eindruck entstanden ist, wir hätten das Land in die größten Turbulenzen gebracht", sagte sie in der dem Finanzskandal gewidmeten Aktuellen Stunde.

"Ich verspreche, ich werde alles dazu beitragen, Schaden von diesem Land abzuhalten." Sie wolle das Image dieses Landes und das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik wiederherstellen, erklärte die mit Tränen kämpfende Politikerin. "Sollte sich herausstellen, dass ich etwas politisch falsch gemacht oder falsch eingeschätzt habe, werde ich auch zurücktreten", so Burgstaller.

Landeshauptfrau gibt zu, Skandal "unterschätzt" zu haben
Im "ZiB 2"-Interview mit ORF-Moderator Armin Wolf am Mittwochabend betonte die Landeshauptfrau, den Skandal zunächst unterschätzt zu haben. "Mittlerweile zeigt sich, dass es wesentlich komplizierter ist, denn nach meinen Informationen sind diese Geschäfte seit über zehn Jahren an allen Kontrollinstrumenten vorbeigelaufen. Wenn das so ist, dann heißt das auch, dass die Aufarbeitung nicht in wenigen Tagen oder Wochen passieren wird. Manche meinen, es werde Jahre dauern, bis diese Geschäfte abgewickelt sind - und zwar so, dass es zumindest schadensmindernd geschieht", erklärte Burgstaller. Auf die Frage, wann sie das erste Mal von den misslungenen Spekulationen erfahren habe, gab die Salzburger Landeshauptfrau den 3. Dezember an.

Warum man den Koalitionspartner und den Landtag nicht schon früher informiert habe, begründete Burgstaller damit, dass man noch nähere Informationen und einen Bericht der Finanzabteilung abgewartet habe.

Beschuldigte Beamtin bleibt auf freiem Fuß
Jene 41-jährige Beamtin, die den Finanzskandal verursacht haben soll, bleibt auf freiem Fuß: "Wir sehen derzeit keinen Haftgrund", sagte Staatsanwältin Alexandra Maruna von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in Wien. Laut Maruna bestehe momentan weder Flucht-, Verdunkelungs- noch Tatbegehungsgefahr. "Die Frau ist kooperativ und aussagebereit, sie hat uns auch eigene Unterlagen auf einem USB-Stick überreicht und war bei der Hausdurchsuchung dabei. Sie hat auch keine Möglichkeit mehr, eine weitere Tat zu begehen", so die Staatsanwältin.

Ermittlungen seit Montag voll im Gange
Seit Montag ermitteln in Salzburg im Auftrag der WKStA Beamte des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung. Laut Maruna führen bis zu zehn Ermittler Befragungen durch und sichern Akten, Festplatten sowie elektronische Speichermedien. Betroffen waren bislang vor allem die Büros der Finanz- und der Personalabteilung des Landes. Ob noch andere Büros, etwa das von Brenner, durchsucht werden, würden die Beamten spontan entscheiden. Die Arbeiten der Ermittler dürften der Staatsanwältin zufolge noch die ganze Woche andauern.

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