Meine Geschichte

“Oft zittere ich vor Traurigkeit und Kummer”

Österreich
31.08.2016 17:00

Vor ihren Augen ging Ilonas Haus in Flammen auf. Lesen Sie das Protokoll einer Frau, die durch ein Feuer fast alles verlor, beinahe auch ihr Leben.

Bei einem Niederdruck-Wetter riechst du den Rauch heute noch. Er hat sich in die Ritzen, Spalten, Mauern hineingefressen. Fast will man meinen, dass er verhindern will, dass ich diese schreckliche Nacht im Jänner 2012 vergesse. Wie könnte ich? Die Flammen haben einen großen Schatten über mein Leben geworfen.

"Es brennt, es brennt! Ihr müsst raus hier!", die panischen Schreie meines Cousins Werner, der neben uns wohnt, kann ich noch heute hören. Ich bin schon im Bett gewesen, als er die Schlafzimmertür aufgeschlagen, mich gepackt und ins Freie gezogen hat. Das Gleiche hat er dann mit meiner 90-jährigen Mutter gemacht. Mein Mann hat sich noch selbst in Sicherheit bringen können.

Vom Nachbarhaus aus mussten wir dann zuschauen, wie die glühenden Balken mit lautem Krachen zusammengestürzt sind. Bis auf Küche und Wohnzimmer ist uns damals alles ausgebrannt. Auf lange Sicht war es allerdings nicht der materielle Schaden, der mir so zugesetzt hat. Wir hatten eine Feuerversicherung, und die monatelange Putzerei war lästig, aber ich habe mich nie davor gescheut, mir die Hände schmutzig zu machen.

Aber: Weder mein Mann noch meine Mutter konnten sich von dem Schock erholen. Beide sind nach wenigen Monaten an den Folgen gestorben. Meinen Mann vermisse ich schrecklich, doch als 73-Jährige muss man damit rechnen, eines Tages Witwe zu sein. Auch die Mutti hatte ihr Leben gelebt.

Allerdings hat sie kurz vor der Katastrophe zum ersten Mal angedeutet, dass es noch was zu reden gäbe zwischen uns. Mir war klar, was sie meinte. Sie hat immer zugemacht, wenn ich wissen wollte, warum sie mich bei der Oma hat aufwachsen lassen und selber in Deutschland gelebt hat. Auch wusste ich nie, weshalb sie keinen Kontakt zu meinem Vater wollte. Sie hatte damals anklingen lassen, es gebe alte Liebesbriefe, Fotos und Dokumente, die alles erklären würden. Doch dann hat das Feuer dieses Familiengeheimnis verschlungen.

"Aufstehen und weitermachen"
Es ist, als würde dir eine Eisenstange über den Schädel gezogen, wenn du merkst, wie dir das Schicksal mitgespielt hat. Oft zittere ich vor Traurigkeit und Kummer. Aber dann sage ich mir wieder: "Aufstehen und weitermachen". Ist man sich das nicht selber schuldig? Ich habe auch noch zwei Söhne, Enkel und drei Urenkelinnen. Denen muss ich doch ein Vorbild sein. Ich habe schon einmal bewiesen, dass man mit allem fertig werden kann. Das war 1987, als mein ältester Sohn ums Leben gekommen ist.

Ich habe gelernt, Dinge zu erdulden und dass alles seine Zeit hat. Auch das nächste Niederdruck-Wetter. Doch dann werde ich wieder vors Haus gehen und sehen, dass da keine Brandruine mehr ist. Aus Schutt und Asche habe ich mir nämlich ein neues Zuhause aufgebaut.

Tipps und Infos

  • Österreichs Feuerwehren sind im Jahr 2015 insgesamt 66.642 Mal ausgerückt. Nach Büro-und Industriegebäuden brannte es am häufigsten in Wohnhäusern
  • In Österreich besteht keine Versicherungspflicht für Gebäude. Dennoch raten Experten dazu. So könne ein Feuer ein Haus in kurzer Zeit so stark beschädigen, dass es nicht mehr bewohnbar ist.
  • Bei akuten Belastungssituationen wie z. B. nach einem Brand hilft der Notfallpsychologische Dienst Österreich (NDÖ) unter der Telefonnummer 0699/188-55-400 (Zentrale rund um die Uhr besetzt).

Haben Sie auch ein Schicksal gemeistert und können damit anderen Mut machen? Bitte schreiben Sie mir: brigitte.quint@kronenzeitung.at

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