"Krone"-Interview

Niessl fordert Kurswechsel der SPÖ bei Asylfrage

Österreich
30.11.2015 20:32
"Die Menschen in Österreich erwarten sich eine Kursänderung in der Flüchtlingspolitik." Mit dieser klaren Aufforderung an seine Partei lässt Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl im "Krone"-Interview aufhorchen. Niessl ist der erste prominente und einflussreiche SPÖ-Politiker, der aus der von Bundeskanzler Werner Faymann vorgegebenen Linie ausschert.

"Eine Flüchtlingspolitik, die den Grundsatz hat, dass jetzt eh der Winter kommt und damit weniger Flüchtlinge, halte ich für verantwortungslos und nicht vorausschauend", drückt Niessl gegenüber der "Krone" in ungewohnter Schärfe seine Unzufriedenheit aus.

"Können nicht unbegrenzt aufnehmen"
Der burgenländische Landeshauptmann sagt: "Es ist ein Kurswechsel der SPÖ in der Asylpolitik notwendig." Dafür sprechen auch die aktuellen Entwicklungen in Europa: "Schweden macht die Grenzen dicht und Deutschland fordert massiv europäische Kontingente." Damit hätten die beiden neben Österreich am meisten von der Flüchtlingsbewegung betroffenen Staaten bereits reagiert und einen Kurswechsel vollzogen, argumentiert Niessl. "Österreich kann nicht als einziger europäischer Mitgliedsstaat glauben, weiter unbegrenzt aufnehmen zu können. Damit isolieren wir uns geradezu", so der SPÖ-Spitzenpolitiker.

Der sonst eher gelassene Landeshauptmann wird bei diesem Thema für seine Verhältnisse sehr emotional. "Wir können doch nicht glauben, dass wir jedes Jahr 100.000 Flüchtlinge aufnehmen und in weiterer Folge die Integration zu 100 Prozent und ohne Probleme funktionieren wird. Als Politiker müssen wir hier verantwortungsvoll für die nächsten Generationen handeln."

"Wie soll das auf Dauer funktionieren?"
Niessl sagt, dass man sich "schon im Klaren sein muss, dass der große Flüchtlingsandrang erst der erste Schritt ist. Alle jene, die jetzt kommen, brauchen in weiterer Folge einen Wohnraum, einen Arbeitsplatz, einen Kindergartenplatz." Integration könne nur gelingen, wenn für die Asylsuchenden und Zuwanderer auch Perspektiven vorhanden sind. "Wir haben im Moment eine sehr hohe Arbeitslosigkeit und zu wenig Wohnraum. Wie soll das auf Dauer funktionieren?", setzt der Landeshauptmann nach.

In diesem Zusammenhang tritt Niessl auch für eine "klare Trennung von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen" ein. "Wirtschaftsmigranten ohne Registrierung und ohne Kontrolle ins Land zu lassen, halte ich für einen problematischen Ansatz", drängt Niessl auf rigorose Datenerfassung.

Bruckneudorf: Hunderte protestieren gegen Containerdorf
Jüngster Stein des Anstoßes im Burgenland ist das geplante Containerdorf für Flüchtlinge am Truppenübungsplatz in Bruckneudorf (Bezirk Neusiedl am See). Am Montagabend demonstrierten zum wiederholten Mal Hunderte Menschen gegen die Pläne des Bundes (siehe Video unten). Landespolitiker von SPÖ und FPÖ sind sich in ihrer ablehnenden Haltung einig. Laut Soziallandesrat Norbert Darabos (SPÖ) gebe es die Zusage seines Parteikollegen, Verteidigungsminister Gerald Klug, von dem Plan Abstand zu nehmen, "wenn Bruckneudorf die Quote erfüllt". Die Veranstalter teilten mit, dass sich bis zu 700 Menschen an dem Protest unter dem Motto "Ja zur Hilfe - Nein zum Massenquartier" beteiligt hätten, die Polizei sprach von rund 400 Teilnehmern.

Kommentar von Claus Pándi: Brücke in die Realität
"Das mit der Lawine, das ist mir sehr ernst." Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble steht zu seinem Vergleich der Flüchtlingskrise mit einer Naturkatastrophe. Der 73-jährige CDU-Politiker erwartet Realitätssinn von einer Regierung, wie er in der letzten ARD-Talkshow mit Günther Jauch am Sonntag sagte.

Manche kommen mit Tränen in dieser Wirklichkeit an. So wie unlängst Schwedens Vizeregierungschefin Asa Romson von den Grünen. Die musste wegen einer deutlichen Verschärfung der Asylgesetze weinen. Ein paar Etagen tiefer, zu den Wiener Grünen, sickert die Erkenntnis von Tatsachen eher schwer durch. Maria Vassilakou etwa soll dem Vernehmen nach von der Parteispitze rund um Eva Glawischnig recht ruppig zu einem Rückzieher gedrängt worden sein. Wiens Vizebürgermeisterin hatte es nämlich gewagt, im "Standard" über den bösen Begriff von "Obergrenzen" für Flüchtlinge nachzudenken.

Selbstständig denken gilt in den Wagenburgen von Parteizentralen als Sakrileg. Erst recht in Krisenzeiten. Und nicht nur bei den Grünen. In den nächsten Tagen wird man sehen, wie das in der SPÖ läuft. Da erwartet der Realo und mächtige Landeshauptmann Hans Niessl von seiner Kanzlerpartei eine Kurskorrektur in der Asylpolitik. Für die SPÖ könnte das eine Brücke in die Realität sein. Oder aber Niessl wird ignoriert, man macht ihn als Verräter nieder und beschreitet weiter den Weg ins Ungewisse.

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