Im Wahn gehandelt

Mitbewohner mit Hammer erschlagen: Einweisung

Österreich
15.10.2015 15:13
Ein 33-Jähriger hat sich am Donnerstag wegen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten müssen, weil er im März dieses Jahres seinen Mitbewohner in der gemeinsamen Wiener Wohnung mit einem Hammer erschlagen hatte. Der Assistent der Wiener Technischen Universität litt damals unter hochgradiger paranoider Schizophrenie. Das Gericht befand den Mann daher für unzurechnungsfähig - er wurde in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

"Ich bin jetzt in einem ganz anderen Zustand, als ich damals war. Ich kann nicht nachempfinden, was ich damals gefühlt habe. Das hätte nie, nie passieren dürfen. Bitte glauben Sie mir, dass ich kein brutaler und gewalttätiger Mensch bin", legte der 33-Jährige einem Schwurgericht dar. Laut psychiatrischem Gutachten war bei dem Dreifach-Akademiker Schuldfähigkeit nicht gegeben. "Er ist aus medizinischer Sicht kein Verbrecher. Er ist kein böser Mensch, er ist ein kranker Mensch", stellte der Sachverständige Karl Dantendorfer fest.

"Mir sind die Nerven durchgegangen"
Der Uni-Assistent hatte einen 29 Jahre alten Studenten aus Chemnitz als Untermieter in seiner Wohnung in der Ottakringer Seitenberggasse aufgenommen. Der deutsche Soziologiestudent sei "sicher kein angenehmer Mensch" gewesen, berichtete der 33-Jährige: "Er ist in meinen Raum eingedrungen, hat meine Geräte benutzt, hat die Wohnung verwahrlosen lassen." Außerdem habe der Jüngere Amphetamine konsumiert, infolge dessen oft 48 Stunden nicht geschlafen und durchgehend Techno-Musik gehört oder sich Ego-Shooter-Spielen hingegeben.

Ungeachtet dessen habe er "zu viele schlechte Dinge" in den Studenten "hineininterpretiert", legte der Uni-Assistent dar. Die Tat sei "aus der paranoiden Schizophrenie passiert, unter der ich leider gelitten habe". Er habe den jüngeren Mann, dem er mehrfach mündlich und auch schon schriftlich gekündigt hatte, wieder einmal zum Ausziehen bewegen wollen. Dieser habe sich aber "vorbeigedrängt und der Diskussion entziehen wollen". Da habe er diesem einen Stoß versetzt, der andere habe zurückgestoßen. Es sei zu einer Rauferei gekommen, er habe aus einer Werkzeugkiste einen 0,8 Kilogramm schweren Zimmermannhammer genommen und zugeschlagen: "Mir sind sicher die Nerven durchgegangen."

Laut Gerichtsmediziner Wolfgang Denk starb der Student an 15 wuchtigen Schlägen auf bzw. gegen den Kopf. Zumindest zwei Schläge wurden mit der spitzen Seite des Hammers geführt. Abschürfungen und Blutergüsse an Händen und Unterarmen legten nahe, dass sich der 29-Jährige verzweifelt zu wehren versucht haben dürfte.

"Bin auf sehr gutem Weg der Heilung"
Im Unterschied zu etlichen anderen zurechnungsunfähigen Tätern, die bei Gericht oftmals einen verwirrten, erheblich beeinträchtigten Eindruck hinterlassen, wirkte der 33-Jährige im Grauen Haus abgeklärt, souverän und als wäre er bei glasklarem Bewusstsein. "Wenn Sie mich fragen, ich bin schon sehr, sehr auf dem Weg der Heilung." Die Frage, wie lange die Krankheit noch andauern werde, beantwortete der 33-Jährige mit: "Da vertraue ich auf die Ärzte. Ich habe jetzt schon sehr, sehr lange keine Stimmen mehr gehört." Früher habe er dagegen "in einer Fabelwelt gelebt".

Dies ist insofern von Bedeutung, als der Uni-Assistent dann aus dem Maßnahmenvollzug zu entlassen ist, wenn er von Experten als ungefährlich eingestuft wird und von ihm keine Straftaten mit schweren Folgen mehr zu erwarten sind. Dass die zwangsweise Anhaltung nicht die Zeit übersteigen dürfte, die der 33-Jährige im Gefängnis abzusitzen hätte, wenn er zurechnungsfähig und damit wohl als Mörder verurteilt worden wäre - die Mindeststrafe dafür beträgt zehn Jahre Haft -, ließ der Psychiater deutlich durchblicken: "Es wird sicherlich nicht zehn Jahre stationäre Behandlung brauchen."

Der Mann habe aufgrund seiner Krankheitseinsicht und der Therapie "eine sehr positive Entwicklung genommen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass er in so kurzer Zeit eine so deutliche Besserung erfährt", sagte der Sachverständige. Abgesehen von "Tendenzen zu Größenfantasien" und einem "phasenweise Auftauchen von Wahnvorstellungen" ortete der Gerichtspsychiater kein besonderes Gefährdungspotenzial, sofern der Akademiker seine Medikamente nicht absetzt.

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