Menschliche Kälte, keine Zivilcourage, Ignoranz: All diese Schlagwörter gingen der 65-jährigen Wienerin durch den Kopf, als sie den regungslosen Mann vergangenen Donnerstag auf der kalten Bank in der U-Bahn-Station liegen sah. "Ich hatte diese Bilder im Kopf", sagt sie. Damit meint sie den obdachlosen Polen (58), der zu Weihnachten vermeintlich schlafend, jedoch tot im U-Bahn-Lift lag - und jeder über ihn drüber stieg. Victoria Kopecky wollte nicht eine von diesen Menschen sein. "Ich habe den Mann angesprochen, gefragt: 'Geht's Ihnen gut?'"
"I bring di um!"
Die darauffolgende Reaktion wird die Pensionistin wohl nie vergessen: Der Mann soll aufgesprungen sein, getobt und "seine Retterin" wüst beschimpft haben - "dann hat er geschrien: 'I bring di um!'." Danach soll er versucht haben, die 65-jährige Frau auf die Gleise zu stoßen. Sie wollte noch ihr Handy zücken, um Hilfe zu rufen - doch dann fuhr die U-Bahn bereits ein und die verängstigte Frau rannte davon.
"Nie wieder gehe ich auf jemanden zu"
"Nie wieder", sagt Kopecky. "Nie wieder gehe ich auf jemanden zu, der auf dem Boden liegt. Das hätte ich vor diesem Erlebnis nicht gesagt." Die 65-Jährige erstattete Anzeige gegen den etwa 30 Jahre alten großen und schlanken Mann mit Oberlippenbart. Was auch am Ende dieser Geschichte bleibt? Mangelnde Zivilcourage. Der Wienerin hat in ihrer Situation niemand geholfen. "Die Leute sind dagestanden und haben nur zugesehen."
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.