Flüchtlingsfrage

Landau fordert Mut und Tempo – auch von der Kirche

Österreich
22.08.2015 16:38
Mehr Mut und mehr Tempo forderte Caritas-Präsident Michael Landau in der Flüchtlingsfrage - auch von der Kirche. Sowohl bei den Gemeinden als auch in Klöstern und Pfarrgemeinden gebe es "noch Luft nach oben" für die Unterbringung der Asylwerber. Angesichts der Wahlkämpfe in Wien und Oberösterreich appellierte er am Samstag im ORF-"Journal zu Gast" zur Sachlichkeit.

Menschen dürften nicht gegeneinander ausgespielt, aber auch nicht "mit Bildern der Not Politik zu machen", etwa um auf die EU Druck auszuüben, wandte sich der Caritas-Präsident vehement gegen "politisches Hickhack", während Mütter mit kleinen Kindern im Freien schlafen müssen. Von den Zuständen in Traiskirchen zeigte er sich entsetzt. Das Innenministerium sei gefordert, die Obdachlosigkeit tatsächlich - wie angekündigt - nächste Woche zu beenden.

"Hilfseinsätze, nicht Grenzeinsätze"
Genutzt werden müsse das Know-how des Bundesheeres - da brauche man aber "Hilfseinsätze, nicht Grenzeinsätze" -, Kasernen müssten angesichts des nahenden Herbstes rasch, aber "sozial verträglich" geöffnet werden. Gefordert seien auch die Länder und Gemeinden, das "Unrecht" der Obdachlosigkeit zu beenden.

In der Kirche sieht Landau einige gute Beispiele - etwa mit Quartierangeboten in Eisenstadt oder Vorarlberg -, aber er würde sich "ähnliche Klarheit in Zeichen und Sprache" sowie "mehr Tempo, Mut und Entschiedenheit" von der Kirche in Österreich gesamt wünschen. Freilich könnte aber, betonte er, die Caritas nicht 30 Prozent der Asylwerber betreuen ohne Mithilfe der Klöster und Pfarrgemeinden.

In einem Kommentar in der "Krone" spricht Klaus Schwertner, Generalsekretär der Caritas Wien, über seine Hoffnung: Eine Politik der offenen Herzen
Ich denke oft an diesen Tag X in naher oder vermutlich in fernerer Zukunft. An jenen Tag, an dem die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien, aus Afghanistan und dem Nordirak wieder abgeklungen sein wird und wir auf das Hier und Heute zurückblicken. Wann dieser Tag anbricht, ist ungewiss. Dass er anbricht, ist hingegen sicher. Ich würde mir wünschen, dass dieser Blick zurück dann in dem Wissen möglich ist, dass wir unser Bestes für Menschen in Not getan haben.

Dass wir den Männern, Frauen und den Kindern ein Bett, ein Dach über dem Kopf und eine Perspektive gegeben haben. Wir sollten uns die Frage stellen, ob wir wirklich in einem Land leben wollen, in dem wir uns an den Anblick obdachloser Kinder in Traiskirchen gewohnt haben. Wir sollten uns die Frage stellen, ob wir in Städten und Gemeinden leben wollen, in denen mit dem Verweis auf baubehördliche Auflagen gegen die wichtigste aller Auflagen – die Auflage Menschlichkeit – verstoßen werden kann.

Nein, es geht nicht um eine Politik der offenen Grenzen – auch aus Caritassicht betone ich: nicht jeder, der in Österreich Asyl beantragt, wird auch Asyl erhalten –, es geht viel mehr um eine Politik der offenen Herzen. Es geht um die grundsätzliche Bereitschaft eines jeden und einer jeden von uns, Menschen, die vor Folter, vor Krieg und Tod geflohen sind, ein Ankommen in Würde zu ermöglichen. Sie aufzunehmen, anzuhören und ihnen gegebenenfalls auch Schutz und Zuflucht zu gewähren. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

Es gilt die Sorgen und Ängste in der Bevölkerung ernst zu nehmen, ihnen mit Sachlichkeit zu begegnen. Wer Österreich liebt, spaltet es nicht. Im Zusammenleben von Menschen gibt es immer auch Probleme, die dürfen nicht verschwiegen werden. In einem Rechtsstaat gelten klare Regeln und Pflichten. Die Österreicherinnen und Österreicher erwarten zu Recht Lösungen von der Politik – Lösungen für Traiskirchen, aber auch Lösungen für all die anderen Themen, die sie und die uns alle betreffen: steigende Arbeitslosigkeit, steigende Mieten, eine wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und die Zukunft der Bildung. Wenn in diesem Land knapp eine Million Menschen funktionale Analphabeten sind oder zunehmend mehr Menschen von Altersarmut betroffen sind, können wir es uns als Gesellschaft ganz einfach nicht leisten, auf Nöte wie diese zu vergessen. Was niemandem hilft, weder obdachlosen Österreichern noch obdachlosen Flüchtlingskindern: wenn die Not von Menschen gegeneinander ausgespielt wird.

Aufgaben, die anstehen, gibt es genug. Wenn Flüchtlingszelte in Traiskirchen und an anderen Orten den Blick auf diese Aufgaben verstellen, dann ist das nur ein Grund mehr, diese Zelte endlich abzubauen und Menschen auf der Flucht eine menschenwürdige Unterkunft zu bieten. Gemeinsam schaffen wir das – mit Mut, Verantwortung und Menschlichkeit.

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