Ungarns Asyl-Stopp

Kurz: “Österreich kann das nicht tolerieren!”

Österreich
24.06.2015 12:59
Außenminister Sebastian Kurz hat die Suspendierung der Dublin-III-Verordnung durch Budapest als "inakzeptabel" kritisiert. In einem Telefongespräch mit seinem ungarischen Amtskollegen Peter Szijjarto erklärte Kurz, dass das Vorgehen Ungarns "negative Auswirkungen" haben werde. "Österreich kann das nicht tolerieren", so Kurz. Innen- und Außenministerium hätten die EU-Kommission daher am Dienstagabend aufgefordert, ein Vertragsverletzungsverfahren zu prüfen. Die EU fordert nun Aufklärung von Ungarn, das angesichts der massiven Kritik am Mittwoch bereits zurückruderte.

Ungarn habe keine Anwendung einer EU-Rechtsnorm gekündigt, eine solche Entscheidung sei nicht getroffen worden, erklärte Szijjarto bei einer Pressekonferenz in Budapest. Man halte alle Rechtsnormen ein, erklärte der Außenminister. Jedoch habe die Regierung Informationen erhalten, wonach Österreich und zehn andere EU-Staaten illegale Einwanderer zurück nach Ungarn schicken wollen. "Damit sind wir nicht einverstanden", sagte Szijjarto, denn diese illegalen Einwanderer hätten das EU-Territorium nicht in Ungarn, sondern in Griechenland betreten, deswegen müssten sie dorthin zurück. Die Regierung in Budapest wies den Justizminister an, Verhandlungen mit der EU-Kommission zum Thema zu beginnen.

Wegen des massiven Flüchtlingsansturms habe Ungarn mit ernsthaften Kapazitätsproblemen zu kämpfen. "Wir arbeiten daran, diese technischen und Kapazitätsprobleme so bald wie möglich zu beheben, um alle EU-Anforderungen im Bereich Immigration erfüllen zu können", so Szijjarto weiter.

Dublin-III-Verordnung von Ungarn suspendiert
Budapest hatte am Dienstag die Dublin-III-Verordnung der EU einseitig suspendiert, die eine Aufnahme von Asylwerbern im ersten EU-Land, in das sie einreisen, vorsieht. Staaten an der EU-Außengrenze wie Bulgarien und Griechenland klagen über den großen Aufwand für die Versorgung von Neuankömmlingen - viele Flüchtlinge reisen jedoch weiter und bemühen sich um Aufnahme in reicheren Staaten wie Österreich, Deutschland oder Schweden. Diese dürfen nach der bisherigen Regelung Asylbewerber in den ersten Staat der Einreise, etwa Ungarn, zurückschicken. Österreich kann nun keine am Landweg über Ungarn eingereisten Personen mehr dorthin zurückschicken.

Regierungssprecher: "Das Boot ist voll"
Die Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban will auf unbestimmte Zeit keine Schutzsuchenden zurücknehmen, auch nicht aus Bürgerkriegsstaaten wie Syrien oder dem Irak. Ungarn habe Kapazitäten für 2.500 Flüchtlinge und schon 3.000 untergebracht, sagte Regierungssprecher Zoltan Kovacs. "Das Boot ist voll." Alle Abschiebungen nach Ungarn müssten abgesagt werden. Nach ungarischen Angaben sind seit Beginn des Jahres mehr als 60.000 Menschen illegal über die Grenze zu Serbien nach Ungarn eingereist.

Die EU-Kommission bezeichnete den Schritt Ungarns zur Aussetzung der Dublin-Regeln als "nicht vorgesehen". Eine Sprecherin der Kommission sagte am Dienstagabend in Brüssel, die Regierung in Budapest habe erklärt, sie habe das Dublin-III-Abkommen aus "technischen Gründen" ausgesetzt. "Die Kommission hat Ungarn zu einer umgehenden Klarstellung über die Art und das Ausmaß des technischen Fehlers aufgefordert", so die Sprecherin weiter.

Empörung bei Innenministerin Mikl-Leitner
Österreichs Innenministerium reagierte empört. Ressortchefin Johanna Mikl-Leitner betonte: "Wer weiterhin ein Europa ohne Grenzen haben will, muss die Schengen-Regeln einhalten. Das heißt natürlich auch, an der Dublin-Regel festzuhalten." Österreich sei bereit, Ungarn in dieser schwierigen Situation zu helfen: "Wir unterstützen Ungarn dabei auch mit 40 Polizisten an der ungarisch-serbischen Grenze. Klar ist jedoch, dass so eine Hilfe keine Einbahnregel sein kann", so die Innenministerin.

FPÖ und Team Stronach fordern Grenzkontrollen
Mikl-Leitner erwartet eine sofortige Reaktion der EU-Kommission auf die Suspendierung des Asyl-Abkommens durch die ungarische Regierung. Gegebenenfalls müsse die EU Ungarn mit Personal etwa von der Grenzschutzagentur Frontex zu Hilfe kommen. Ändere Budapest seine Haltung trotzdem nicht, sei ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. Als letzte Maßnahme schließt die Ministerin die von FPÖ und Team Stonach geforderte Wiedereinführung von Grenzkontrollen zwar nicht aus, sie gibt aber zu Bedenken, dass damit auch die Reisefreiheit als Herzstück der Europäischen Gemeinschaft gefährdet wäre.

Die Innenministerin hatte zuletzt angekündigt, in Österreich laufende Asylverfahren derzeit nicht zu behandeln und damit auch den Nachzug von Familienangehörigen zu stoppen. An dieser Entscheidung will sie weiterhin festhalten, sagte sie am Mittwoch.

Kritik an Ungarn auch von SPÖ und Grünen
Auch die SPÖ reagierte empört auf das ungarische Verhalten. Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos sprach von einem "inakzeptablen Bruch von EU-Recht". Mit dem Zaunbau an der Grenze zu Serbien, dem Ruf nach der Todesstrafe und nun auch mit dem Bruch von EU-Gesetzen beweise Ministerpräsident Orban, dass er den Grundgedanken der Europäischen Union völlig missachte. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner und Außenminister Kurz müssten sich hier klar distanzieren und sich endlich für einen Ausschluss von Orbans Fidesz-Partei aus der Europäischen Volkspartei einsetzen.

Die Menschenrechtssprecherin der Grünen, Alev Korun, kritisierte, Orban treibe das Florianiprinzip auf die Spitze: "Diesem egoistischen Nationalismus muss Österreich und die gesamte EU ein solidarisches Verteilungssystem und gemeinsame Verantwortung entgegensetzen."

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