Waldheim sei ein klassisches Opfer der Medien gewesen, führt der langjährige deutsche Kanzler im Gespräch mit seinem Ghostwriter Heribert Schwan aus. In der Affäre um die Wehrmachtsvergangenheit des früheren UNO-Generalsekretärs habe auch der Jüdische Weltkongress eine "besonders üble Rolle gespielt", kritisiert Kohl. Waldheim sei demnach "himmelschreiendes Unrecht" widerfahren.
"Leute, die ohne Hemmung Denunziation betreiben"
Er selbst sei zwar "kein Waldheim-Fan" gewesen. Dennoch: "Ich bin ein freier Bürger in einem freien Land. Ich muss mich den Ausführungen dieser Waldheim-Gegner nicht fügen. Das sind ja die gleichen Leute, die ohne jede Hemmung jede Denunziation betreiben, wenn es ihnen nützlich ist."
Dem früheren österreichischen Bundespräsidenten habe er den gleichen Rat erteilt wie dem damaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Hans Filbinger, der wegen seiner NS-Vergangenheit als Marinerichter hatte zurücktreten müssen. Er habe beiden einen längeren Auftritt im Fernsehen mit einem Bekenntnis zur Vergangenheit und mit bedauernden Worten empfohlen, so Kohl.
Kohl empfahl Waldheim "Bericht zur besten Sendezeit"
So habe er Waldheim geraten, im ORF auf einen "mindestens einstündigen Bericht zur besten Sendezeit" zu drängen. "Und dann erzählst du, wo dein Elternhaus war, und dass es noch andere zehntausend Österreicher gab, die deutsche Offiziere waren. Und du warst einer von ihnen. Du hattest zwar mit diesen Dingen direkt nichts zu tun gehabt, hast aber natürlich gewusst, dass das der barbarischste Kriegsschauplatz im Westen war. Es ist Schreckliches in Jugoslawien passiert, aber auch Schreckliches an deutschen Soldaten. Und sage, es tut dir leid!" Diese Sätze hätten nach Kohls Ansicht Wirkung gezeigt.
600 Interviewstunden auf 200 Tonbandkassetten
Das Buch "Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle" beruht auf 600 Interviewstunden auf 200 Tonbandkassetten mit Schwan. Der deutsche Journalist war zunächst Ghostwriter für den früheren CDU-Chef, bis Kohl ihm das Vertrauen entzog. Kohl hatte bis zuletzt versucht, die Veröffentlichung des Buches verbieten zu lassen.
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