UNESCO verärgert

Heldenplatz: Parlamentarier verbauen Wiens Herz

Österreich
11.01.2017 16:14

"Dürfen sich die Politiker bei euch alles erlauben?", fragt ein deutscher Tourist vor den neuen Ausweichquartieren für die Parlamentarier das "Krone"-Team. Offenbar - so hat die Parlamentsdirektion nicht einmal Hüter des UNESCO-Welterbe-Status der Stadt Wien um Zustimmung gefragt. Die Experten sind verärgert: "Das ist keine saubere Vorgangsweise."

"Muss das sein? Hier, auf einem der schönsten Plätze Wiens? Diese Gebäude sind für eure Politiker? Das lasst ihr Österreicher euch gefallen?", fragen die deutschen Touristen der Reisegruppe auf dem Heldenplatz. Kopfschüttelnd ziehen sie weiter Richtung Hofburg, das Fotomotiv Heldenplatz ist nichts wert.

Nicht mehr: Stock um Stock wachsen die von den Wienern bereits "Bonzen-Schachteln" genannten Gebäude aus dem bisher streng von der Polizei bewachten Rasen. Die Räume in der 51 Millionen Euro teuren Blech-Holz-Konstruktion werden die Nationalräte und ihr Tross drei Jahre lang während des Parlamentsumbaus als Büros nutzen - bei Verzögerungen bei den Umbauten im Hohen Haus noch viel länger.

Parlament ignorierte UNESCO-Denkmalschützer
"Und was passiert, wenn diese Gebäude nicht wieder wegkommen? Es gibt keine Exekutive für deren Beseitigung", warnt der wichtigste Hüter des UNESCO-Welterbe-Status, ICOMOS-Austria-Präsident Universitätsprofessor Dr. Wilfried Lipp. Der Kunsthistoriker ist etwas verärgert, dass ICOMOS nicht vor dem Projektstart befragt worden ist: "Der Heldenplatz ist ein Filetstück des Welterbes der Stadt Wien. Jeder Eingriff kann hier eine negative Beurteilung zur Folge haben."

Das Einvernehmen mit der UNESCO, die den (global werbewirksamen) Welterbe-Status vergibt, sei vor einem Bauprojekt herzustellen, betont Lipp: "Es gab dazu aber keine offizielle Kommunikation. Das ist keine saubere Vorgangsweise." Und er stellt klar: "Kommt etwas Fixes, ist das sicher nicht hinnehmbar."

Experten befürchten bereits, dass das Hinklotzen der zwei Quader ein Stimmungstest für den Bau eines größeren "Hauses der Geschichte" an dieser Stelle sein könnte. Die Parlamentsdirektion bestreitet das: "Im September 2020 ist wieder alles abgebaut." Außerdem würden die Gebäude "noch schöner" werden.

Kommentar von Richard Schmitt: "Wiener Gepflogenheiten"
Ziemlich sauer ist "Mister Weltkulturerbe", Universitätsprofessor Wilfried Lipp: Während die Stadt Wien mit dem "UNESCO-Welterbe"-Plaketterl weltweit Touristen ködert, pfeifen sich die Herren und Damen Politiker nämlich rein gar nix um Lipps ICOMOS-Organisation.

Erneut wurde jetzt dieser durchaus einflussreiche "Internationale Rat für Denkmalpflege" ignoriert, der schon seit Jahren mitbestimmt, welche Stadt die bedeutende UNESCO-Auszeichnung erhält: "Nein, zu dem Bau der Parlamentarierbüros auf dem Heldenplatz gab es keine offizielle Kommunikation mit ICOMOS", kritisiert Lipp im "Krone"-Gespräch die "Wiener Gepflogenheiten": "Zuerst machen, dann mit den Denkmalschützern reden. Aber nur dann, wenn's gar nicht mehr anders geht." Die Folgen für die Republik und Wien könnten unangenehm und teuer sein.

Richard Schmitt, Kronen Zeitung

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