Bewegendes Buch

Friedrich Orter: “Ich hasse den Krieg”

Österreich
21.10.2014 09:11
Ob Jugoslawien, der Irak, Afghanistan oder Syrien: Für den ORF war Friedrich Orter in den vergangenen 20 Jahren an den gefährlichsten Plätzen der Welt. In seinem Buch "Ich weiß nicht, warum ich noch lebe", schildert der 65-Jährige seine Erfahrungen als Kriegsberichterstatter. "Ich war in 14 Kriegen. Ich hasse den Krieg", begann er bei einer Lesung am Montagabend in Wien die Präsentation.

"Ich habe Sterbende gesehen. Ich war in dreckig verlausten Lazaretten und erbärmlichen, nach Urin und Kot stinkenden Feldspitälern, ich habe schwarz verbrannte Köpfe gesehen, Körper toter Krieger, aus deren Augen Maden krochen, aufgedunsene Leichen, hineingezwängt in Billigsärge", lässt der ehemalige ORF-Reporter die Grenzerfahrungen seiner Arbeit Revue passieren. Orter schreibt auch von seinen Lieblingsbüchern, die ihm seine Frau stets mit auf die Reise in Krisengebiete einpackte, von Wörterbüchern, in denen er blätterte, wenn er keinen Schlaf finden konnte, von brandgefährlichen Situationen und Kollegen, die für einen Bericht aus dem Kriegsgebiet mit ihrem Leben bezahlen mussten.

Unser Geschäft ist der Tod
"Meine sichtbaren Narben sehe ich im Spiegel, die Unsichtbaren verberge ich vor mir selbst. Das ist der Preis, wenn man grausame Geschichten erzählen will. Unser Geschäft ist der Tod. Wir wissen, wir profitieren davon, egal wie ehrenwert unsere Motive sein wollen. Wir bekommen Preise dafür, während andere verrecken - daran muss ich immer denken", so Orter. Im Jahr 2012 verabschiedete sich der ORF-Journalist in die Pension. Nach dem Tod seiner Frau sei etwas von seiner Kraft "weggebrochen", trotzdem "wollte er es noch einmal wissen" und zog im Frühling 2013 als unabhängiger Reporter in den syrischen Bürgerkrieg.

Schnell sei ihm aber klar geworden, dass sich die Arbeit eines Krisenberichterstatters verändert habe: Schnelligkeit und ständige Präsenz und das am besten in multimedialer Form seien gefragt. Junge Kollegen würden als billige Arbeitskräfte ausgebeutet. Auf seine Reporter-Karriere zurückblickend meinte er: "Die Kriegstrommeln werden noch immer geschlagen. Das Abschlachten auf den Kriegsschauplätzen geht weiter. Frieden wird es nie geben, aber vielleicht eines Tages keine Kriege mehr, wie ich sie kannte. Ich bin alt geworden. Ich weiß nicht, warum ich noch lebe."

Krisengebiete auf der ganzen Welt bereist
Der promovierte Historiker und gebürtige Kärntner begann seine ORF-Karriere gleich nach seinem Studium im Jahr 1975. Orter arbeitete zunächst für die Kurzwelle und stieß dann zur neu gegründeten ORF-Osteuroparedaktion. Dort waren Paul Lendvai und Barbara Coudenhove-Kalergi seine "Lehrmeister". Polen, Rumänien und andere Länder der osteuropäischen Wende um 1989 zählten zu Orters Stationen. Mit dem "Krieg gegen den Terror" kamen Krisengebiete in Zentralasien, dem Nahen und Mittleren Osten dazu. Für seine Reportagen und Dokus wurde der Journalist mit zahlreichen Preisen wie etwa dem Renner-Preis für Publizistik, dem Preis des Österreichischen Roten Kreuzes, dem OSZE-Preis für Journalismus und Demokratie, dem Ermacora-Preis für Menschenrechte und mit der "Kurier"-Romy, ausgezeichnet.

Das neue Buch von Friedrich Orter: "Ich weiß nicht, warum ich noch lebe" (19,95 Euro; 1. Auflage 2014).

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