Konzert im Rathaus

Fischer und Philharmoniker gedachten in Sarajevo

Österreich
28.06.2014 20:34
Historische Versöhnungsgeste in Sarajevo: Zum 100. Jahrestag des kriegsauslösenden Mordes am österreichischen-ungarischen Thronfolger Franz Ferdinand haben die Wiener Philharmoniker am Samstagabend im historischen Rathaus der bosnischen Hauptstadt Sarajevo ein Gedenkkonzert vor mehreren Staatsoberhäuptern gespielt, darunter Bundespräsident Heinz Fischer.

Im "Alten Rathaus" (Vijecnica), dem Prachtbau der k.u.k. Monarchie in Bosnien-Herzegowina, erklang dabei auch die alte Kaiserhymne. Unter der Leitung von Franz Welser-Möst spielten die Wiener Philharmoniker auch die Symphonie Nr. 7 (Unvollendete) von Franz Schubert, das Schicksalslied von Johannes Brahms, drei Orchesterstücke von Alban Berg sowie "La Valse" von Maurice Ravel. Den Beginn markierte die bosnische Hymne, den Abschluss Beethovens Europahymne. Das Konzert vor 330 geladenen Gästen wurde ins Freie und über die European Broadcasting Union in rund 30 Staaten, darunter Österreich, übertragen.

"Leidenschaftliches Plädoyer für die Versöhnung"
Philharmoniker-Vorstand Clemens Hellsberg sagte zu Beginn des Konzerts: "Es ist mehr als ein Konzert, das uns in diesem Gebäude zusammenführt, es ist ein leidenschaftliches Plädoyer für die Versöhnung." Mit Blick auf das Habsburger Reich sagte er, dass große Reiche "hinweggefegt werden", während "wahre Kunst vom Wechsel der Zeiten unberührt" bleibe. Hellsberg unterstrich auch, dass die Wiener Philharmoniker mit ihrem Konzert an diesem Tag und an diesem Ort insbesondere der Idee eines gemeinsamen Europa "unsere Reverenz erweisen" wollen.

Zusätzlich zum ursprünglich angekündigten Programm spielten die Wiener Philharmoniker auch - wie Welser-Möst sagte - "etwas an echter Wiener Musik", und zwar den Walzer "Friedenspalmen" von Josef Strauss. Besonders beeindruckt hat das Publikum die Interpretation des Stücks "La Valse" von Ravel, eine zum Nachdenken anregende Mischung aus beschwingten Walzerklängen und an Gefechtslärm erinnernden Bass-Tönen. Eindrucksvoll war auch der Kontrast zwischen den lieblichen Klängen von Schuberts "Unvollendeter" und dem folgenden atonalen Stück von Alban Berg, das ebenfalls Assoziationen zum Bombenhagel des Ersten Weltkriegs weckte.

Die Vijecnica symbolisiert die bewegte Geschichte der bosnischen Hauptstadt. Ende des 19. Jahrhunderts im neomaurischen Stil als Rathaus errichtet, war es im Bosnien-Krieg 1992 schwer beschädigt worden. Danach wurde es mit Hilfe europäischer Staaten, darunter Österreich, renoviert. Erst im Mai war es wiedereröffnet worden.

"Es ist kein Konzertsaal, aber ein unerhört symbolträchtiger Ort", betonte Hellsberg. Franz Ferdinand hatte das Gebäude am 28. Juni 1914 nach dem ersten fehlgeschlagenen Attentatsversuch besucht. "Ich komme hier als euer Gast, und ihr begrüßt mich mit Bomben", empörte er sich vor den betretenen Honoratioren der Stadt. Nach ihrer Abfahrt vom Rathaus wurden Franz Ferdinand und seine Frau Sophie dann an einer nahe gelegenen Straßenkreuzung vom bosnisch-serbischen Nationalisten Gavrilo Princip erschossen.

Keine Spitzenpolitiker aus Serbien anwesend
Fischer sagte, es sei ihm "wichtig, persönlich an der Gedenkfeier in Sarajevo teilzunehmen". Es sei nämlich "ein hoffnungsvolles Zeichen für die Zukunft", dass des Attentats gemeinsam gedacht werde. Der Einladung nach Sarajevo folgten auch die Präsidenten Kroatiens, Mazedoniens und Montenegros (Ivo Josipovic, Gjorge Ivanov und Filip Vujanovic). Spitzenpolitiker aus Serbien blieben dem Gedenkkonzert jedoch fern, aus Protest gegen eine nach dem Bosnien-Krieg angebrachte serbenfeindliche Inschrift auf dem Rathausgebäude.

Fischer betonte, für ihn stehe bei den Feierlichkeiten das Gemeinsame und das Bekenntnis zum Frieden im Vordergrund. Bereits beim offiziellen österreichischen Gedenkakt zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs in der Vorwoche hatte er gesagt, dass aus österreichischer Sicht "die Wunden aus dieser Zeit verheilt" und die Beziehungen zu den ehemaligen kriegsführenden Staaten "ausgezeichnet und vorurteilsfrei" seien. Österreich wolle sich an diesem Gedenktag als "enger Freund und Partner" von Bosnien-Herzegowina präsentieren, unterstrich der Präsident.

Der Mord an Franz Ferdinand und Sophie gilt als Auslöser des Ersten Weltkrieges. Weil es die Princip und seine Mitverschwörer unterstützt haben soll, erklärte Wien Serbien Ende Juli 1914 den Krieg. Deutschland unterstützte Österreich-Ungarn, Russland sprang Serbien zur Seite. In wenigen Tagen wurden dann die anderen europäischen Großmächte in den Krieg gezogen, der rund 20 Millionen Tote fordern und eine gänzlich neue Weltordnung schaffen sollte.

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